Arbeitslosigkeit in Bayern:Kleine Zahl, viele Schicksale

Lesezeit: 3 min

Am Dienstag gab die Arbeitsagentur die neuen Zahlen bekannt. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Die Arbeitslosenquote in Bayern liegt bei 3,6 Prozent - doch die Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibt aus vielen Gründen schwierig.

Von Maximilian Gerl, Nürnberg

Die Zahl mutet auf den ersten Blick klein an. 3,6 Prozent habe die Arbeitslosenquote für Bayern im Dezember betragen, meldete die Regionaldirektion der Arbeitsagentur am Dienstag. Der gleiche Wert war für November veranschlagt worden. 275 067 Menschen galten als arbeitslos. Im Vergleich zum Vorjahr waren das 66646 Betroffene mehr, ein Plus von 32 Prozent - und doch nicht so viele, wie man vielleicht angesichts der Corona-Krise erwartet hätte. Auch die Arbeitslosenquote für das gesamte Jahr 2020 blieb bei 3,6 Prozent, 0,8 Punkte mehr als 2019. Damit habe Bayern "als bestes und einziges Bundesland" das Jahr mit einer Durchschnittsquote von unter vier Prozent abgeschlossen, teilte Arbeitsministerin Carolina Trautner (CSU) mit. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) lobte den Arbeitsmarkt als "äußerst robust", die Arbeitslosigkeit sei die niedrigste in Deutschland.

3,6 Prozent. Gibt das Anlass zu Optimismus in diesen Zeiten? Oder nicht? Einerseits sprechen Ökonomen bei einer Quote zwischen zwei und drei Prozent von Vollbeschäftigung; davon wäre Bayern also nicht weit weg, trotz Krise. Was andererseits all den Menschen gar nichts hilft, die ihren Job verloren haben oder denen dies droht. Auch hinter einer scheinbar kleinen Zahl stecken viele persönliche Schicksale.

Newsblog
:Die Entwicklungen der Corona-Krise in Bayern

Was beschließt die Staatsregierung, um die Pandemie zu bekämpfen, wo entstehen neue Hotspots, wie schlimm sind die Folgen? Die aktuellen Meldungen zu Corona in Bayern.

Möglicherweise sind darum beide Sichtweisen korrekt, die positive wie die negative. Schon in normaleren Zeiten sind Bewertungen des Arbeitsmarkts meist kompliziert, diesmal jedoch besonders. Das liegt auch am Stichtag der Daten. Arbeitsmarktzahlen werden traditionell zur Mitte eines jeden Monats erhoben. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) nannte daher die Quote von 3,6 Prozent angesichts der Lage "noch erfreulich". Aber: "Die Zahlen spiegeln die reale Lage nicht wider." Der Lockdown habe erst in der zweiten Dezemberhälfte seine volle Wirkung entfaltet und sei deshalb noch nicht eingepreist. "In den besonders betroffenen Branchen wird dies über kurz oder lang auch auf die Arbeitslosenzahlen durchschlagen."

Tatsächlich haben die Auswirkungen der Pandemie die Branchen und ihre Beschäftigten unterschiedlich hart getroffen. Bei den einen liegt das Geschäft seit Mitte März brach. Das gilt unter anderen für den Reise-, Kultur- und Veranstaltungsbereich. Andere wie zum Beispiel die Autoindustrie scheinen sich vom Frühjahrsschock einigermaßen erholt zu haben und kämpfen stattdessen mit strukturellen Problemen, die schon vorher bestanden. Dritte leben im Auf und Ab der Corona-Maßnahmen, so der stationäre Einzelhandel, der gegen die Macht des Onlinehandels noch kein rechtes Mittel gefunden hat. Und Vierte meistern bislang recht unbeeindruckt die Krise, allen voran Hersteller pharmazeutischer Produkte. Zudem wirkt das Instrument der Kurzarbeit Entlassungen entgegen. Laut Regionaldirektion ist die Zahl der Kurzarbeitsanzeigen über den Sommer kontinuierlich gesunken und im Dezember wieder auf bayernweit 12 348 gestiegen. Betroffen waren davon rund 108 000 Beschäftigte. Allerdings kommen nur Angestellte in diesen Genuss. Aushilfen wird in der Regel gekündigt. Soloselbständigen, von denen es gerade im Kulturbereich viele gibt, bleibt notfalls nur der Weg in Hartz IV.

Ähnlich sieht es bei der Beschäftigung aus. Hier stammen die jüngsten Daten teils aus dem Oktober. Unter anderem im Baugewerbe, dem Gesundheits- und Sozialwesen, der öffentlichen Hand oder im Bildungssektor ist die Beschäftigung im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen, heißt es im aktuellen Arbeitsmarktbericht. Ein Beschäftigungsrückgang ist dagegen vor allem strukturellbedingt bei der Arbeitnehmerüberlassung und der Metall- und Elektroindustrie zu beobachten - sowie krisenbedingt beim Gastgewerbe. Besonders problematisch für Arbeitssuchende: Generell werden weniger neue Mitarbeiter gesucht. Laut Bericht ist zuletzt die Nachfrage nach ihnen nicht nur geringer als im Vorjahr, "sondern auch gegenüber dem November weiter gesunken".

Außer der Bewertung der Arbeitslosenquote bleibt auch vorerst die Lage, wie sie ist: schwierig. "Die Wirtschaft startet geschwächt in das neue Jahr", warnte die VBW. Für sie dürfe keinesfalls neue Bürokratie aufgebaut werden. Die geplante abermalige Aussetzung der Insolvenzantragspflicht begrüße man, "das verschafft den Unternehmen Zeit, sich weiter zu reorganisieren". Aiwanger forderte Entlastungen: Neben "einer durchgreifenden Senkung der Unternehmenssteuern" müsse die Mehrwertsteuer in der Gastronomie dauerhaft herabgesetzt werden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund Bayern plädierte für Impulse "auch aus Bayern heraus". 2021 dürfe kein Jahr der Lohnzurückhaltung sein, nötig seien stattdessen Maßnahmen zur Stärkung der Binnenkonjunktur. Immerhin der nächste Arbeitsmarktbericht dürfte ein klareres Bild vom zweiten Lockdown vermitteln. Er soll Ende Januar erscheinen.

© SZ vom 07.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Corona-Krise
:Teil-Lockdown kostet kaum Jobs

Trotz der Schließung von Restaurants, Sport- und Kulturstätten gibt es im Dezember nur 8000 Arbeitslose mehr. Warum ist das so?

Von Alexander Hagelüken

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: