Es war eine ziemlich lange Strecke: Über Monate hinweg ließen die BMW-Strategen immer wieder neue Details über ihr neues Wunderauto raus. Wohldosiert, häppchenweise. Mal ganz offiziell bei Veranstaltungen, mal in Halbsätzen, versteckt in Internetforen - die Chronik eines angekündigten Marketing-Events.
Es geht um ein Auto aus dem Leichtbaustoff Carbon, erstmals in Serie. Eine lange Produktionskette, die vom US-Bundesstaat Washington State über Wackersdorf und Landshut bis nach Leipzig und München reicht Elektroantrieb im Heck, vier Sitze, futuristisches Design, Großstadtauto.
Am Samstagabend dann tauchte der Konzern seine Zentrale am Mittleren Ring in München in Lichtinstallationen, Videoprojektionen und den bunten Slogan "Born Electric". Zumindest die Autofahrer auf dem Mittleren Ring sahen: Es ist bald soweit. Born Electric, elektrisch geboren - das soll wirklich einen Neuanfang suggerieren.
Als der Konzern für Montagnachmittag nach München lädt, um das Geheimnis zu lüften, ist also schon vieles gesagt. Und doch noch nicht alles, so ist der Name noch nicht bekannt: "BMW i"soll die neue Marke für nachhaltiges Fahren heißen, und die Manager enthüllen zum Start ein großes, dreidimensionales i - gerade so, als sei die Marke schon heute ein Denkmal.
An den Start geht der Autobauer mit zwei Modellen - dem BMW i3 und dem BMW i8. Der BMW i3, der bislang unter dem Projektnamen Megacity Vehicle firmierte, soll das erste reine Elektroauto bei BMW sein und 2013 auf den Markt kommen. Beide Autos haben ein eigenes, modernes Design, tragen gleichzeitig aber die BMW-typische Doppelniere an der Front.
Interessanter ist eine andere Neuigkeit am Montag: Eine Beteiligungsgesellschaft mit dem Namen BMW i Ventures, ausgestattet mit bis zu 100 Millionen Dollar, soll für BMW künftig überall da Beteiligungen erwerben, wo der Konzern interessante und innovative Produkte und Dienstleistungen wittert.
So hat sich das Investment-Vehikel bereits an dem New Yorker Unternehmen My City Way beteiligt - ein IT-Unternehmen, das in 40 US-Städten aktuelle Informationen zu öffentlichen Verkehrsmitteln, Parkplätzen und Unterhaltungsangeboten anbietet. Weitere Städte - darunter auch München - sollen folgen.
Es sind solche Beteiligungen und technologische Kooperationen, die heute als Schlüssel für die Zukunft gelten. BMW hatte schon 2009 mit SGL Carbon ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, um mit der Produktion von Leichtbaumaterialien zu beginnen. An SGL Carbon und BMW ist die Quandt-Erbin Susanne Klatten beteiligt.
Man werde künftig "weiter nach engen Partnern für gemeinsame Dienstleistungen" suchen, sagte BMW-Vertriebs- und Marketingvorstand Ian Robertson. "Damit bricht für die Automobilindustrie eine neue Ära der individuellen Mobilität an."
Die Marketing-Schlacht der Münchner kommt nicht von ungefähr. Der Kampf um die Autos von morgen ist längst voll entbrannt, alle wollen sich hier zurzeit in Stellung bringen: Daimler hat erst kürzlich mit dem japanischen Unternehmen Toray eine Allianz bei Carbonfasern vereinbart und baut derzeit sein Ulmer Car-Sharing-Projekt car2go massiv aus. Audi bereitet die Einführung seines Elektrowagens E-Tron vor, setzt beim Thema Leichtbau aber vor allem auf Aluminium.
Zumindest beim Marketing für seine Aktivitäten dürfte BMW aber nun vorne liegen: Die Münchner sind die ersten, die ihre Mischung aus Leichtbau-Elektroauto, Nachhaltigkeits-Investments und Mobilitätsdienstleistungen wie etwa Carsharing für Premiumautos als strategisches Gesamtpaket inszenieren.
Das soll helfen, wenn man das neue, nicht gerade billige Stadtauto vermarkten und an die wohl meist junge Kundschaft bringen will. Und: Die Münchner sind die ersten, die für die Elektrifizierung des Automobils etwas vollkommen Neues bauen. Bislang waren Elektroautos vor allem eines: herkömmliche Fahrzeuge, bei denen man den Benzinmotor einfach durch einen Elektroantrieb ersetzt hatte.
Es begann schon vor einigen Jahren, im Herbst 2007, als der BMW-Manager Ulrich Kranz damit beauftragt wurde, etwas Anderes, etwas Neues zu machen. Es entstand die Ideenschmiede project i - rund um die Frage, wie nachhaltige, umweltschonende Autos künftig gebaut werden sollen, um weiterhin erfolgreich zu sein.
Viele Gespräche und etliche Projektgruppensitzungen später stand ein Projekt namens Megacity Vehicle mit einer Karosserie aus leichten Kohlefaser-Verbundstoffen, die bislang nur in der Luftfahrt und im Rennsport eingesetzt wurden.
Die Idee: Weniger Gewicht soll bei den batteriebetriebenen Elektroautos für eine höhere Reichweite sorgen. Allerdings: Das Kilo Carbon kostet heute 10- bis 15-mal so viel wie das Kilo Stahl - noch ist längst nicht klar, ob der Hersteller die höheren Produktionskosten komplett an den Verbraucher weiterreicht oder bereit ist, beim Auto der Zukunft erst einmal draufzuzahlen.
Sowohl der BMW i3 als auch der i8 sollen im Werk Leipzig gebaut werden - dafür will das Unternehmen in den kommenden zwei Jahren etwa 400 Millionen Euro in neue Gebäude und Anlagen investieren und 800 zusätzliche Jobs schaffen. Schon jetzt ist klar: Bei den beiden Autos wird es nicht bleiben. "Zwischen dem BMW i3 und dem i8 ist noch eine Menge Platz", sagt BMW-Entwicklungschef Klaus Draeger.
Draeger weiß, wie er seine Zuhörer in Spannung hält. Die Show ist also noch längst nicht vorbei: Viele Fragen bleiben auch nach der Veranstaltung am Montagnachmittag offen. Die sagenumwobenen Elektroautos wird es erst zu einem späteren Zeitpunkt zu sehen geben, und auch über den Preis der neuen i-Autos schweigt sich der Hersteller aus.
Die große Marketingschlacht um die Zukunft des Automobils geht weiter - Fortsetzung folgt.