Erlangen:"Verdammt, ich hab' den Penis geschrottet"

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Ein tollpatschiger Mann hat bei einer Kunstausstellung in Erlangen einen Keramik-Phallus umgestoßen. Ein schwieriger Fall für die Versicherung.

Von Olaf Przybilla, Erlangen

Der Archetypus eines Albtraums? Könnte so aussehen: Der Kunstverein einer Universitätsstadt richtet seinen "Herbstsalon" aus, die alljährliche Leistungsschau seiner Mitglieder. Da muss man hin, möchte gesehen werden und sich Sätze sagen hören wie "Du, ich find' das ja'n Stück weit over the top." Der Oberbürgermeister ist da, die anderen auch. Der Abend läuft wie immer, alles gediegen, irgendwann hat man sich bis ans Ende der Ausstellung durchparliert und steht im letzten Raum vorm, nun ja, provokantesten Teil dieser Vernissage: drei hüfthohe Penisse aus Porzellan, Werktitel: "I am not a Toy". Oh doch, wirklich interessanter Zugang. Von wem ist das gleich? Man kommt ins Stolpern, bleibt am größten Keramikphallus hängen, man zuckt noch, aber das Ding kippt erbarmungslos um und geht zu Bruch. Wäre das ein Albtraum, würde man in diesem Moment aufwachen, auf dem Zenit von Peinlichkeit.

Das aber ist kein böser Traum, so sehr Anna Maria Bieniek gehofft hatte, dass es einer ist. Für sie war das ein besonderer Abend. Bieniek ist Designerin, an Kunst hat sie sich lange nicht rangetraut. Jetzt aber, mit 39, eben doch. Also hat sie ihr Werk eingereicht und die Jury des Erlanger Kunstvereins hat es für würdig befunden, in der großen Jahresausstellung im Kunstpalais, dem Haus der Stadt schlechthin, präsentiert zu werden. Letzter Raum, bisschen schummrig dort, aber was soll's? Für Bieniek läuft der Abend gut, bis sie etwa 70 Minuten nach Beginn ihrer ersten Vernissage mit Selbstbeteiligung die Stimme eines Mannes zu hören glaubt: "Verdammt, ich hab' den Penis geschrottet."

Wie ein Kind, sagt Bieniek, habe sie reagiert. Erster Gedanke: In einen anderen Raum gehen, das einfach nicht gehört haben, dann stimmt's auch nicht. Zweiter Gedanke: Scherz. Dritter: eine Performance, wie gelungen. Zu weiteren kam sie nicht, dann ging das Mobiltelefon, ob sie wohl mal in den hintersten Raum kommen könne, da sei ein Malheur passiert. Aber ob sie sich das bitte selbst anschauen möge?

Amely Deiss ist Chefin des Kunstpalais. Ein tollpatschiger Mann, der bei einer Vernissage nicht einfach eine Skulptur schrottet, sondern einen Porzellanpenis, den größten von insgesamt dreien. Klingt verdächtig nach leicht verschwitzter Höhöhö-Aktionskunst. "Stimmt", sagt Deiss, "aber das kann ich ausschließen." Warum? Sie kenne den Mann, und natürlich habe man an besagtem Abend noch gesprochen. Angemessen verstört sei er gewesen, "fast würde ich sagen: Er stand unter Schock". Deiss verspricht, einen Kontakt herstellen zu wollen. Das gelingt aber nicht. Die Leute aus dem Kunstverein hätten das auch schon versucht. Aber der Mann scheine momentan keinen Kontakt zu wünschen.

Bieniek, die Künstlerin, hat immerhin Adressen ausgetauscht mit ihm. Ein Versicherungsfall, so weit scheint es klar zu sein. Bloß wie jetzt genau? Wäre dies ein satirischer Roman, müsste man jetzt wohl zum dritten Mal die Erzählperspektive wechseln. Kapitel eins schildert die Künstlerin, klar. Kapitel zwei: der Mann. Drittes Kapitel, es erzählt der Angestellte einer Versicherung. Er kommt ins Büro und findet ein Schreiben vor. "Habe ein Kunstwerk geschrottet. Foto liegt bei. Bitte um Schadensregulierung."

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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