New York: neue Taxis:Die gelbe Gefahr

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Der hässliche japanische Lieferwagen Nissan NV200 soll die New Yorker Taxiflotte in die Zukunft führen - eine höchst umstrittene Entscheidung. Droht jetzt gar ein neuer Wettbewerb mit neuen Taxi-Studien?

Jörg Häntzschel

Seit seinem Amtsantritt vor zehn Jahren ist das New Yorker Taxiwesen eines der vielen politischen Hobbys von Bürgermeister Michael Bloomberg. Kein Wunder in einer Stadt, in der so viele Menschen kein Auto besitzen. Er versuchte - erfolglos - die zwangsweise Umstellung auf Hybridmotoren durchzusetzen. Er versuchte - wieder erfolglos - Sammeltaxis einzuführen.

Der Ford Crown Victoria (links, zweiter von links, ganz rechts) erinnert in den Straßen Manhattans an die Zeit, als der Sprit noch billig war. (Foto: Sueddeutsche Zeitung Photo)

Endpunkt dieser diversen Reformbemühungen sollte das "Taxi of Tomorrow" werden: ein eigens für New Yorks Snobs, Schlaglöcher und 24-Stunden-Schichten entwickeltes Fahrzeug, das nach und nach alle 13.000 Taxis ersetzen sollte, die heute auf New Yorks Straßen unterwegs sind. Es sollte technologisch ganz vorne sein und dieselbe ikonische Qualität besitzen wie das legendäre Checker Cab aus den sechziger Jahren, das nicht zuletzt dank dem Film "Taxi Driver" fest zur New Yorker Folklore gehörte.

Doch statt dem Taxi von morgen bekommt New York nun "den Lieferwagen von gestern", wie ein Kommentator bissig anmerkte. Die Fifth Avenue wird bei Stau so aussehen "wie der Parkplatz von DHL" - und die Fahrgäste wie Vorstadtkinder auf dem Weg zum Fußballtraining.

Der Nissan NV200 nämlich, den Bloomberg eben als jenes visionäre Stadtmobil präsentierte, ist ein banaler Van, der in Europa und Asien bereits seit 2009 auf dem Markt ist. Diese übergroße Kiste auf vier Rädern mag sich beim Campingurlaub mit Hund und drei Kindern bewähren oder zum Transport von Waschmaschinen. Doch daraus vor dem Restaurant aussteigen? Darin einer Frau Avancen machen? Lieber nicht.

Die Hand in den Verkehr strecken, sich in die durchgesessene Plastikrückbank fallen lassen: Jeder Tourist, der das zweimal gemacht hatte, durfte sich wie ein New Yorker fühlen. Im Nissan hingegen werden sich auch lebenslange Stadtbewohner fühlen wie Touristen beim Flughafentransfer, Gepäck kommt nach.

Daran können auch die Extras nichts ändern, mit denen Nissan sein Fließbandmodell für New Yorker Ansprüche gepimpt hat: Steckdosen zum Handyaufladen, Leselampen wie in der Business Class und eine extra leise Hupe, deren Betätigung den Wagen von außen illuminieren soll. Behindertengerechte Ausstattung wäre wohl sinnvoller gewesen.

Die Checkers wurden Anfang der Achtziger von einer Reihe glanzloser Limousinen abgelöst, unter denen sich keine länger hielt als der Ford Crown Victoria, ein endlos langer Schlitten aus der Ära von Aerobic, Stadionrock und billigem Sprit, der bei den Taxifirmen so beliebt ist, weil er durchschnittlich 300.000 Meilen alt wird, einen riesigen Kofferraum besitzt und so simpel gebaut ist, dass sich Reparaturen im Handumdrehen erledigen lassen.

Doch seit Ford die Produktion einstellte, und weil die Fahrer es satt haben, die Hälfte ihres Verdienstes an der Tankstelle zu lassen, stellt der Crown Vic mit seinem gigantischen Achtzylindermotor heute nur noch gut die Hälfte der Taxiflotte. Dutzende andere Modelle sind in den letzten Jahren hinzu gekommen, viele von ihnen Hybridfahrzeuge.

London Taxis
:Taxikultur als Exporterfolg

Andere Länder, andere Sitten - das gilt auch für die Taxikultur. Die Briten halten ihre "Black Cabs" für besonders gut und stilvoll. Ein Londoner Unternehmen bringt London Taxis jetzt auch in den Metropolen Rom, Mailand und Istanbul an den Start.

So erfreulich die kleineren, sparsameren Autos unter ökologischen Gesichtspunkten sind, richtig glücklich ist niemand mit den Siennas, Camrys und Corollas, die - mit Trennscheibe und abwaschbaren Polstern lieblos zum Taxi umgerüstet - heute in New York unterwegs sind. Könnte New York nicht ein Taxi haben wie London? Ein Stück Design, das zum Stadtbild, zum Stadtgefühl gehört wie das Wetter, die Architektur, die Frauen?

Genau das hatte Bloomberg im Sinn, als er mit großem Trara einen Wettbewerb ausschrieb. Schließlich wurden dessen drei Finalisten den New Yorkern zur Abstimmung präsentiert: Monatelang wurden die Passagiere mit Spots im "Taxi TV", der nervenden Rückbankunterhaltung, gedrängt, ihr Lieblingsmodell auszuwählen.

Der allgemeine Ärger rührt nun nicht nur daher, dass der langweiligste aller drei Wagen ausgewählt wurde, sondern auch daher, dass man eben diese Abstimmung großzügig ignorierte. Zwei Drittel hatten sich das flotte Panoramamobil des türkischen Autobauers Karsan gewünscht. Der Nissan landete weit abgeschlagen auf Platz 2.

Bloomberg erklärte, man habe Zweifel gehabt, ob Karsan auch in zehn oder 20 Jahren noch Ersatzteile bereit halten werde. Dass die Firma seit langem Peugeots und Fiats baut, sagte er nicht. Karsans Versprechen, es wolle die Taxis in Brooklyn herstellen, war allerdings tatsächlich wenig überzeugend.

Das Gewinnermodell andererseits stammt von einem japanischen Konzern und wird in Mexiko montiert - ein neuer symbolischer Rückschlag für die amerikanische Autoindustrie. So breit ist der Widerstand, dass es fraglich erscheint, ob der Nissan tatsächlich wie geplant 2014 eingeführt werden soll. Drei Jahre sind reichlich Zeit für neue Kommissionen, neue Wettbewerbe, neue Studien.

© SZ vom 07.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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