Synthetische Kraftstoffe:Scheuers CO₂-Wunderwaffe ist ein Papiertiger

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Synthetische Krafstoffe sollen helfen, die Grenzwerte der EU bis 2030 einzuhalten. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Kraftstoffe aus nachhaltig gewonnenem CO₂ und Wasserstoff sollen helfen, Grenzwerte einzuhalten. Aber es gibt sie nur in geringen Mengen - und sie sind ineffektiv.

Kommentar von Joachim Becker

"Aus Liebe zum Automobil", warb VW vor 15 Jahren. Seitdem hat das Auto viele Likes und Liebhaber verloren. Trotzdem wird die Zahl der Fahrzeuge und die der zurückgelegten Kilometer weiter steigen. Der zappelige moderne Mensch kann einfach nicht still sitzen, könnte ein launiges Fazit lauten - wenn die Sache nicht so ernst wäre. Die klimarelevanten Emissionen aus dem Verkehr steigen, statt zu sinken. Um dieses Thema ist ein Dauerstreit entbrannt, der die Dieselkontroverse an Heftigkeit übertreffen dürfte.

Am vergangenen Mittwoch hat das EU-Parlament schärfere CO₂-Grenzwerte für Pkw beschlossen. Im Zeitraum von 2021 bis 2030 müssen die Emissionen um 37,5 Prozent sinken. Umweltverbänden geht das nicht weit genug, dem Automobilverband VDA viel zu weit. Diese Klagen hält Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer für "Jammerei". Die Verkehrswende werde einen riesigen Innovationsschub auslösen. Die Geschichte zeige, dass Deutschland von gesetzlichen Verschärfungen jedes Mal profitiert habe.

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Von Joachim Becker

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist sich da nicht so sicher. Tempolimits mag er genauso wenig wie eine CO₂-basierte Pkw-Steuer. Nach dem Scheitern seiner Expertenkommission Anfang der Woche murmelte der Minister etwas von synthetischen Kraftstoffen als Wunderwaffe gegen den Klimawandel. Biotreibstoffe meint er damit nicht, denn der Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen macht umgerechnet nur eine Millionen Verbrenner satt. Wie kann der restliche Bestand von 55 Millionen Fahrzeugen klimafreundlicher fahren? Selbst wenn 2030 mehr als jeder dritte Neuwagen ein Elektrofahrzeug sein wird, liegt die Gesamtmenge im Bestand deutlich unter zehn Millionen Stromern. Im Idealfall laden sie Ökostrom und haben Batterien aus halbwegs klimaneutraler Produktion. Der automobile Rest befeuert weiter den Klimawandel.

Hier kommen synthetische Kraftstoffe ins Spiel. Sie passen in jeden Tank, "Drop in", nennen das die Experten: Tröpfchen für Tröpfchen Nachhaltigkeit. Denn die Flüssigkeit soll aus klimaneutralem CO₂ und Wasserstoff stammen. Noch gibt es keine Industrie für den Wundersprit, lediglich kleine Pilotanlagen. Es kostet viele Milliarden, das zu ändern. Ob der Preis am Ende unter einen Euro pro Liter sinkt, ist unklar. Wirklich gravierend ist aber die enorme Ressourcenverschwendung: Von einer Kilowattstunde eingesetzter Energie bleiben am Ende höchstens 15 Prozent übrig. Bei einem Elektroauto liegt der Gesamtwirkungsgrad (Well-to-Wheel) bei mehr als 60 Prozent, wenn man es mit einer Photovoltaikanlage lädt. Vielleicht sollten die Herren vom VDA und Bundesverkehrsministerium erst ihre Taschenrechner konsultieren und dann die Öffentlichkeit.

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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