Roadster im Test:Die Motoren-Revolution im Porsche 718 ist geglückt

Zylinder, Hubraum, Drehzahl, Klang: Von allem hat der Boxster S mit neuem Turbomotor zu wenig, fürchten Porsche-Fans. Doch die Vorbehalte sind unbegründet.

Test von Thomas Harloff

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Der neue Porsche 718 Boxster S.

Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Es gibt Menschen, deren Leben - zumindest das als Autofahrer - größtenteils von der Zylinderanzahl abzuhängen scheint. Und vom Hubraum. Außerdem von der Frage, ob dieser Motor mit wie-viel-auch-immer Brennräumen frei atmen und Sprit ansaugen darf oder auf die Hilfe eines oder mehrerer Turbolader vertrauen muss.

Solche Leute scheint es unter den Porsche-Fahrern und -fans zuhauf zu geben. Anders ist nicht zu erklären, dass es in der jüngeren Vergangenheit so viel Aufregung gab, als die schwäbische Boxermotoren-Institution erklärte, das Triebwerkskonzept seiner Sportwagen umfassend zu ändern. Das Triebwerk des 911 Carrera, oh Schreck, büßte vor nicht allzu langer Zeit ein Quantum Hubraum und Höchstdrehzahl ein. Die stattdessen eingesetzten Turbolader würden den Legendenstatus des Elfers beschmutzen, argumentierten die Kritiker. Der Carrera wurde schließlich auch wegen seines im Heck verbauten Hochdrehzahl-Sechszylinders zur Ikone. Das Unverständnis im Lager der Puristen bleibt, während die Verkaufszahlen stetig wachsen.

Der neue Porsche 718 Boxster S

Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Der Boxster, der neuerdings den Namenszusatz 718 trägt, ist vom mythenhaften Image seines Bruders noch weit entfernt. Vielleicht mutet Porsche seinen Fans deshalb auch eine echte Motoren-Revolution zu. Nicht nur, dass der Hubraum im Vergleich zum Vorgänger schrumpft und ein Turbolader in den zwischen Fahrgastzelle und Hinterachse angeordneten Maschinenraum einzieht. Nein, die Ingenieure wagten es sogar, zwei Zylinder komplett zu streichen. Was bedeutet: Der Porsche 718 Boxster wird nun, selbst in der stärkeren S-Version, von einem Vierzylinder-Turbo angetrieben. Solche Motoren haben doch sonst nur Kompakt- oder Mittelklassewagen!

Der Motor des neuen Porsche 718 Boxster S.

Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Natürlich gibt es Unterschiede zu den Aggregaten der automobilen Langweiler. Erstens ist der Boxster-S-Motor mit 2,5 Litern Hubraum einer der größten unter den Vierzylinder-Turbos. Zweitens ist er einer der stärksten: 350 PS und maximal 420 Newtonmetern befähigen den Zweisitzer, in nur 4,2 Sekunden aus dem Stand auf Landstraßentempo zu schießen und 285 km/h schnell zu fahren. Dem Vorgänger-Boxster S, der noch auf die Kraft eines Sechszylinder-Saugers vertraute, zieht er damit mühelos davon. Drittens blieb das Boxer-Layout mit gegenüberliegenden Zylinderbänken und leicht versetzten Brennräumen erhalten. Ein Alleinstellungsmerkmal im Automobilbau; neben Porsche baut nur Subaru derartige Motoren.

Der neue Porsche 718 Boxster S

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Im Festhalten an traditionellen Weltanschauungen drückt sich oft Furcht aus. Im Fall des Boxsters ist es wohl schlicht die Furcht vor Charakterverlust. Generationen von Porsche-Boxermotoren reagierten verzögerungsfrei auf das, was der rechte Fuß des Fahrers mit dem Gaspedal trieb, gierten nach Umdrehungen pro Minute und agierten folgerichtig am kraftvollsten, wenn die Nadel des Drehzahlmessers dem roten Bereich entgegen tanzte. Dem Vierzylinder trauen viele Derartiges offenbar nicht zu, da können die objektiven Daten noch so gut sein.

Der neue Porsche 718 Boxster S

Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Dass die Skepsis unbegründet ist, erfährt nur, wer den neuen Boxerfäusten eine Chance gibt. Sicher knickt der Vierzylinder am oberen Ende des Drehzahlbandes früher ein als der alte Sechszylinder, der noch zulegen konnte, wenn nun schon der nächste Gang eingelegt werden muss. Dafür gibt es die volle Kraft jetzt bereits bei knapp 2000 Touren - da haben die früheren Boxer noch müde gegähnt statt beschleunigt. Dass ein großer Batzen Drehmoment nun schon so früh anliegt, befähigt den Fahrer dazu, ohne Kraftverlust früher hochzuschalten. Das spart Sprit und ist gleichzeitig schneller als zuvor. Was soll daran falsch sein? Zumal ein Turboloch - also die früher so charakteristische Unlust solcher Motoren in Drehzahlbereichen, in denen der Lader noch nicht unterstützend eingreift - nur von 718-Boxster-S-Fahrern gefunden werden dürfte, die explizit danach suchen.

