Das Trauma Bulgarien
Fakt ist, dass Mohammad D. zunächst in Bulgarien blieb. "Fieberfrei, wach, beredet, orientiert", notierte ein Arzt über D., als der ihm da am 9. Oktober 2013 in einer Praxis in der bulgarischen Hauptstadt Sofia gegenübersaß. Der Patient klagte über ein Trauma, das er sechs Monate zuvor in Syrien erlebt habe. In seiner unmittelbaren Nähe sei damals eine Bombe explodiert, Splitter hätten seine Beine getroffen. Offene Wunden fand der Arzt nicht, doch er ließ die Knie des Patienten röntgen. Dabei wurden "in beiden Kniegelenken röntgenpositive, metallische Fremdkörper festgestellt", wie der Arzt im Attest notierte, das der SZ vorliegt. Es stammt vom 1. November 2013. Mohammad D. selber schilderte später, was dann angeblich geschah. Er habe sich geweigert, seine Fingerabdrücke zu geben. Daraufhin sei er zwei Tage in ein bulgarisches Gefängnis gesteckt und dort mit Gummiknüppeln geschlagen worden - genau auf den Arm, der ihn seit dem angeblichen Angriff auf sein Haus in Aleppo schmerzte.
Zwei Monate hätten ihn die Bulgaren in einer Einzelzelle festgehalten. Er habe um medizinische Hilfe gebeten, die aber sei ihm verweigert worden. Schließlich sei er von der Einzelhaft und der Gewalt der Gefängniswärter so zermürbt gewesen, dass er doch die Fingerabdrücke gegeben habe. Daraufhin sei er am 18. September 2013 freigelassen worden.
Von da an hätten sich die bulgarischen Stellen nicht mehr um ihn gekümmert: "Gegenüber dem Flüchtlingscamp war ein offenes Feld, und dort schlief ich mit vielen anderen Leuten, die keine Unterkunft hatten", gab Mohammad D. an. Dass dies stimmt, darauf deuten zwei Filmberichte im bulgarischen Fernsehen hin, in denen D. und ein anderer Flüchtling in einem desolaten Umfeld gezeigt und interviewt wurden. Mehrfach sollen Krankenhäuser ihm die Behandlung verweigert haben, trotz Überweisung des Arztes in Sofia.
Erster Kontakt mit dem IS?
In der syrischen Botschaft habe man ihm ein Schreiben überreicht, gab Mohammad D. einmal an. Darin habe gestanden, dass seine Eltern gefangen gehalten würden, bis er wieder nach Syrien zurückkehre. Eine offizielle Rückreise sei nicht infrage gekommen, "denn sie hätten mich mit Sicherheit bis zum Tode gefoltert".
Nun allerdings habe ihn auch sein Vater nicht mehr mit Geld unterstützen können, gab D. später an. In dieser verzweifelten Situation ist dann etwas geschehen, was im Nachhinein aufhorchen lässt: "Also wollte ich es doch riskieren und weiter nach Deutschland gelangen. Zu meinem Glück fand ich einen Syrer, der mir einen Flug nach Österreich spendierte", gab Mohammad D. gegenüber von Maltitz an. Handelte der angebliche Spender aus reiner Menschenliebe? Oder nutzte hier der IS bewusst eine Notlage? Dies ist nur eine von vielen offenen Fragen, die sich deutsche Ermittler nach der Bluttat von Ansbach nun stellen.
Asylantrag in Deutschland
"Der Täter von Ansbach hatte am 21. August 2014 einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellt", teilt das Bamf mit. Bei der erkennungsdienstlichen Behandlung habe sich herausgestellt, "dass der Antragsteller bereits in Bulgarien und Österreich registriert worden war".
Daraufhin habe man Kontakt zu den bulgarischen Behörden aufgenommen, und der Asylantrag von Mohammad D. wurde als unzulässig abgelehnt, da der junge Syrer schon in einem anderen EU-Land eine sogenannte Schutzgewährung erhalten habe und deshalb auch "keine drohende Abschiebung in sein Heimat befürchten" müsse.