Tierschutz im Allgäu:Der Skandal ist aufgedeckt, das Leid geht weiter

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In Bad Grönenbach im Landkreis Unterallgäu wurden bei Milchviehhaltern immer wieder Verstöße gegen das Tierschutzgesetz festgestellt. Mehrere Landwirte müssen sich deshalb vor Gericht verantworten. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Entzündete Klauen, Wassermangel, übervolle Ställe: 2019 wurden die gravierenden Missstände bei drei Rinderbetrieben in Bad Grönenbach publik. Doch behoben waren sie damit noch lange nicht, wie eine Anfrage der Landtags-Grünen zeigt.

Von Christian Sebald, München

Gerade erst hat die Staatsanwaltschaft Memmingen die letzte Anklage im Allgäuer Tierschutz-Skandal erhoben, da zeigt eine Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage der Landtags-Grünen, dass die Missstände in den drei betroffenen Rinderbetrieben in Bad Grönenbach (Landkreis Unterallgäu) zum Teil bis in die jüngste Vergangenheit angehalten haben. Auf einem sind sie sogar so gravierend, dass am Landratsamt Unterallgäu ein Verfahren für ein Tierhaltungsverbot gegen den jetzigen Betriebsleiter läuft.

"Wenn die Aufsichtsbehörden nicht funktionieren, wird das nie was mit dem Tierschutz in Bayern", sagt die Grünen-Politikerin und Vorsitzende des Umweltausschusses Rosi Steinberger zu den aktuellen Informationen. "Man hat eine Sonderbehörde für Großbetriebe eingerichtet, aber auch sie schafft es nicht, die Missstände abzustellen." Ihre Forderung: "Die Sonderbehörde muss endlich streng durchgreifen."

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Aus Sicht des Tierrechtlers Friedrich Mülln, dessen Organisation "Soko Tierschutz" den Skandal im Sommer 2019 ins Rollen gebracht hatte, sind die anhaltenden Missstände "eine Zusammenfassung der Probleme der Milchproduktion insgesamt". Überbelegte und verschmutze Ställe, Kühe mit schmerzhaften, unbehandelten Klauenentzündungen, eine mangelhafte Wasserversorgung und andere zum Teil sehr gravierende Mängel, "gibt es nicht nur in Bad Grönenbach, sondern auch auf vielen anderen Bauernhöfen überall in Bayern", sagt Mülln, "das ist systembedingt, in Bad Grönenbach schauen jetzt die Behörden nur genauer hin als anderswo".

Die Antwort der Staatsregierung zeige, dass selbst verschärfte Kontrollen offenbar "keine abschreckende Wirkung haben". Mülln nannte es "sehr erstaunlich, dass auf Betrieben, die vor einem Prozess wegen Tierquälerei stehen, weiter Straftaten begangen werden".

Zwei der drei Betriebe in Bad Grönenbach, die in den Skandal verwickelt sind, zählen zu den größten in Bayern. Der eine war 2019, als die Soko Tierschutz erschütternde Bilder von leidenden und kranken Rindern aus dessen Ställen veröffentlichte, mit 2800 Rindern sogar der damals größte. Inzwischen hat er den Bestand verringert. Nach Angaben der Staatsregierung hält er aktuell knapp 2200 Rinder - verteilt auf drei Betriebsstellen. Der zweite Betrieb ist in etwa gleich groß geblieben. Er hatte 2019 ungefähr 1500 Rinder in den Ställen, aktuell sind es knapp 1600 auf insgesamt vier Betriebsstellen.

Nach wie vor sind die Ställe überbelegt

Auf dem dritten und kleinsten Hof hat sich die Zahl der Rinder dagegen von seinerzeit etwa 500 auf jetzt knapp 300 annähernd halbiert. Wegen der Schwere der Vorwürfe gegen die beiden Landwirte, die ihn damals geführt haben, hat das Amtsgericht Memmingen bereits seinerzeit ein Tierhaltungsverbot gegen den Vater und seinen Sohn verfügt. Darauf haben sich die beiden von einem Teil ihres Betriebs getrennt, er wurde nach einem halben Jahr abgemeldet. Der andere Teil hat einen neuen Verantwortlichen. Gegen ihn läuft jetzt am Landratsamt Unterallgäu ein Verfahren für ein Tierhaltungsverbot. Insgesamt hat die Staatsanwaltschaft Memmingen in dem Skandal elf Landwirte und landwirtschaftliche Mitarbeiter aus Bad Grönenbach angeklagt.

Die 28 Seiten lange Antwort der Staatsregierung auf die Grünen-Anfrage zeigt, dass die abermaligen Missstände den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft gegen die Angeklagten zumindest sehr ähneln. So waren die Ställe bei den Kontrollen nicht nur immer wieder überbelegt und es gab zu wenig Personal für eine angemessene Betreuung der Tiere. Sondern die Amtstierärzte mussten außerdem immer wieder anordnen, kranke oder verletzte Tiere von den gesunden zu trennen und ihre tierärztliche Behandlung sicherzustellen. Der Hauptvorwurf der Staatsanwaltschaft in den Anklageschriften gegen die elf Beschuldigten lautet, sie hätten es versäumt, für kranke oder verletzte Tiere einen Tierarzt zu holen. Sie stuft dies als Tierquälerei durch Unterlassen ein.

Der Tierrechtler Mülln kritisiert derweil, dass immer noch nicht feststeht, wann den angeklagten Landwirten und ihren Mitarbeitern aus Bad Grönenbach der Prozess gemacht wird. "Wir haben die Missstände vor bald zweieinhalb Jahren aufgedeckt", sagt er. "Es darf nicht sein, dass sich die gerichtliche Aufarbeitung so lange hinzieht. Wenn eine Abschreckung wirken soll, dann muss sie schnell passieren." Ein Sprecher des Landgerichts Memmingen hatte unlängst als Grund für die lange Verfahrensdauer genannt, dass bisher andere Strafprozesse vorrangig gewesen seien. Zugleich kündigte er an, dass der erste Prozess in dem Skandal am Landgericht Memmingen womöglich von Juli 2022 an stattfinden werde.

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