Architektouren:Welche Architektur-Highlights am Wochenende die Türen öffnen

Lesezeit: 4 min

Die von brunner architekten ingenieure sanierte Gerätehalle in Frauenau. (Foto: Johannes Zettel/Bayerische Architektenkammer)

Vom Welterbe-Kurhaus bis zur modernen Holzkapelle: Die bayerische Architektenkammer lädt zu spannenden Führungen ein. Eine Auswahl aus den sieben Regierungsbezirken.

Von Matthias Köpf

Adolf Loos, einer der Wegbereiter der modernen Architektur, hat auch das wohl am schnörkellosesten auf den Punkt gebracht: "Man kommt ihr nicht aus", lautet Loos' berühmte Begründung dafür, dass die Architektur seit jeher als die öffentlichste aller Künste gilt. Doch selbst wenn es praktisch unmöglich ist, all jenen in die Stadt- und sonstigen Landschaften gebauten Werken auszukommen: In sie hinein kommt man deswegen noch lange nicht. Das ändern im inzwischen 27. Jahr die "Architektouren", die jährliche Leistungsschau der bayerischen Architektenkammer und ihrer Mitglieder. Heuer öffnen sich in ganz Bayern an diesem Samstag und Sonntag allen Neugierigen die Türen von insgesamt 218 Bauwerken, die in den vergangen drei Jahren fertig gestellt wurden.

Diese Aktualität ist Bedingung für die Planer, die ihre Projekte selbst für die Architektouren einreichen können. Ob diese Projekte dann wirklich ins Programm kommen, entscheidet ein unabhängiger Beirat, der längst nicht alle Bewerbungen durchwinkt. Zugleich ist die Erfolgsquote doch deutlich höher als bei einem landläufigen Architektenwettbewerb oder ähnlichen Ausschreibungen. Aber den Auftrag für den jeweiligen Neubau, die Innenräume, den Landschaftsplan, die Quartiersplanung oder die Sanierung haben die Planerinnen und Planer zuvor ja schon erhalten.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Bei den Architektouren sind sie in aller Regel persönlich anzutreffen, und auch Bauherrinnen oder Nutzer der jeweilen Werke stehen oft für ein Gespräch zur Verfügung. Geht es nach der bayerischen Architektenkammer, so könnten sich die Gespräche heuer unter anderem um die dauernde Veränderung drehen. "Architektur verwandelt" lautet nämlich das Motto für 2023. Denn der Wandel sei eben die Konstante in der Architektur und für den ganzen Berufsstand. Und das nicht nur deswegen, weil es dort, wo frisch gebaut wurde, meistens anders aussieht als davor. Ob es dann auch wirklich gut oder sogar besser ausschaut, entscheiden neben Jurys und Benutzerinnen eben auch die Betrachter dieser öffentlichsten aller Kunstwerke.

Auch die Architektouren selbst haben sich heuer einen neuen, zusätzlichen Schwerpunkt gegeben. "Denn ein nachhaltiges, sozial- und naturverträgliches Leben ist heute ohne den konsequenten Wandel hin zu Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung beim Planen und Bauen nicht denkbar", erläutert Kammerpräsidentin Lydia Haack. Deswegen können die Planer in diesem Jahr erstmals etwas in den Mittelpunkt stellen, was die Kammer "KlimaKulturKompetenz" nennt und an den fünf Kategorien Energieeffizienz, Klimaanpassung, Flächensparen, Barrierefreiheit und "weitere Aspekte der Nachhaltigkeit" bemisst. 76 der 218 Projekte wurden dafür gesondert ausgezeichnet, viele davon gleich in zwei oder mehreren Kategorien, wofür die Kammer Plaketten zum Anbringen an den jeweiligen Gebäuden ausgibt.

Die Architektenkammer selbst hat im Sinne der Nachhaltigkeit die Auflage ihrer gedruckten Programmheftchen niedrig gehalten. Was es am Samstag und Sonntag zu sehen und zu besuchen gibt, hat sie aber auch auf ihrer Internetseite zusammengestellt. Die Datenbank ist nach verschiedenen Kriterien durchsuchbar, unter anderem nach einzelnen Orten und ihrer weiteren Umgebung. Die SZ präsentiert beispielhaft jeweils ein Projekt aus jedem der sieben bayerischen Bezirke.

Hoch hinaus in Oberbayern

Privates Wohnhaus in Herrsching am Ammersee von Möbius Architekten. (Foto: Jasper Müller/Bayerische Architektenkammer)

Sechs Hausnummern reihen sich in Herrsching in der Nähe der Ammerseepromenade aneinander. Auch für das Reihenendhaus war der Platz knapp, den Helma Bock und Holger Möbius von Möbius Architekten fürs eigene Haus mit einem Neubau bespielen konnten. Und wo es vermeintlich an Grundfläche fehlt, muss sich ein Haus eben in der Vertikale organisieren, mit "vernetzten Stockwerken, überraschenden Perspektiven und Öffnung zum Ammersee", wie es in der Projektbeschreibung heißt.

Besichtigung: 24. und 25. Juni, jeweils 14-17 Uhr, Madeleine-Ruoff-Straße 44, 82211 Herrsching.

Statt abstellen in Niederbayern

Die von brunner architekten ingenieure sanierte Gerätehalle in Frauenau. (Foto: Johannes Zettel/Bayerische Architektenkammer)

Früher war das Gebäude in Frauenau im Bayerischen Wald einfach eine alte Gerätehalle der Poschinger'schen Gutsverwaltung. Die charakterstarke Bruchsteinfassade ist immer noch da, doch Planer Robert Brunner von brunner architekten ingenieure hat zur Wiederbelebung des Bauwerks große neue Öffnungen einfügen lassen, durch die sich der Blick aus den modernen, neuen Wohnungen hinaus ins Grüne öffnet.

