Schadstoffe in der Luft:Viele Städte halten Stickoxid-Grenzwerte auch weiter nicht ein

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Wird die Luft in stark belasteten Städten sauberer? Daran entscheiden sich auch Fahrverbote. Nun gibt es frische Daten. (Foto: dpa)

Wird die Luft in stark belasteten Städten sauberer? Nicht wirklich, sagt das Umweltbundesamt. Dabei hatte Münchens OB gestern noch stolz eigene Messungen präsentiert und Fahrverbote praktisch ausgeschlossen.

Von Christina Müller

In mindestens 35 Städten wurde der EU-Grenzwert für gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid (NO2) im vergangenen Jahr überschritten. Das geht aus einer ersten Bilanz des Umweltbundesamts (UBA) hervor. Die neuen Daten liegen der Deutschen Presse-Agentur vor. Für 28 der insgesamt 65 Städte, die den Grenzwert 2017 übertrafen, sind noch nicht alle Zahlen für 2018 da.

Die höchste Belastung hatte demnach Stuttgart mit 71 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft vor München mit 66 Mikrogramm. Diese Ergebnisse überraschen auf den ersten Blick, hatte doch München gestern erst eigene Messergebnisse präsentiert, nach denen die Luft dort besser ist als gedacht. Oberbürgermeister Dieter Reiter gab direkt bekannt, dass damit nun Fahrverbote nicht mehr notwendig seien.

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Die Stadt hatte Anfang 2018 eigene Messstationen aufgestellt, um im Streit um die Luftqualität eine breitere Faktenbasis zu bekommen. Für Oberbürgermeister Reiter sind Fahrverbote nun erledigt.

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Dass München heute wieder ganz oben in der Liste der am stärksten belasteten Städte auftaucht, liegt an den unterschiedlichen Messmethoden und der Art, wie die Ergebnisse intepretiert werden. Die höheren Werte des Bayerischen Landesamtes für Umwelt resultieren aus Messungen an nur fünf installierten Stationen. Die restliche Belastung für das Stadtgebiet wird auf Basis dieser Daten und in einem komplizierten Verfahren hochgerechnet. Bei den Messstellen in einer Stadt entscheidet für das Umweltbundesamt nicht der Durchschnitt, sondern die Messstelle mit den schlechtesten Werten - in München also die Landshuter Allee, in Stuttgart das Neckartor. Die Stadt München hatte dagegen zusätzlich eigene Messstationen installiert und ausgewertet. Die Ergebnisse dort zeigten, dass an 16 von 20 Messstationen der gesetzliche Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid eingehalten wurde.

Insgesamt hat die Luftbelastung durch Diesel-Abgase in Deutschland im vergangenen Jahr leicht abgenommen - im Mittel der verkehrsnahen Messstationen um etwa zwei Mikrogramm pro Kubikmeter. Gab es 2017 an 45 Prozent dieser Stationen zu hohe Werte, waren es 2018 nach einer Hochrechnung des UBA noch 39 Prozent. Vier der Städte, von denen bereits Messergebnisse vorliegen, haben den Grenzwert 2018 eingehalten: Regensburg, Ludwigshafen am Rhein, Solingen und Halle (Saale). Zwei Städte, die 2017 noch knapp im grünen Bereich lagen, überschritten 2018 den erlaubten Wert: In Leipzig und Koblenz wurden 42 Mikrogramm NO2 gemessen.

Gründe für den Rückgang der städtischen NO2-Belastungen sind laut UBA Tempolimits und Verkehrsbeschränkungen, mehr neue Autos, Software-Updates zur besseren Abgasreinigung bei älteren Diesel, aber auch das Wetter. Was wie viel zur Minderung beigetragen hat, lässt sich dem Amt zufolge allein anhand der Messdaten nicht bestimmen.

Stickstoffdioxid in Städten stammt zu einem großen Teil aus Diesel-Abgasen. Damit werden auch erste Fahrverbote in Städten begründet. In Hamburg wurden schon im vergangenen Jahr Straßenabschnitte für ältere Diesel gesperrt, in Stuttgart sind sie seit dem Jahreswechsel aus dem ganzen Stadtgebiet verbannt. Weitere Städte - darunter Frankfurt, Berlin und Köln - sollen in diesem Jahr folgen. Die Deutsche Umwelthilfe hatte die Einschränkungen vor Gericht erzwungen.

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Beim Feinstaub (PM10) vermeldete das UBA einen Erfolg: Erstmals seit 2005 wurden die Grenzwerte 2018 in keinem Ballungsraum mehr überschritten. An 35 Tagen im Jahr darf die Belastung über 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen. Nur eine industrienahe Messstation beim nordrhein-westfälischen Lünen maß an 36 Tagen höhere Werte. Für das Umweltbundesamt ist das aber kein Grund zur Entwarnung, da die Weltgesundheitsorganisation WHO einen Wert von 20 Mikrogramm empfiehlt.

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