Mitten in Bayern:Die AfD und ihre Titelhuberei

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Die Partei ist bekanntermaßen nicht so korrekt, wenn es um die Interpretation von Fakten oder den Umgang mit dem politischen Gegner geht. Bei den eigenen Doktortiteln allerdings muss es ganz genau zugehen.

Glosse von Johann Osel

Vor der Bundestagswahl bekam der SZ-Reporter eine böse E-Mail aus der AfD. Zuvor hatte er in Deggendorf eine Kundgebung gegen das Impfen besucht und auch über die Rede eines AfD-Kandidaten berichtet, Arzt von Beruf. Jener schrieb nun, der Reporter sei der "Niedergang der Qualitätspresse" und solle sich ein Fleißbildchen bei Markus Söder abholen für den Text. Was den Mann genau störte (es wurde exakt zitiert), blieb schleierhaft. Nur an einer Stelle wurde der Arzt konkret: Die SZ habe seinen Doktortitel "unterschlagen". Man hätte gern geantwortet, dass selbst Nobelpreisträger damit klarkommen, in der Zeitung ohne akademische Grade aufzutauchen. Ging nur nicht, der Arzt schrieb: "Auf eine Antwort Ihrerseits lege ich keinen Wert." Sei's drum, die Information wäre hiermit überbracht.

Die AfD behauptet über sich, sie halte Werte hoch, dazu gehört augenscheinlich das hohe Gut der Titelhuberei; selbst Diplome trägt man in der AfD gern wie eine Monstranz vor sich her. Witzeleien über grüne und linke Studienabbrecher sind spaltenfüllend auf Facebook, wobei man sich eher nicht die Mühe macht, auf eigene Leute mit verbocktem Studium zu blicken oder auf anderslautende offizielle Statistiken über promovierte Politiker.

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Am Wochenende hatte die AfD Oberbayern Parteitag in Rosenheim, mit Vorstandswahlen. Ingo Hahn, Ex-Fraktionschef im Landtag sowie promoviert und habilitiert in Landschaftsökologie, vermisste auf dem Stimmzettel seinen "Prof. Dr.", was er nicht ohne Gram kundgetan haben soll. Über die Details gehen die Schilderungen auseinander. Eine Anregung, ein paar Sätze pro und contra, sagen die einen. Dass Hahn den Neudruck der Zettel gefordert und sich "erbärmlich" geriert habe, meinen andere. Hahn selbst ließ am Montag eine Nachfrage dazu unbeantwortet.

Sei's drum, es gibt ja insgesamt zwei Deutungen: Ehre, wem Ehre gebührt, Akademiker sollten aus gutem Grund als solche erkennbar sein. Oder die von Kurt Tucholsky, auch wenn der kaum als Lieblingsliterat der AfD gelten dürfte: Ein Titel erspare dem Titelträger jede Tüchtigkeit, "das Übrige besorgt dann schon die Dummheit derer, die den Titel anstaunen und ihn um des Titels willen, den sie nicht haben, aber gern hätten, beneiden".

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