Vorwurf der doppelten Buchführung:Abrechnungen mit Fantasiezahlen

Arbeiter-Samariter-Bund

Der bayerische Landesverband des ASB weist die Vorwürfe umgehend zurück: Von unrechtmäßigen Überschüssen könne keine Rede sein.

(Foto: dpa)
  • Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Bayern soll Krankenkassen durch manipulierte Kostenabrechnungen "mit Fantasiezahlen" um Geldbeträge in Millionenhöhe betrogen haben.
  • Die Staatsanwaltschaft Nürnberg hat ein Vorermittlungsverfahren wegen Betrugs eingeleitet.
  • "Ich bin mir sicher, diese Vorermittlungen werden ergeben, dass an den Vorwürfen nichts dran ist", erklärte der ASB-Landesvorsitzende Hans-Ulrich Pfaffmann am Dienstag.

Von Dietrich Mittler

Der Arbeiter-Samariter-Bund in Bayern (ASB) sieht sich mit einem schweren Verdacht konfrontiert. Nach Informationen, die auf fundierte Kenntnisse über interne Vorgänge im ASB-Rettungsdienst schließen lassen, sollen Krankenkassen durch manipulierte Kostenabrechnungen "mit Fantasiezahlen" um erhebliche Beträge betrogen worden sein. "Der ASB hat durch diese Praxis über die Jahre mehrere Millionen Euro Gelder im Rettungsdienst zusätzlich abgerechnet", heißt es in einem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung  vorliegt.

So etwa seien zusätzliche, gar nicht zustande gekommene Ausgaben abgerechnet worden - etwa unter der Rubrik "Diensträume". Derart erzielte Beträge seien als Sonderposten "eingepflegt" worden. Wie die Staatsanwaltschaft Nürnberg bestätigte, wurde ein Vorermittlungsverfahren wegen Betrugs eingeleitet. Der frühere SPD-Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Pfaffmann, seit 2002 Landesvorsitzender des ASB, erklärte am Dienstag: "Ich bin mir sicher, diese Vorermittlungen werden ergeben, dass an den Vorwürfen nichts dran ist."

Sollten einige der Vorwürfe indes doch der Realität entsprechen, so hat womöglich über Jahre hinweg eine doppelte Buchführung stattgefunden. Wie dem vorliegenden Schreiben zu entnehmen ist, soll es beispielsweise für das Jahr 2015 einen vom damaligen Geschäftsführer abgezeichneten Buchungsbeleg geben, in dem "zusätzlich abgerechnete Gelder" aufgeführt sind. An die Zentrale Abrechnungsstelle für den Rettungsdienst Bayern GmbH (Zast) seien hingegen Abrechnungen mit "nachträglich bearbeiteten" Ausgabensummen gegangen. Das habe auch Konsequenzen für die kommenden Jahre gehabt: "Die Abrechnungen waren in der Regel Grundlage für die folgenden Haushaltsverhandlungen mit den Sozialversicherungsträgern", heißt es in dem Schreiben.

Jarno Lang, erst seit Kurzem Geschäftsführer des ASB-Landesverbandes Bayern, wies die Vorwürfe umgehend zurück. Von unrechtmäßigen Überschüssen könne nicht die Rede sein, erklärte er. Es habe sich auch "definitiv niemand persönlich bereichert", heißt es weiter in einer Stellungnahme des ASB zum Vorgehen der vorherigen Geschäftsführung. Wenn denn Überschüsse erzielt würden, die über den mit den Kassen vereinbarten Budgets liegen, so flössen "diese vertragsgemäß stets in andere rettungsdienstliche Leistungen wie zum Beispiel den Bevölkerungsschutz".

Im Schreiben, das der SZ vorliegt, heißt es indes, in einem ASB-Kreisverband seien finanzielle Mittel des Rettungsdienstes zweckentfremdet "in der Abteilung Pflege verwendet" worden. Lang kündigte eine konsequente Aufklärung der Angelegenheit an. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl und Partner soll die am Wochenende durch die Nürnberger Nachrichten bekanntgewordenen Verdachtsmomente umfassend prüfen. "Uns ist viel daran gelegen, die schweren Vorwürfe vollständig und auf transparente Art und Weise zu entkräften", betonte Lang. Über die Ergebnisse dieser Prüfung werde der ASB dann "selbstverständlich die Öffentlichkeit unterrichten".

Die aktuellen Probleme des ASB haben auch bei anderen bayerischen Rettungsorganisationen Aufsehen erregt. "Das wird sich auf uns auswirken", wurde am Montag der Sorge Ausdruck verliehen, dass nun die ganze Branche unter Generalverdacht geraten könnte. In einem Brief hat ASB-Geschäftsführer Lang seinen Kollegen zugesagt, sie "über den weiteren Verlauf und erfolgte Ergebnisse direkt auf dem Laufenden" zu halten. Zugleich betonte er, "dass wir diese Vorwürfe zwar als unbegründet und nicht zutreffend erachten, diese aber dennoch sehr ernst nehmen".

Die AOK Bayern erfuhr von den Vorwürfen gegen den ASB-Landesverband bereits Ende vergangenen Jahres. Am Abend des 29. November erhielt Dominik Schirmer, der Leiter der Abteilung zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen, eine entsprechende Mail, die er an seinen Referenten für den Bereich Rettungswesen weiterleitete. Schirmer betonte, er werde auf dieses Ermittlungsverfahren keinen Einfluss nehmen. Hintergrund: Vergangenen Sommer erst war er in die ASB-Landeskontrollkommission gewählt worden.

"Durch die Mail geriet ich in einen Interessenkonflikt", sagte er. Um zu vermeiden, dass im ASB womöglich Unterlagen verschwinden, habe er seine Kenntnisse nicht der Landeskontrollkommission mitgeteilt, sondern stattdessen seine AOK-Abteilung mit der Aufklärung beauftragt. "Das war meine Pflicht, ich bin de facto Amtsträger", sagte Schirmer. Die AOK Bayern sprach ihm ihr Vertrauen aus.

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