MGX-21 im Fahrbericht:Moto Guzzi baut jetzt ein Batmobil

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Leicht ist schwer: Sichtkarbon an Vorderradkotflügel, Tankblende, Kühlerabdeckung, Kofferdeckel und in der Vorderradfelge mindert das Gewicht kaum. (Foto: Moto Guzzi)

Die neue MGX-21 hat bizarre Formen und wiegt 350 Kilogramm. Doch für seine Größe und Masse ist der italienische "Big Bagger" ziemlich handlich.

Test von Thilo Kozik

Was für eine Masse Motorrad. Moto Guzzis neue MGX-21 ist von vorn, von der Seite und erst recht von hinten einfach gewaltig. Das liegt an der Länge von 2,56 Meter ebenso wie an den bizarren Formen: Die Fledermausverkleidung erinnert an Batmans Mobil, die nach hinten auslaufende, fließende Linie mit dem überbreiten Heck an eine kraftstrotzende Bulldogge. Den imposanten Auftritt flankiert der markige Beinamen "Flying Fortress", der sich vor allem in den USA gut machen soll.

Auch BMW hat unter dem Arbeitstitel "Grand American Touring" gerade das neue Bagger K 1600 B vorgestellt.

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Die Guzzi verlangt reichlich Muckis

Die Moto Guzzi wäre ohne Kohlefaser noch einmal etwa zehn Kilo schwerer. Doch das fällt bei 350 Kilogramm auch nicht mehr ins Gewicht: Zum Hieven vom Seitenständer verlangt die Guzzi reichlich Muckis. Einmal in der Senkrechten, macht die bequeme Sitzbank in erdverbundenen 740 Millimeter Höhe das Ausbalancieren leicht. Aber klar: Ohne Gardemaß fühlt man sich ein wenig verloren auf diesem riesigen Dampfer.

Das Losfahren erinnert an ein Fahrrad mit zwei vollen Einkaufstüten am Lenker. Das liegt an der extremen Fahrwerksauslegung mit unüblich großem 21-Zoll-Vorderrad, aber auch am strammen Lenkungsdämpfer - Langsamfahren wird damit zu einem echten Eiertanz. Doch mit zunehmendem Tempo stabilisiert sich die Guzzi und macht gut ausgebaute Highways und Autobahnen zu ihrem natürlichen Revier. Wird's kurviger, überrascht die MGX-21 mit einer Agilität, die man ihr nicht zugetraut hätte - auch wenn das große Vorderrad beim Einlenken immer ein wenig in die Kurve klappen möchte.

Charismatischer Antrieb mit 97 PS

Vergleichsweise aktiv nimmt der Pilot am Geschehen teil und erfreut sich einer unerwartet guten Schräglagenfreiheit. Dafür sorgen Fußrasten statt Trittbretter, was ohnehin sportlicher aussieht. Diesen Anspruch unterstreichen die roten Brembo-Zangen, und das nicht nur optisch: Gut dosierbar und äußerst effektiv legen sie der rollenden Festung die Zügel an.

In kontrastierendem Rot lugen auch die Ventildeckel des Guzzi-typischen 90-Grad-Vaumotors rechts und links aus der Fahrzeugsilhouette heraus. Der längs eingebaute charismatische Antrieb erzeugt aus 1380 Kubikzentimeter Hubraum 97 PS. Doch erst die 121 Newtonmeter Drehmoment bei nur 3000 Touren lassen den mächtigen Dampf erahnen, der schon ab 1500 Touren gleichmäßig und kultiviert vorwärts schiebt.

Mit wie viel Nachdruck das geschieht, gibt der Fahrer über drei Fahrmodi selbst vor - Veloce ist der schärfste Modus, Turismo bietet ein sanfteres Ansprechen, Pioggia empfiehlt sich nur bei Nässe. Die dreifach justierbare Traktionskontrolle lässt sich auch abschalten, was aber nicht ratsam erscheint - der große Vau verdient sich das Prädikat "souverän mit Sternchen".

Big Bagger mit erfrischender Fahrdynamik

Zur luxuriösen Ausstattung gehört ein hochwertiges Soundsystem und integrierte Koffer. Letztere nennt man in den USA bags, weshalb diese Art Motorrad auch Bagger heißt - praxisorientierte Europäer monieren nicht das Volumen, wohl aber die Form, die selbst für einen kleinen Jethelm zu schmal ausfällt. Ausladendere Deckel gibt es im reichhaltigen Zubehörprogramm. Farblich lässt Guzzi keine Wahl, und das erscheint durchaus schlüssig: Es herrscht ausschließlich Schwarz in Carbon-Optik mit roten Akzenten.

Der bei den Big Baggern dominierenden Behäbigkeit setzt Guzzis imposante Erscheinung eine erfrischende Fahrdynamik entgegen. Dass die MGX-21 dazu bestens ausgestattet ist und mit 23 000 Euro nicht überteuert daherkommt, dürfte ebenfalls von Vorteil sein.

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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