Verkehrslärm:Kampf dem knatternden Poser-Auspuff

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Ein Mannheimer Polizist kontrolliert mit einem Lautstärke-Messgerät den Auspuff eines lauten Autos. (Foto: dpa)
  • Eine neue EU-Verordnung setzt der Lautstärke von Auto-Auspuffanlagen strengere Grenzwerte.
  • Bisher konnten Autohersteller tricksen - etwa über mehrere Fahrmodi.
  • Eine Lärmquelle bleibt: Abrollgeräusche. Die Industrie verspürt bislang keinen Druck, ihre Reifen leiser zu machen.

Von Thomas Harloff

So mancher Zahlenwert füllt sich erst mit Leben, wenn man ihn ins Verhältnis setzt. Zum Beispiel dieser: 130 Dezibel. So laut nimmt das menschliche Ohr einen startenden Düsenjet wahr, hier liegt die Schmerzschwelle unseres Gehörs. Und diesen Wert erreichte ein Auto, das die Mannheimer Polizei kürzlich bei einer medienwirksamen Aktion gegen, wie sie es nennt, "Autoposer" vorübergehend stillgelegt hat. "Letzte Nacht hatten wir außerdem einen Maserati, der es auf 128 Dezibel gebracht hat", sagt Dieter Klumpp von der Polizei Mannheim.

Ein Auto so laut wie ein startendes Flugzeug: Wer so etwas fährt, macht das illegal. Nicht umsonst haben Klumpps Kollegen in ihrer inzwischen dreiwöchigen Kontrollphase bereits mehr als 30 Autos und drei Motorrädern die Betriebserlaubnis entzogen. Doch auch ohne solche Extrembeispiele ist Autolärm ein kontroverses Thema. Gerade Sportwagen scheinen immer lauter zu werden, teils sogar vom Fahrer gesteuert, auf Knopfdruck. Und das ganz legal, mit einer gegen einen geringen Aufpreis vom Hersteller installierten Sportauspuffanlage. Doch wo hört emotionaler Autoklang auf, wo fängt die Belästigung von Anwohnern an?

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Kaum Unterschiede zwischen alter und neuer Regelung

Eine Antwort darauf versucht die EU zu geben. Bisher galt laut Michael Ebert vom TÜV Süd für alle Personenwagen ein Grenzwert von 74 Dezibel. Nach einer neuen Verordnung ist dieser seit 1. Juli gestaffelt, und zwar abhängig vom Leistungsgewicht eines Modells. Will ein Hersteller eine Typzulassung für ein Auto erhalten, das 120 kW/164 PS pro Tonne Gewicht leistet, darf es während eines komplizierten Testzyklus' maximal 72 Dezibel laut sein. Autos mit einem Leistungsgewicht von 200 kW/272 PS pro Tonne werden höchstens 75 Dezibel zugestanden. In den nächsten zehn Jahren sollen die Grenzwerte schrittweise um drei bis vier Dezibel sinken.

Doch was bedeutet das für lärmgeplagte Anwohner? Michael Ebert sagt: "Die Masse der Fahrzeuge wird mit Sicherheit leiser." Dennoch glaubt der Technikexperte nicht, dass der normale Bürger den Unterschied zwischen der neuen und der alten Richtlinie merkt. Dezibel-Fetischisten wie in Mannheim würden von den Gesetzen sowieso nicht abgeschreckt: "Gegen illegale Fahrzeuge wird auch die neue Verordnung nicht helfen", sagt Ebert. "Die schwarzen Schafe, die an den Fahrzeugen herumbasteln und die entsprechend laut sind, wird es weiterhin geben."

Geschärftes Messverfahren, gestopfte Schlupflöcher

Dass viele Autos - zumindest im Serienzustand - leiser sein werden als heute, liegt am geschärften Messverfahren. Bisher konnte dabei getrickst werden: Ein Auto musste nur während des Testzyklus' die Geräuschvorschriften einhalten, nicht aber außerhalb des Messverfahrens. Erkannten manche Motorsteuerungen, dass sich das Fahrzeug nicht mehr in diesem Rahmen befindet, gaben sie zusätzliche Dezibel für den Auspuff frei. Für manchen Kunden, der viel Geld für sein leistungsstarkes Spielzeug gezahlt hat, gehört das zur geforderten Emotionalität dazu. Andere erinnert es an die Tricksereien mancher Hersteller bei den Abgaswerten.