Der neue Porsche 718 Boxster S

Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Der Klang ist natürlich eine zwiespältige Sache. Der typisch sägende Sound des Sechszylinders ist nämlich einem rauen, hochfrequent gurgelnden Geräusch gewichen. Dem kann man einen gewissen Charme nicht absprechen, zumal das akustische Aggressionspotenzial eines Sportwagens der Stimme durchaus innewohnt. Der 718 Boxster S klingt eigen und dennoch bekannt, er dürfte vor allem Freunden der wild beflügelten Sportlimousine Subaru WRX STi gefallen. Was nicht verwundert, denn die nutzt auch einen 2,5-Liter-Turbovierzylinder in Boxerbauweise als Antriebsquelle. Und wer würde diesem Motor bitte fehlenden Charakter und mangelnde Klangstärke attestieren?

Der neue Porsche 718 Boxster S

Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Bei einem Porsche sind die Ansprüche aber fraglos höher. Selbst wer so verbohrt ist, sich nicht vom Antriebsstrang - zu dem gehört neben dem neuen Motor auch das famose Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe - überzeugen zu lassen, muss den neuen Boxster für sein Fahrverhalten lieben. Denn der offene 718 fühlt sich wunderbar ausbalanciert an. Die zielsichere Lenkung trifft genau die Linie, die der Fahrer anvisiert, und hält sie selbst bei hohen Kurventempi, ohne dass er hart dafür arbeiten müsste. Gemeinheiten wie ein plötzlich auskeilendes Heck oder eine unruhige Straßenlage, früher Markenzeichen so manchen Mittelmotor-Sportlers, sind diesem Porsche völlig fremd.

Der neue Porsche 718 Boxster S

Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Das ist berechenbar, aber keineswegs langweilig. Im Gegenteil. Gerade weil man so schnell Vertrauen in die fahrdynamischen Qualitäten dieses Autos fasst, lechzt man schon nach der nächsten Kurve, obwohl die aktuelle noch nicht komplett durchfahren ist. Das Bewusstsein, dass die Gerade dazwischen wegen des so kraftvollen Motors schnell vorüberzieht, steigert die Vorfreude abermals. Dass der Verbrauchsvorteil des neuen Antriebs bei derartiger Fahrweise lediglich in der Theorie existiert, verkommt spätestens jetzt zur Nebensache. Hin und wieder auch mal vernünftig bewegt, schluckt der 718 Boxster S im Schnitt übrigens 11,8 Liter.

Das Cockpit des neuen Porsche 718 Boxster S.

Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Erstaunlich am neuen 718er ist, dass er sich seine Kurvenkunst nicht mit einem unkomfortablen Fahrwerk erkauft. Die Stoßdämpfer schlucken Unebenheiten sogar überraschend souverän. Das ist auf langen Touren ebenso angenehm wie der Fakt, dass der vordere, 150 Liter große Kofferraum praktisch geschnitten ist und mehr Koffer oder Getränkekisten schluckt, als man ihm zutraut. (Das hintere, sehr flache Gepäckabteil ist freilich nur für einzelne Klamotten zu gebrauchen; schon wer eine Reisetasche hineinstellt, bekommt den Deckel nicht mehr zu.)

Roadster-typisch sind die maximal zwei Insassen im eng geschnittenen Cockpit stets auf Kuschelkurs, wenn auch die hohe Mittelkonsole allzu intensive Intimitäten verhindert. Wer öfter Porsche fährt, kommt mit dem Bedienkonzept-Mix aus Tasten am Lenkrad sowie in der Mittelkonsole und Dreh-Druckknopf unter dem Touchscreen schnell zurecht. Alle anderen merken, dass andere Hersteller modernere und intuitiver bedienbare Systeme anbieten. Auch die Qualität der Materialien könnte in manchem Detail besser sein - die ausklappbaren Plastik-Becherhalter etwa wirken ziemlich zerbrechlich.

Der neue Porsche 718 Boxster S

Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Kleine Makel eines Autos, das ziemlich viel bietet für sein Geld. Zumindest, wenn man sich am Grundpreis orientiert. Für 69 000 Euro gibt es mit dem 718 Boxster S samt PDK-Getriebe einen schnellen und starken offenen Sportwagen, der in Sachen Fahrspaß auf dem Niveau vieler teurerer Modelle fährt. Legt man aber den Testwagenpreis zugrunde, kehrt sich das Preis-Leistungs-Verhältnis um. Ist die Lederausstattung wirklich 3200 Euro wert? Oder die Soundanlage 3900 Euro? Sind fast 3300 Euro für die elektrischen Sportsitze gerechtfertigt? Oder 7300 Euro für die Keramikbremsen? Natürlich soll Porsche den 718 Boxster S nicht unter Wert verkaufen. Dennoch sollte es eher die absurde Aufpreispolitik als das neue Motorenkonzept sein, die Porsche-Fans vom Glauben an ihre Lieblingsmarke abfallen lässt.

Technische Daten Porsche 718 Boxster S PDK:

B4-Benzinmotor mit 2,5 Litern Hubraum und Turboaufladung; Leistung 257 kW (350 PS); max. Drehmoment: 420 Nm bei 1900 - 4500/min; Leergewicht: 1460 kg; Kofferraum: 150 l vorne + 125 l hinten; 0 - 100 km/h: 4,2 s (mit Sport Chrono-Paket); Vmax: 285 km/h; Testverbrauch: 11,8 l / 100 km (lt. Werk: 7,3; CO₂ -Ausstoß: 167 g/km); Euro 6; Grundpreis: 68 967 Euro

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

© SZ.de/cag
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