Ein paar Minuten erst sitzt der Daimler-Chef Dieter Zetsche auf der Bühne. Da bricht es aus ihm heraus: "Zusammen sind wir stärker", und: "Sky is the limit!", ruft er, nur der Himmel gebe die Grenzen vor bei dieser neuen Zusammenarbeit. Der Mann im Sessel daneben, Harald Krüger, BMW-Chef, nickt, wird gleich davon sprechen, dass dieser Moment hier in Berlin in Erinnerung bleiben werde: Wenn man dereinst in zehn Jahren zurückschauen werde, dann werde man sagen: "Das war ein wichtiger Tag!"
In der Tat ist es zumindest sehr bemerkenswert, was hier geschieht: Zwei der härtesten Konkurrenten in der Autoindustrie tun sich zusammen. Konkurrenten, die besonders in den vergangenen zwei Jahren heftig im Clinch lagen. Doch gemeinsame Feinde bringen sie wieder zusammen. Und die beiden Manager feiern das in einem Maße, wie es vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen ist.
Die beiden Konzerne bündeln ihre Mobilitätsdienstleistungen, nach einer monatelangen Phase der Diskussionen und kartellrechtlichen Prüfungen. In Deutschland sind dabei vor allem die Carsharing-Angebote Car2Go (Daimler) und DriveNow (BMW) bekannt, die nun ohne großen weiteren Verzug zusammengeschaltet werden sollen unter dem Namen ShareNow. Es geht zudem um Parkplatzbuchungen per App - was in den USA oft genutzt wird, Taxivermittlungen, die Buchung von Elektroladesäulen und überhaupt die Organisation von großstädtischer Mobilität, die immer weniger auf dem eigenen Auto basiert. 60 Millionen Nutzer gebe es bereits für die verschiedenen Dienste und es sollen schnell mehr werden, heißt es bei dem Termin, der recht passend in einem unbenutzten U-Bahn-Tunnel unter dem Potsdamer Platz begangen wird.
Es ist ein Rennen, bei dem selbst ein einzelner Dax-Konzern für sich genommen zu klein ist
"Wir wollen diese Transformation gestalten", sagt Zetsche, eine Milliarde Euro werde fürs Erste zur Verfügung gestellt. Und Krüger bestätigt: "Dieter hat absolut recht." Die Vision sei, dass einmal all diese "Now"-Dienste "zu einem Mobilitätsangebot mit voll-elektrischen und selbstfahrenden Flotten" verschmelzen, die sich autonom aufladen und parken und mit anderen Verkehrsmitteln vernetzt sind. Das Robotertaxi, das per Klick binnen weniger Minuten herbeirollt, es ist näher gerückt, auch weil mächtige Firmen aus den USA und China immer näher ans Ziel kommen: Fahrdienstleister wie Lyft, Uber oder Didi in China arbeiten mit Vehemenz an diesem Szenario, das finanziell vor allem deshalb lukrativ ist, weil es ohne Fahrer auskommt, die Geld kosten. Tech-Konzerne wie die Google-Tochter Waymo entwickeln in hoher Geschwindigkeit die passende Hardware, also Roboterautos. Es ist ein Rennen, bei dem selbst ein einzelner Dax-Konzern für sich genommen zu klein ist.
Dass sich nun die beiden süddeutschen Hersteller zusammentun, ergibt Sinn: Die Unternehmenskulturen sind sich ähnlich, ähnlicher jedenfalls im Vergleich zu ausländischen Mitbewerbern. Mit gut zwei Millionen verkauften Autos pro Jahr ist man ähnlich stark. Und doch war da zuletzt ein harter Konflikt, der solch eine feierliche Verlobung sehr unwahrscheinlich werden ließ. Die Entwicklungschefs der deutschen Hersteller saßen früher im "Fünferkreis" zusammen, beredeten Standards und Techniken. Vielleicht auch in einem Maße, das gegen Kartellrecht verstößt. Jedenfalls hat Daimler die Gespräche bereits im Jahr 2014 im Geheimen angezeigt bei Behörden, was dem Unternehmen eine Art Kronzeugenstatus einbrachte mit einer Strafmilderung, so es zu einer Strafe kommen sollte - derzeit läuft die Prüfung der Kartellwächter noch. Öffentlich geworden ist das allerdings erst im Sommer 2017, bald danach durchsuchten Beamte die BMW-Zentrale. Dort fühlte man sich hintergangen. "Das Vertrauen ist total beschädigt", hieß es aus der Vorstandsetage in München. Die seit Langem laufenden Einkaufskooperationen - bei eher simplen Teilen wie Gurtstraffern - wurden sogleich auf Eis gelegt. In Stuttgart lästerten sie wiederum über die übergroße Empfindsamkeit der Münchner. Schwierige Monate, die immer noch nicht ganz vergessen sind. Es habe den "ein oder anderen Konflikt" gegeben, sagt Krüger gleich zu Beginn dieses Treffens.
Dass diese nun überwunden scheinen, dürfte auch mit zwei Top-Managern zu tun haben, die an diesem Tag nicht auf der Bühne sitzen, aber ausnehmend gut gelaunt an der Kaffeemaschine stehen: Nicolas Peter, Finanzvorstand bei BMW, und Bodo Uebber, derzeit noch sein Pendant bei Daimler. Mit einem Telefonat zwischen ihnen sei das ins Laufen gekommen. Der gemeinsame Auftritt sei so vorteilhaft, gerade beim Blick auf die immer stärker werdende Konkurrenz, dass man trotz der Krise verhandelt habe: Drei Führungskräfte von BMW, drei von Daimler trafen sich so alle paar Wochen, mal in Stuttgart, mal in München und auch mal auf halbem Weg in Ulm. Sagt der eine Finanzer etwas, nickt der andere. Noch vertrauter wirken sie als die beiden Vorstandsvorsitzenden.
Und auch ein weiteres Pärchen versteht sich dem Vernehmen nach ganz hervorragend: Klaus Fröhlich, Entwicklungsvorstand bei BMW, und sein Daimler-Pendant Ola Källenius, der bald Daimler-Vorstandschef werden soll, pendeln offenbar ebenfalls öfter auf der Südschiene. Ihre Idee: Die neue Nähe könnte man auch bei der Forschung nutzen, um den übergroßen Konkurrenten zu begegnen. Diese beiden Manager fehlen im U-Bahn-Tunnel, und ihre Kollegen wiegeln bei entsprechenden Nachfragen ab. Doch wenn nichts dazwischenkommt, dürfte bald ein weiteres Kapitel der neuen Partnerschaft zwischen München und Stuttgart bekannt werden, die gemeinsame Arbeit an Roboterautotechnologien. Auch da gelte, hört man: Zusammen ist man stärker.