Hinzu kam ein weiteres Schlupfloch: Verfügt ein Auto über mehrere Fahrmodi - was gerade bei Sportwagen seit vielen Jahren üblich ist -, war bei dem Messprozedere jene Einstellung maßgeblich, die beim Start des Motors voreingestellt ist. Dies ist fast immer eine Komfort- oder Öko-Abstimmung, in der die Auspuffanlagen leise bleiben. Ob der Fahrer direkt nach dem Anlassen in einen Sportmodus und den Klang direkt einige Dezibel lauter schalten kann, war für den Geräusch-Test und damit auch die Typzulassung irrelevant.

Dass ein Auto auf Tastenbefehl oder abhängig von Drehzahl und Tempo plötzlich lauter wird, ist erst durch die Erfindung des Klappenauspuffs möglich geworden. Eine solche Anlage kann einen Teil der Abgase an den Schalldämpfern vorbei leiten, indem sie im Abgasstrang installierte Klappen öffnet. Für deren anfängliche Verbreitung sorgte einst die Tuningbranche. Nach ersten Markterfolgen bauten immer mehr Autohersteller solche Systeme bereits ab Werk - und meist gegen Aufpreis - ein.

Nun, und das ist wohl die größte Errungenschaft der neuen EU-Verordnung, ist ein solches sprunghaftes Ansteigen der Lautstärke per Elektronik oder Knopfdruck nicht mehr möglich. "Der Hersteller muss ab sofort belegen, dass es auch unter erweiterten Messbedingungen nicht zu deutlich höheren Geräuschwerten kommt", erklärt der TÜV-Experte Ebert. "Laute Klappenauspuffanlagen, wie man sie heute kennt, dürften dann Geschichte sein - zumindest für neu zugelassene Fahrzeuge."

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Nicht nur die Lautstärke sorgt für Emotionalität

Der Klappenauspuff wird jedoch nicht sofort aussterben: "Es gibt diesen strengen Passus in der neuen Verordnung", sagt ein Sprecher des Sport- und Geländewagenherstellers Porsche. "Das heißt aber nicht, dass Klappenauspuffsysteme per se nicht erlaubt sind." Im Umkehrschluss heißt das: Kunden, die ein Auto mit einer solchen Abgasanlage in der Hoffnung kaufen, auf Knopfdruck deutlich lauter unterwegs zu sein als im Normalzustand, dürften von der akustischen Präsenz ihres Fahrzeugs fortan enttäuscht sein. Es erscheint fraglich, ob sie die Zusatzkosten für solche Systeme auch dann noch zahlen, wenn deren Effekt kaum spürbar ist.

Doch was passiert, sobald sich die Elektromobilität durchsetzt? E-Motoren sind kaum oder gar nicht hörbar, die Industrie unternimmt bislang auch keine Anstrengungen, das zu ändern. Für Tesla zum Beispiel gehört die Stille, die rund um die kalifornischen Elektroautos herrscht, explizit zum Markenerlebnis dazu. Ein Elektromotor, der dank Sound-Engineering klingt wie ein Reihensechszylinder oder ein V8-Motor, wird es weder bei Tesla noch bei anderen Herstellern in absehbarer Zeit geben.

Die Reifen sind heute schon lauter als der Motor

Trotzdem dürfte selbst dann, wenn nur noch Elektroautos fahren, keine Ruhe auf den Straßen herrschen. Denn es gibt ja noch die Abrollgeräusche der Reifen, die jedes Auto unabhängig vom Antrieb produziert. Die überlagern auch bei Autos mit Verbrennungsmotoren bei konstantem Innenstadt-Tempo den Lärm des Motors und Auspuffs. Einen großen Druck, ihre Reifen möglichst leise zu konstruieren, spürt die Industrie jedoch nicht. Die Grenzwerte liegen seit kurzem je nach Reifengröße und -bauart bei 70 bis 75 Dezibel.

Für viele weitere Jahre wird es noch schärfere Gesetze und ihre flächendeckende Überwachung der Behörden brauchen, um die Nerven von Anwohnern nicht zu stark zu strapazieren. Die Mannheimer Polizei ist mit dem bisherigen Ergebnissen ihrer Kontrollen zufrieden. "Seit etwa zehn Tagen ist es in der Innenstadt deutlich ruhiger geworden. Das ist ein Erfolg", sagt Dieter Klumpp. Bis Ende September wollen er und seine Kollegen die Aktion fortführen. Es wird nicht die letzte ihrer Art bleiben.

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