Zugeparkte Rastplätze:Engpass an der Autobahn

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Ein 40-Tonner neben dem anderen: Viele Autofahrer kennen dieses Bild. Jetzt in der Ferienzeit verschärft sich die Lage zusätzlich. (Foto: imago/Photocase)

Vor allem nachts drängeln sich die Lkw auf den wenigen Parkplätzen. Das führt zu gefährlichen Situationen, vor allem jetzt in der Ferienzeit. Das Problem ist kaum in den Griff zu kriegen.

Von Marco Völklein

Seit gut drei Jahren schon fährt Milan Nowak den Rastplatz Holzfeld/Auwiesen an der A 94 knapp 30 Kilometer östlich von München an. Regelmäßig steuert er seinen 40-Tonnen-Truck, beladen mit Teilen für einen Automobilhersteller, von Osteuropa nach Bayern. Auf dem Rastplatz an der A 94 hält er meist gegen Abend, zieht die Vorhänge im Fahrerhaus zu und legt sich für ein paar Stunden hin. "Bis vor einem halben Jahr", sagt der Slowake, "war ich meistens alleine hier auf dem Platz."

Doch das hat sich mittlerweile geändert. Insbesondere an den Wochenenden geht es auf dem Parkplatz mehr als eng zu. Dicht an dicht reihen sich die Brummis, mitunter bis hinaus auf den Verzögerungsstreifen. "Irgendwann muss es sich herumgesprochen haben, dass man hier noch einen freien Platz findet", vermutet Lkw-Fahrer Nowak. Und in der Tat fragt sich manch ein Autofahrer, wo all die Lastwagen herkommen; schließlich endet die A 94 etwas weiter östlich des Rastplatzes mehr oder weniger im Nirgendwo. Erst im Herbst 2019 soll, sofern alles klappt, die 30 Kilometer lange Autobahnlücke der A 94 zwischen Pastetten und Heldenstein geschlossen werden. "Dann", glaubt Nowak, "wird es hier noch schwieriger, einen Platz zum Schlafen zu finden."

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Mit der Sorge ist Milan Nowak nicht allein. Insbesondere zu den Stoßzeiten, sagt Martin Bulheller vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) drängeln sich die Lkw-Fahrer auf den Rast- und Parkplätzen entlang der deutschen Autobahnen. In einer Studie von ZF Friedrichshafen gaben 40 Prozent der befragten Lkw-Fahrer die Parkplatzsituation als einen hohen Stressfaktor in ihrem Berufsalltag an. Zumal empfindliche Strafen drohen, wenn die Trucker ihre Ruhezeiten nicht einhalten - und sei es, weil sie keinen Parkplatz finden.

"Wir kommen mit dem Bau neuer Parkplätze nicht hinterher"

Das Problem ist keineswegs neu, räumt Bulheller ein; und die Politik habe in den vergangenen Jahren viel getan, um es in den Griff zu bekommen. So wurden laut Bundesverkehrsministerium in der vergangenen Legislaturperiode bundesweit 6000 neue Stellplätze geschaffen; insgesamt habe der Bund seit 2008 mehr als 950 Millionen Euro in die Verkehrsflächen der Rastanlagen investiert. Doch die Zahl der neu gebauten Abstellplätze hält mit dem nahezu ungebremsten Verkehrswachstum nicht mit. "Wir kommen mit dem Bau neuer Parkplätze nicht hinterher", heißt es etwa im Landesamt für Straßenbau und Verkehr in Sachsen. In seinem Verkehrsinvestitionsbericht vom Sommer 2017 beziffert das Ministerium die Zahl der bundesweit fehlenden Lkw-Stellplätze an Autobahnen auf 11 000; andere Experten schätzen den Bedarf auf 30 000.

Das spüren nicht nur die Trucker, sondern auch die Pkw-Fahrer. Insbesondere jetzt, denn die Sommer-Reisezeit beginnt. Da rollen auch noch Wohnwagen-Gespanne und Wohnmobile auf die Parkplätze, zudem gelten während der Ferien an einigen Tagen zusätzliche Fahrverbote für Lkw - "all das verschärft die Lage noch mehr", berichten erfahrene Autobahnpolizisten. Immer wieder kommt es deshalb zu gefährlichen Situationen, weil Autofahrer die in einer Einfahrt zu einem Park- oder Rastplatz abgestellten Lastwagen nicht rechtzeitig erkennen. So bohrte sich beispielsweise im Januar 2018 ein Jaguar in der Zufahrt zum Rastplatz Fuchsgrund an der A 2 in Nordrhein-Westfalen bis zur B-Säule unter einen Sattelzug, der Pkw-Fahrer wurde dabei schwer verletzt. Hinzu kommt: Finden Trucker keinen Platz zum Ruhen, steigt deren Unfallrisiko. "Es ist zu vermuten, dass ein nicht unbeträchtlicher Anteil von Lkw-Unfällen auf Übermüdung der Fahrer zurückzuführen ist", heißt es in einem Positionspapier des ADAC.

