Verkehr:Warum ein Tempolimit auf der Autobahn nötig ist

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Tempo 120 auf Autobahnen kann nicht nur die Luft verbessern, sondern auch Unfälle reduzieren. (Foto: picture alliance / dpa)

Die Reduzierung der Geschwindigkeit wäre ein billiger Beitrag für den Klimaschutz. Außerdem machen Raser auf den Autobahnen allen anderen einfach nur Angst.

Kommentar von Thomas Hummel

Wer das erste Mal in einem dieser hoch getunten Kolosse sitzt und auf mehr als 200 Stundenkilometer beschleunigt, der spürt den Kick, das Adrenalin. Der Zustand hält aber nur gut zwanzig Minuten an. Wie neurobiologische Forscher herausfanden, schaltet das Gehirn schnell um, weil es sonst zu viel Energie benötigt. 220 km/h sind dann Routine. Ganz normal.

Vielleicht liegt hier der Grund, warum es jedes Mal zu einem Aufschrei kommt, wenn irgendjemand in der Republik die Wortkombination "Tempolimit auf Autobahnen" ausspricht. Die Autobahn empfinden manche als Ort der letzten Freiheit, hier darf man noch wild und ungestüm sein. Nicht zufällig besteht die große Mehrzahl der Tempolimit-Gegner aus Männern jüngeren und mittleren Alters. Dazu die schlichte Gewohnheit: 220 km/h - na und? Wie soll ich sonst auch all meine Termine schaffen? Das Rasen auf den Autobahnen gehört hier zum German way of life. Und bauen wir Deutsche nicht selbst diese wunderbaren Riesenflitzer?

Die Umwelthilfe setzt durch, was die Politik ignoriert hat

Für den Teil der Bevölkerung mit Motto "Freie Fahrt für freie Bürger" wird Jürgen Resch zunehmend zum Feindbild. Resch ist Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die zuletzt mehrere Fahrverbote für ältere Diesel-Autos in Innenstädten gerichtlich durchsetzte. Die CDU forderte zuletzt auf ihrem Parteitag, die DUH solle keine Fördergelder mehr vom Bund erhalten. Außerdem solle ihre Gemeinnützigkeit überprüft werden. Dass die Umwelthilfe lediglich die Umsetzung von Gesetzen einfordert, die die Politik jahrelang ignoriert hat, hat die CDU offenbar übersehen.

Und nun das: Resch will prüfen, mit der Forderung für ein Tempolimit auf Autobahnen (120) und Landstraßen (80) vor Gericht zu ziehen. Auslöser sind die neuen Vorgaben für den Klimaschutz. Bei niedrigeren Geschwindigkeiten verursachen Autos weniger CO₂-Ausstoß. Außerdem wäre das auch ein Anreiz für die Automobilindustrie, kleinere und leichtere Wagen zu bauen, was in der Fertigung wiederum Kohlendioxid einsparen würde.

Dumm nur, dass deutsche Autobauer vor allem mit großen, schweren, PS-starken Wagen das meiste Geld verdienen. Das bringt Gewinne, Rendite für die Aktionäre, Boni für den Vorstand. Und die Möglichkeit, bei missliebigen Vorschlägen sogleich mit dem Abbau von Arbeitsplätzen zu drohen. Für die Unternehmen ist die Raserei auf den Autobahnen eine unbezahlbare PR, weltweit bekannt und bestaunt. Denn außer in Deutschland gibt es kaum ein Land ohne Tempolimit auf allen Straßen. Die Deutschen kennen das von Fahrten in die Nachbarländer. Stellt sich die Frage: Sind Österreicher, Schweizer, Franzosen, Italiener et cetera gegängelte Bürger inmitten einer ideologischen Verbotskultur?

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Fakt ist, dass ein Tempolimit auf Autobahnen für die Mehrheit der Bevölkerung Vorteile bringt. Die Zahl der schweren Unfälle reduziert sich (der Effekt gilt noch mehr für die sehr unfallreichen Landstraßen). Der Fluss des immer dichteren Verkehrs würde sich verbessern. Die Lärmbelastung geht stark zurück (weshalb etwa Österreich in seinen Alpentälern die Geschwindigkeitszulassung drastisch reduziert hat). Und natürlich geht auch der Schadstoffausstoß erheblich nach unten, unter anderem die Emissionen des klimaschädlichen Kohlendioxids. Laut Umweltbundesamt sinken sie bei 120 km/h Obergrenze für den gesamten Pkw-Verkehr auf Autobahnen um etwa neun Prozent. Tempolimit-Gegner wie der ADAC argumentieren, dass die Einsparung kaum ins Gewicht falle bezogen auf das gesamte CO₂-Problem Deutschlands. Doch diese Argumentation zieht nicht.

Mit dem Finger auf andere zeigen, bringt uns nicht weiter

So begründen auch die Kohlekraftwerksbetreiber, warum eine Abschaltung unverhältnismäßig sei. So fördert der Staat weiterhin den Flugverkehr, weil es eh wurscht ist. So argumentieren AfD und in Teilen die FDP, warum Deutschland eigentlich gar nichts tun müsse, weil das Land zu klein sei für einen spürbaren Effekt in der weltweiten Klimakrise. Dabei ist das riesige Klimaproblem nur zu lösen, wenn eben jeder Bereich seinen Teil beiträgt. Denn sonst deuten stets die einen mit dem Finger auf die anderen: Wenn die nichts tun müssen, dann wollen wir auch nicht.

Ein Tempolimit auf Autobahnen ist ein leicht umsetzbares, sehr billiges Mosaiksteinchen, um den CO₂-Ausstoß in Deutschland zu verringern. Es ist auch deshalb längst überfällig. Und was die Freiheit betrifft: Diese herrscht höchstens für diejenigen, die mit mehr als 200 km/h über die linke Spur rasen. Wer hingegen mit 120 oder 130 km/h zum Beispiel einen Laster überholen möchte, der kennt das Gefühl, wenn von hinten so ein Riesengefährt heranrauscht, dessen Fahrer hektisch an der Lichthupe ruckelt. Das ist dann auch ein Kick. Allerdings kein schöner.

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