Messe für E-Mobilität:Ihr da oben, wir da unten

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Das Elektroauto zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Beobachtungen auf der Münchner eCarTec, der bundesweit ersten Messe für E-Mobilität.

Joachim Becker

München unter Strom: Die Landeshauptstadt wird zur Modellregion für Elektromobilität, mit der eCarTec 2009 startete hier die erste Messe zum Thema. Bereits auf der IAA vor wenigen Wochen konnten mehr als 800.000 Besucher den Eindruck gewinnen, das Zeitalter reichweitenstarker Elektroautos stünde unmittelbar bevor.

Vitamin E: Die eCarTec 2009 war eher ein mittelständischer Branchentreff. Neuheiten wie den Sportwagen Wolf sah man fast nur von kleinen Herstellern. (Foto: Foto: oh)

Die Begeisterung über den Antrieb der Zukunft hielt sich in München allerdings in Grenzen. Nur rund 8000 Interessierte fanden den Weg in die Neue Messe, um sich über die Zukunftstechnologie zu informieren oder eines der ersten E-Mobile Probe zu fahren. Rechnet man die 7000 Besucher ab, die bereits im vergangenen Jahr zur begleitenden Fachmesse Materialica kamen, fällt die Bilanz ernüchternd aus: Der Elektrohype findet allen Ankündigungen auf der IAA zum Trotz noch immer in einer kleinen Nische statt.

Dabei steht die Uhr bei den Treibhausgasen längst auf fünf vor zwölf. "Der Weg zum Elektroantrieb ist unumkehrbar, wenn wir die Klimaschutzziele ernst nehmen", sagte Infineon-Vorstandssprecher Peter Bauer in seiner Eröffnungsrede auf dem eCarTec-Fachkongress. Doch auf der Messe gibt es bestenfalls automobile Exoten wie den 99.000 Euro teuren Tesla Roadster zu kaufen.

"Kein Kunde ist bereit, für die Elektromobilität irgend etwas aufzugeben", bekennt Rolf Schumann von Better Place. Um die bequeme Verfügbarkeit von Ladestrom sicherzustellen, rechnet der Mobilitätsdienstleister mit durchschnittlich 2,3 Ladestationen pro Kunde. Da ist es löblich, dass der ADAC noch dieses Jahr bis zu 50 E-Ladestationen aufbauen wird, an denen ADAC-Mitglieder kostenlos ihre Elektroautos laden können.

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Doch mittelfristig geht es um Milliardeninvestitionen, wenn ein flächendeckendes Netz von Schnellladestationen aufgebaut werden soll. Sie können eine Hochenergiebatterie in weniger als einer Stunde wieder auftanken. Umweltgerechter ist allerdings der Batteriewechsel in rund zwei Minuten, den Better Place propagiert: "Beim Schnellladen wird vier Mal so viel Energie benötigt wie beim Austausch der Akkus", so Schumann.

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Hinzu kommen die Kosten für intelligente Stromnetze, die E-Mobile als rollende Zwischenspeicher verwenden können. Siemens schätzt den weltweiten Markt für diese Netze (Smart-Grids) über die kommenden fünf Jahre auf rund 30 Milliarden Euro. Für solche Infrastrukturinvestitionen müssen die politischen Rahmenbedingungen stimmen.

Ohne Anschubinvestitionen für jedes E-Mobil in Höhe von mehreren tausend Euro wird der ganze Elektrohype eine Fehlzündung bleiben - auch das machte der Messebummel klar. Denn von den Preis- und Komforterwartungen der allermeisten Kunden sind Elektroautos noch meilenweit entfernt. "Es wird weitere zehn bis 15 Jahre dauern, bis wir mit Lithium-Luft-Batterien in Serienautomobilen dieselbe Reichweite wie heutige Benziner schaffen", erklärt Stefan Lorenz von Continental.

Die Stromspeicher verdoppeln derzeit den Preis eines Kompaktautos - bei einer realen Reichweite von gut 100 Kilometer. VW und Daimler sind zwar auf dem Fachkongress vertreten, zeigen auf der Messe aber keine Präsenz. Die eCarTec war ein mittelständischer Branchentreff - mit 600 gebauten Roadstern gilt Tesla schon als Leuchtturm unter den 195 Ausstellern. Auch deshalb, weil die Amerikaner gerade die Kreditzusage der US-Regierung in Höhe von 465 Millionen Dollar erhalten haben.

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Wie die Kleinserienhersteller den gnadenlosen Ausleseprozess auf dem Weltmarkt bestehen wollen, ist nach wie vor unklar. Stolz verkündet beispielsweise Leclanché aus der Schweiz das Ziel, bis 2011 jährlich 800.000 Zellen für Lithium-Ionen-Batterien produzieren zu wollen. Verglichen mit den Kapazitäten der japanischen, koreanischen und chinesischen Batterieproduzenten ist das vernachlässigbar wenig. Folgerichtig geht der Automobilzulieferer Bosch davon aus, dass mittelfristig nur vier bis fünf Batteriehersteller im globalen Wettbewerb bestehen werden.

Ohne die großen Autohersteller werden auch die E-Mobile aus Deutschland keine Fahrt aufnehmen. Gerade hat Daimler angekündigt, den Elektro-Smart von 2012 an in Großserie fertigen zu wollen. Doch Daimler-Konzernvertreter Jörg Wind sagte auf der eCarTec dazu kein Wort, stattdessen hält hielt er ein abstraktes Referat über Brennstoffzellenfahrzeuge. Der Weg Deutschlands zum "Leitmarkt für Elektromobilität" ist noch sehr weit.

© SZ vom 19.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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