Umso wichtiger sei es, den Bau neuer Stellplätze zu forcieren, fordern Automobilklubs wie Spediteursverbände. Doch ADAC-Sprecherin Melanie Mikulla sagt auch, dass das gar nicht so einfach sei wie gedacht: Selbst wenn das Geld dafür da sei, stünden oft nicht genügend Flächen zur Verfügung oder die Genehmigungsverfahren zögen sich in die Länge, weil Anwohner, Grundeigentümer oder Naturschutzverbände Einsprüche erheben, etwa wegen des immensen Flächenverbrauchs. Der Automobilklub setzt daher vor allem auf technische Lösungen. Beim "Kolonnenparken", das beispielsweise auf einem Parkplatz an der A 3 bei Montabaur bereits vor einigen Jahren installiert wurde, werden ankommende Fahrzeuge nach Abfahrtszeit und Länge eng hintereinander gereiht, sodass mehr Laster auf die gleiche Fläche passen. Ganz ähnlich läuft es beim "Kompaktparken", das seit 2016 auf einer Raststätte an der A 3 bei Neumarkt in der Oberpfalz getestet wird. Allein dort wurden laut Bundesverkehrsministerium vier Millionen Euro investiert. Doch bislang kamen solche Anlagen kaum über das Stadium von Pilotversuchen hinaus.

Als "Parkleitsystem der neuesten Generation" preist das Haus von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) außerdem ein System, mit dem die Lkw-Fahrer leichter die wenigen freien Parkplätze aufspüren sollen. Auf der A 9 zwischen München und Nürnberg sind etwas mehr als ein Dutzend Parkplätze mit Sensoren und Messfühlern ausgestattet - diese erkennen, wie viele Lkw noch Platz finden. Die Daten werden gesammelt und den Fahrern zur Verfügung gestellt; das soll den Stress bei der Stellplatzsuche mindern. Abfragen müssen die Trucker die Infos in der Regel per Smartphone-App oder Internet. "Der Verkehrssicherheit ist das nun auch nicht gerade dienlich", sagen Kritiker.

Anja Smetanin vom Auto Club Europa (ACE) fordert daher, die Schiene für den Güterverkehr attraktiver zu machen. "Wir haben einfach zu viel gewerblichen Güterverkehr auf den Straßen", sagt sie. Vor gut einem Jahr präsentierte die damalige Bundesregierung einen "Masterplan Schienengüterverkehr", der zahlreiche Maßnahmen zur Stärkung der Güterbahnen vorsieht. In dieser Woche nun wurde die damals angekündigte Trassenpreissenkung für Güterzüge beschlossen, auch beim Ausbau des Netzes für längere Züge gehe es langsam voran, sagt Martin Henke vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Doch bei anderen Punkten stocke die Umsetzung, es fehlten die dafür nötigen Gelder in den Haushaltsplänen der Bundesregierung für die Jahre 2018 und 2019, warnt Henke: "Wir verlieren wertvolle Zeit." Zumal der Anteil der Bahnen am gesamten Güterverkehr in Deutschland zuletzt erstmals seit Jahren knapp unter die Marke von 17 Prozent gerutscht ist.

Der ADAC schlägt vor, Pkw-Stellplätze an Autobahnen temporär für Lkw freizugeben, etwa in den Abend- und Nachtstunden. Zudem könnten Trucker auf Autohöfe oder andere Plätze in der Nähe von Autobahnen ausweichen, Bosch bietet dafür sogar einen Online-Buchungsservice an. Doch solche Plätze sind meist kostenpflichtig, etwa weil die Betreiber sanitäre Einrichtungen vorhalten und im Winter den Platz räumen. Viele Spediteure übernähmen die Kosten nicht, sagt Mikulla vom ADAC, und ließen die Fahrer damit allein. Der ACE fordert ohnehin bessere Arbeitsregeln für Fahrer in Europa, sodass diese nicht mehr tage- oder wochenlang auf Achse sind. Die Fahrer seien eh "das letzte Glied in der Kette", sagt ein Autobahnpolizist. "Die kriegen Druck von allen Seiten", würden zudem oft per Navi kontrolliert. "Wenn da mal einer fünf Kilometer abseits der Autobahn fährt, ruft der Chef sofort an: Wo fährt der denn lang?"

© SZ vom 30.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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