Automobilindustrie:Hybridautos sind nur auf dem Papier sparsam

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Plug-in-Hybrid und Sportwagen: Montage des BMW i8 in Leipzig. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Plug-in-Hybride sind die Zukunft für Industrie und Klima! Das klingt zu gut, um wahr zu sein? Ist es auch - denn die Technik hat einen Haken.

Kommentar von Jan Schmidbauer

Umweltaktivisten und Autokonzerne sind selten einer Meinung. Was den neuen Stolz der deutschen Autobranche, den Plug-in-Hybrid, betrifft, gehen die Einschätzungen aber besonders weit auseinander. Als die Deutsche Umwelthilfe in dieser Woche erneut Tests veröffentlichte, wonach solche Autos viel mehr verbrauchen als versprochen, sprach sie von "staatlich gefördertem Unsinn". Und die Autolobby? Warf den Aktivisten den Versuch vor, eine "moderne Antriebsart zu diffamieren".

Der Ton mag auf beiden Seiten rau sein. Doch die Umweltaktivisten haben mit ihrer Kritik im Kern recht: Viele der Plug-in-Hybridautos, von denen die deutsche Autobranche immer mehr verkauft, sind zwar gut für die Bilanzen der Konzerne. Für die Klimabilanz ist ihr Beitrag aber mindestens zweifelhaft.

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Es mag auf den ersten Blick vielleicht überraschend sein, dass ausgerechnet Plug-ins in Verruf geraten. Autos also, die neben einem Verbrenner einen zusätzlichen Elektromotor an Bord haben, mit dessen Hilfe sie ein paar Dutzend Kilometer ohne Sprit fahren können. War nicht gestern noch der olle Diesel der Böse? Doch die Kritik ist angebracht, auch wenn die Aktivisten es mit ihrer Testmethodik leider allzu offensichtlich auf Verbrauchsexzesse anlegten, was auch nicht gerade der Versachlichung diente.

Viele Hybridwagen sind schwer und PS-stark. Das ist der falsche Anreiz

Mit der steuerlichen Bevorzugung von Hybridautos hat die Politik der Autoindustrie wieder mal einen großen Gefallen getan. Wenn die Emissionen im Straßenverkehr dadurch spürbar sinken würden, wäre dagegen auch nichts einzuwenden. Doch das ist höchst fraglich. Weil die Technik teuer ist, lohnt es sich für die Autohersteller oft nur, sie auch in teure Autos einzubauen. Und das passiert. Gerade schwere und PS-starke Wagen wie der BMW 5er oder der Audi Q5 werden zunehmend als Hybrid verkauft. Dank des Steuervorteils sind die Autos attraktiv für Unternehmen und deren Dienstwagenfahrer. Solange der Wagen einen zusätzlichen Elektromotor an Bord hat und mindestens 40 Kilometer weit damit kommt, wird nur noch die Hälfte des Listenpreises bei der Steuer herangezogen. Und es gibt noch mehr Vorteile: Sogar auf reservierten Elektroauto-Parkplätzen dürfen viele dieser Autos abgestellt werden.

Weil sie so umweltfreundlich sind?

Na ja. Auf dem Papier sind moderne Plug-ins zwar regelrechte Verbrauchswunder. Zwei Tonnen schwere Autos mit 200 und mehr PS sollen teilweise nur ein, zwei Liter Benzin auf 100 Kilometern verbrauchen. Doch es ist wie so oft im Leben: Was zu schön klingt, hat einen Haken. Im realen Betrieb verbrauchen viele Autos deutlich mehr. Das wissen wohl auch die Hersteller. Nicht umsonst versucht etwa BMW, die Kunden einzubremsen, und programmiert einige Plug-ins mittlerweile so, dass sie in städtischen Umweltzonen automatisch in den E-Modus schalten. Für viele Autofahrer ist es aber allzu verlockend, die 200 Benziner-PS zum Leben zu erwecken - besonders wenn der Arbeitgeber den Sprit zahlt. Hinzu kommt: Gerade Dienstwagenfahrer legen oft so lange Strecken am Stück zurück, dass der elektrisch gefahrene Anteil nur wenig ins Gewicht fällt. Die Niederlande haben die Förderung für Hybrid-Dienstwagen deshalb längst gestrichen.

Die deutschen Hersteller argumentieren gerne, dass die Autos ohne die neue Technik viel mehr verbrauchen würden. Das mag stimmen. Besser wäre es dennoch, andere Anreize zu setzen. Für die Autohersteller scheint es noch immer lukrativer, schwere und hochmotorisierte Wagen zu entwickeln, statt in Elektroautos mit höherer Reichweite zu investieren. Das Ergebnis sind Kompromisse auf vier Rädern, die gegen den radikalen, aber erfolgreichen Konkurrenten Tesla womöglich nicht ausreichen werden.

© SZ vom 05.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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