An kaum einem anderen Ort in Deutschland fahren mehr Züge: Die Rheintalstrecke zwischen Bonn und Koblenz ist eine der am meisten befahrenen Bahnrouten des Landes. Bis zu 600 Züge passieren die Trasse täglich, davon 290 Güterzüge. Willi Pusch weiß, was das für Anwohner bedeutet. 81 Dezibel hätten Behörden nachts in seiner Nachbarschaft wegen des Lärms der Güterzüge gemessen, erzählt Pusch. Arbeitsschutzgesetze schreiben da längst Gehörschutz vor. Die Züge aber donnern weiter. Mit Folgen: "Die Menschen ziehen weg, Immobilien werden wertlos", klagt Pusch, Vorsitzender der Bundesvereinigung gegen Schienenlärm.
Besonders Güterzüge gelten inzwischen bundesweit als großes Lärmproblem. Wo immer Trassen ausgebaut werden sollen, formiert sich deshalb Protest. 2000 Demonstranten wehrten sich im vergangenen Jahr allein in Koblenz gegen den Lärm von der Schiene. Einer Studie des Umweltbundesamts zufolge sind 34 Prozent der Bundesbürger von Schienenlärm betroffen. Das sind zwar deutlich weniger als vom Straßenlärm (54 Prozent). Aber auch deutlich mehr als vom Flugverkehr (23 Prozent).

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Die Umrüstung der Züge läuft schleppend
Umweltschützer und Bürgerinitiativen fordern deshalb seit langem ein striktes Verbot lauter Güterzüge. Das Nationale Verkehrslärmschutzpaket II sah bereits 2008 vor, den Schienenlärm bis 2020 zu halbieren. Doch die Umrüstung der Waggons und Lokomotiven läuft bislang schleppend. Nur ein kleiner Teil der 180 000 registrierten Waggons in Deutschland sind bislang auf leise Technik - vor allem leisere Bremssysteme - umgerüstet. Denn bislang setzte die Politik auf Freiwilligkeit und Förderanreize.
Das soll sich bis zum Jahresende ändern. Am Mittwoch machte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in Berlin klar, dass er ein Gesetz vorantreiben will, das die Lärmbelastung gerade bei Güterzügen deutlich reduziert. "Wir arbeiten an einem Fahrverbot ab 2020 für laute Güterzüge", kündigt Dobrindt an. Sein Ministerium erarbeite gerade einen entsprechenden Gesetzesentwurf, der bis zum Ende dieses Jahres beschlossen werden soll, kündigte Dobrindt am Mittwoch bei einer Konferenz zum Schienenverkehr in Berlin an.
Mit mehr Lärmschutzwänden, vor allem aber mit modernerer Waggontechnik sollen Güterzüge künftig so leise fahren, dass Anwohner den Lärm nur noch halb so laut wahrnehmen. Denn erklärtes Ziel der Politik ist es, den Güterverkehr in Deutschland auszubauen und mehr Transportkapazitäten von der Straße auf die Schiene zu lenken. Um 43 Prozent könnte der Güterverkehr bis 2030 zunehmen, rechnet Dobrindt vor. "Das geht nur, wenn wir die Akzeptanz des Schienenverkehrs deutlich erhöhen."
Die Bahnindustrie beugt sich dem Druck der Politik. Denn die Strategen in den Chefetagen der Unternehmen wissen: Gelingt es nicht, die Züge leiser zu machen, droht die Bundesregierung mit weiteren Maßnahmen, etwa nächtlichen Fahrverboten oder einem Tempolimit von 70 statt bislang 100 Kilometern pro Stunde. Bahnchef Rüdiger Grube weiß, was das bedeuten würde. Allein das Tempolimit würde die Branche jährlich 500 Millionen Euro kosten, weil es die Fahrzeiten verlängern würde und damit 20 Prozent weniger Züge im Einsatz wären. "Das wäre der Sargnagel für den Güterverkehr auf der Schiene", warnt Grube.

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Für Dobrindt kündigt sich der nächste Streit mit Brüssel an
Deshalb läuft bei den Unternehmen eines der größten Umrüstungsprogramme ihrer Geschichte an. 180 000 registrierte Waggons sollen leiser werden. Von den gut 60 000 Wagen der Deutschen Bahn sind bislang 21 000 umgerüstet. Bis Ende des Jahres sollen es mehr als 30 000 sein, kündigte Grube an. Das Unternehmen beziffert die Kosten der gesamten Umrüstung bis 2020 auf 230 Millionen Euro. Auch die Konkurrenten des Staatskonzerns wollen sich dem Druck beugen. Bis Ende 2016 sei die Hälfte der Flotte, bis 2020 die gesamte Flotte auf leise Züge umgestellt, kündigte der Verband der Güterwagenhalter in Deutschland an.
Für Verkehrsminister Dobrindt steht damit der nächste Streit mit Brüssel an. Denn die Europäische Kommission hat bereits Zweifel angemeldet, ob der straffe Zeitplan für die Umstellung bis 2020 nicht zu ehrgeizig sei - und ausländische Konkurrenten benachteilige. "Wir wissen, dass die EU unser Ziel kritisch sieht", räumt Dobrindt ein. "Aber wir werden die Zweifel wissentlich ignorieren."