Es muss ein ganz besonders schlimmer Tag für Elon Musk gewesen sein. Zumindest muss er die Zeit, die er auf dem 405 Freeway zwischen seinem Haus im nordwestlich von Los Angeles gelegenen Stadtteil Bel Air und dem Hauptsitz seines Unternehmens Space X in Hawthorne im Südwesten der Millionenstadt verbrachte, als besonders übel empfunden haben. Im Dezember letzten Jahres twitterte er jedenfalls: "Verkehr macht mich wahnsinnig. Ich werde eine Tunnelbohrmaschine bauen und einfach losgraben."
Bei jedem anderen hätte dieser Ausspruch nur zu ungläubigem Kopfschütteln geführt. Eine aus Frust geborene, dahingesponnene Idee. Wenn Elon Musk, der Chef von Tesla, so etwas bei Twitter verbreitet, horcht die Welt auf. Bereits wenige Wochen später gründete er ein eigenes Bohrunternehmen: The Boring Company.
Ist es oben zu voll, geht es unterirdisch weiter
Details verriet er wie so oft nicht. Auch die Infos, die er vor einigen Tagen auf der TED (Technology, Entertainment, Design), einer Innovationskonferenz im kalifornischen Monterey, verriet, sind spärlich. Viel mehr als ein animiertes Video hatte Musk nicht anzubieten. Darin fährt ein Tesla durch die überfüllten Straßen von Los Angeles. Er parkt am Straßenrand auf einer Plattform, die optisch an eine Grill-Aluschale erinnert. Sie gleitet herunter und ordnet sich auf einer Schiene in den Verkehr ein. Mit Tempo 200 geht es durch den Untergrund, offensichtlich gesteuert von einem Computersystem. Die virtuelle Kamera zieht sich zurück und gibt den Blick frei auf immer mehr Trassen. Bis zu 30 sollen es laut Musk werden. Die Aluschale fährt wieder herauf und entlässt das Elektroauto in den Verkehr auf der Oberfläche. Nach etwas mehr als einer Minute ist das Video schon vorbei. Wie das alles funktionieren und was das kosten soll, darauf gibt der CEO von Tesla keine Antworten.
Das muss er aber auch nicht. Musk ist ein Meister darin, mit verrückten Zukunftsvisionen Aufmerksamkeit zu erregen, um sie sich später von jemand anderem bezahlen zu lassen. Es wäre eine Leichtes, Musks Idee als reinen Werbegag für seine neue "Nanny" genannte Tunnelbohrmaschine abzutun. Autos, die autonom unter Los Angeles fahren, das kann nur eine nette Spielerei sein. Erst recht, wenn der CEO von Tesla auf der TED auch noch von seinen Plänen, den Mars zu besiedeln und das menschliche Gehirn mit künstlicher Intelligenz zu vernetzen, sprach. Doch 2013 kündigte er an gleicher Stelle an, er wolle ein massenkompatibles Elektroauto bauen, eine neue Art und Weise entwickeln Strom zu speichern und eine wiederverwertbare Rakete ins All schicken. All das hat er in nur wenigen Jahren umgesetzt. Wenn auch im Fall von SpaceX mit eher unbefriedigendem Ergebnis.
Ob ihm das aber in Los Angeles gelingt, ist fraglich. Der erstickende Verkehr der Millionenstadt ist ein bekanntes Problem. Ideen, es zu lösen, gab es in der Vergangenheit viele: Schienenverkehr auf Plattformen über der Straße, ein Straßennetz nur für Busse, sogar Fähren über den Pazifik sollten den Stau vermeiden. Umgesetzt wurde keine davon. 1,1 Milliarden Dollar, umgerechnet 1,2 Milliarden Euro, hat die Stadt erst vor Kurzem ausgegeben, um den notorisch verstopften 405 Freeway, der Musk so aufregte, zu verbreitern. Mit dem Ergebnis, das noch mehr Autos im Stau stehen. Studien zufolge ist der Verkehr auf der Strecke sogar eine Minute langsamer als vorher.
Die U-Bahn ist bereits 150 Jahre alt
Musks Idee erscheint auf den ersten Blick wie eine logische Antwort auf das Verkehrsproblem. Wenn die Straßen überirdisch zu eng werden, fährt man einfach unter der Erde weiter. Doch so einfach ist es nicht: Der Chef von Tesla, der natürlich auch seine Stromer verkaufen will, verlagert das Problem nur. Autos nehmen aktuell 13 Prozent der Fläche Los Angeles' in Anspruch. Ein Verkehrsmittel, das die meiste Zeit herumsteht und oft nur eine Person befördert. Und jetzt sollen die auch noch unter der Stadt Platz verschwenden?
Die Frage sollte nicht sein: Wie schafft man mehr Platz für Autos, sondern wie befördert man immer mehr Menschen effektiv? Tunnel für Verkehrsmittel gibt es schließlich schon lange: U-Bahnen transportieren so seit 150 Jahren ihre Passagiere. Städteplaner arbeiten in Europa an Alternativen, die auf Fahrradautobahnen, Car Sharing und ein besseres öffentliches Verkehrsnetz setzen.
Abhalten wird das Elon Musk nicht. Seine "Nanny" gräbt bereits unter dem Parkplatz des Space-X-Hauptquartiers einen Testtunnel. Das wirklich Innovative ist allerdings nicht der Tunnel, sondern die Maschine, die sich in die Erde bohrt: "Nanny" gräbt und verstärkt die Röhre zugleich. Ein bisher langwieriger und teurer Prozess. Aber das sieht natürlich nicht so spektakulär aus wie Dutzende Teslas, die unter der Erde herumsausen.