Besichtigung: 25. Juni, 10-12 Uhr, Oberfrauenau 27, 94258 Frauenau.

Neue Mitte in Oberfranken

Dorfgemeinschaftshaus Carlsgrün von Kuchenreuther Architekten / Stadtplaner. (Foto: Felix Meyer/Bayerische Architektenkammer)

Ein Dorf braucht Gemeinschaft, das gilt auch für das kleine Carlsgrün, das zum oberfränkischen Bad Steben gehört. Für das neue Dorfgemeinschaftshaus mitten in Carlsgrün hat sich Peter Kuchenreuther von Kuchenreuther Architekten / Stadtplaner an den Zwillingshäusern ein Beispiel genommen, die für die Region typisch sind. Unter dem zweiten Dach ist - im Dorf ebenfalls unverzichtbar - die Feuerwehr untergekommen.

Besichtigung: 24.6., 13.30-14 Uhr, Siemesweg 1, 95138 Bad Steben, Ortsteil Carlsgrün.

Schöner schauen in Schwaben

Das Alpenstadtmuseum in Sonthofen, entworfen von Andreas Ferstl. (Foto: Sebastian Schels/Bayerische Architektenkammer)

Der Bezirk Schwaben hat heuer erstmals eigene Architekturpreise vergeben. Einen davon hat das ebenfalls praktisch nagelneue Alpenstadtmuseum in Sonthofen gewonnen. Architekt Andreas Ferstl hat für die Stadt ein neu hinzugekauftes Bauernhaus durch einen Neubau mit dem alten Sonthofener Heimathaus verbunden. Im Umfeld sind neue Freiräume entstanden. Die historische Situation am Kirchplatz wurde so wiederhergestellt, was auch das Preisgericht zu würdigen wusste.

Besichtigung: 24. Juni, 14-16 Uhr, Sonnenstraße 187527 Sonthofen.

Zur Kur in Unterfranken

Grellmann Kriebel Teichmann & Partner zeichnen für die Sanierung des Kurhausbads und des ehemaligen königlichen Logierhauses in Bad Kissingen verantwortlich. (Foto: Gerhard Hagen/Bayerische Architektenkammer)

Bei jedweden Eingriffen im Unesco-Welterbe ist besondere Vorsicht geboten. Die Bäderarchitektur von Bad Kissingen zählt seit zwei Jahren als eines der "Great Spas of Europe" zum besagten Welterbe, was bei der vom Freistaat verantworteten Sanierung des ehemaligen königlichen Logierhauses und des Kurhausbads besonderes Fingerspitzengefühl erforderte. Das Büro Grellmann Kriebel Teichmann & Partner hat es beweisen. Im gediegenen Ambiente des Kurhausbads wird heute nicht mehr gebadet, sondern verwaltet.

Besichtigung: 25. Juni, 13 und 15 Uhr, Prinzregentenstraße 6, 97688 Bad Kissingen.

Innehalten in der Oberpfalz

Diese Wegkapelle in den Auen der Waldnaab haben Brückner & Brückner Architekten entworfen. (Foto: mju-fotografie/Bayerische Architektenkammer)

Kapellen zählen schon lange nicht mehr zu den häufigen Bauaufgaben, so wie Sakralbauten insgesamt. Brückner & Brückner Architekten haben in Tirschenreuth vom örtlichen Rotary-Club eine solche Bauaufgabe gestellt bekommen und sie unter anderem mit 325 himmelwärts ragenden Holzbalken gelöst. Das Fundament ist mit Kaolin getränkt, einem Grundstoff der Oberpfälzer Porzellanindustrie. Die Kapelle steht in den Auen der Waldnaab und ist auch während der Architektouren nur zu Fuß über einen Feldweg erreichbar.

Besichtigung: 25. Juni, 14-14.45 Uhr und 15-15.45 Uhr, etwa 30 Minuten zu Fuß ab Parkmöglichkeit an der Kornbühlstraße 55, 95643 Tirschenreuth.

Zweite Reihe in Mittelfranken

Juliblau Architekten haben dieses Haus in zweiter Reihe in einen Erlanger Garten gesetzt. (Foto: Carsten Bunnemann/Bayerische Architektenkammer)

In vielen bayerischen Städten wird der Baugrund immer knapper und teurer. Das "Nachverdichten" zählt zum Standardrepertoire der Stadtplaner, und wenn dazu noch das Eigenschaftswort "behutsam" kommt, dann löst es in den älteren Siedlungen mit den größeren Gärten vielleicht nicht ganz so viele Sorgen aus. In Erlangen haben Ulrike Höller und Jan Jonas Kunz von Juliblau Architekten in dieser Weise behutsam nachverdichtet, mit einem zusätzlichen Wohnhaus in Holzständerbauweise, lokalisiert in zweiter Reihe im Garten eines bestehenden Anwesens.

Besichtigung: 24. Juni, 10-12 Uhr und 14-17 Uhr, Führungen 10.30 Uhr, 14 Uhr und 16.30 Uhr, Atzelsberger Steige 3a, 91054 Erlangen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusAiwanger-Interview
:Landfrau Gabi und die große Verschwörung

Eine Darstellerin der BR-Seifenoper "Dahoam is Dahoam" zeigte sich bei der Erdinger Heiz-Demo als Reporterin des "Querdenker"-Senders Auf1 - der auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verleumdet. Wie passt das zusammen?

Von Johann Osel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: