Hyundai Kona im Praxistest:Elektropionier, ärgere dich nicht

Lesezeit: 4 Min.

Der zapft sich was: Mit dem Hyundai Kona Elektro kamen Tester mit nur einer Ladefüllung mehr als 600 Kilometer weit, allerdings im Sommer. Im Winter ist die Reichweite deutlich geringer. Und immer wieder wird das Laden zur Geduldsprobe. (Foto: Uli Sonntag/Hyundai)

Wer mit dem Hyundai Kona auf langen Strecken unterwegs ist, wird zum Kilometerzähler. Wie unser Alltagstest zur Schleichfahrt inklusive ungeplantem Übernachtungsstopp wurde.

Von Joachim Becker

Ende einer Dienstfahrt. So energiegeladen die Reise in München auch begonnen hat - kurz hinter Würzburg ist erst einmal Schluss. Der Elektro-Trip wird zur Schleichfahrt inklusive Übernachtungsstopp. Von wegen Gas geben und Spaß haben: Im Stromer richtig Strecke zu machen, will gelernt sein. Zumindest in einem Elektromobil, das keine eigene Infrastruktur mitbringt. Anders als bei Teslas Superchargern kann man sich nie sicher sein, dass alles super läuft. Mal verweigert sich der Hyundai komplett beim Schnellladen nach dem europäischen CCS-Standard und auch an den 11- oder 22-Kilowatt-Säulen nippt er nur, weil er bestenfalls 7,5 Kilowatt zieht. Das bedeutet nach 45 Minuten mickrige 30 Extra-Kilometer.

Superschnelllader sind im Land Rudolf Diesels selten

Der Radius des Hyundai ist im Winter kleiner, als er zu Beginn der Fahrt anzeigt. Selbst bei Konstantfahrt mit 115 Stundenkilometern macht die Batterie nach knapp 400 Kilometern schlapp. Ohne Licht und Scheibenwischer geht es nicht bei Schneeregen. Und die Sitzheizung auf Stufe eins ist das Notprogramm für die dauerkalten Beine. Vom Klimakomfort eines modernen Verbrenners ist auch dieser kleine Stromer weit entfernt. Bei 30 Kilometer Restreichweite helfen auch Jacke und Pullover nicht gegen ein gewisses Frösteln.

Die Vorstellung, liegen zu bleiben, ist für niemanden schön. Erst recht nicht für den Langstreckenfahrer, der einen besonderen Saft sucht: Arbeitsstrom, frisch gezapft an der Wallbox oder aus dem Superschnelllader mit schweren Kabeln. Anders als in den skandinavischen Ländern, in Frankreich oder in den Benelux-Staaten sind solche Stationen im Land Rudolf Diesels fast so selten wie Wasserstoff-Tankstellen. An der Abzweigung "Liebliches Taubertal/Autohof" geht es rechts zum Outlet-Center im fränkischen Fachwerkstil. "Mit über 1800 kostenfreien Parkplätzen brauchen Sie sich keine Gedanken darüber zu machen, wo Sie Ihr Auto parken." Das Fassadendorf bietet bis zu 60 Prozent Preisnachlass. Eine Steckdose für Elektrofahrzeuge bietet es nicht.

Aber da ist ja noch der Autohof mit den rot-weißen Superchargern. So vielversprechend die Säulen im Halbdunkel glimmen: Teslas Ladeinfrastruktur sträubt sich weiterhin gegen Fremdfabrikate. Die CCS-Stecker für das Model 3 passen auch in den Kona Elektro - ohne die richtige Kommunikationsschnittstelle hilft das aber alles nichts. Laut der hurtig heruntergeladenen App sind weitere Ladestationen in der Umgebung defekt oder außer Betrieb. Freitagabend 19 Uhr bedeutet Feierabend für jeden Hausmeister. Der einzige Lichtblick in dieser unwirtlichen Nacht ist mehr als 250 Jahre alt: eine ländliche Trutzburg mit drei Ladeplätzen. Was die Elektro-App nicht weiß: Freitag ist Schäufele-Abend in der "Krone". Zwei Ladeplätze sind wegen der Schweinshaxen von Verbrennern zugeparkt. Und am dritten Kabel hängt ein belgischer Jaguar i-Pace.

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Anders als bei der Elektro-Diät gibt es in den Gasträumen der "Krone" Brennwert im Überfluss. Genau wie an den Futterkrippen für konventionelle Autos: An Tankstellen ist sozusagen immer Schäufele-Abend. Fast überall können Verbrenner einen tiefen Schluck aus der Pulle nehmen. Selbst die Fabrikanten von Motorsägen werben in der Gegend mit dem Slogan "Vollgas durchs Holz". Zum Elektro-Zeitalter will das nicht so ganz passen.

Mit den 64 Kilowattstunden (kWh) Akkukapazität des Kona Elektro kämen konventionelle Autos nicht weit. Das ist nicht mehr Energie, als in den Reservetank eines Spritschluckers passt. Trotzdem wird der Koreaner als Reichweitenwunder gefeiert: Die Tester von Auto Bild sind mit einer Batteriefüllung im Sommer 613 Kilometer weit gekommen. Und das zu einem Einstiegspreis von rund 35 000 Euro. Alles bestens also, wäre da nicht die öffentliche Ladeinfrastruktur. Wer das Angebot an deutschen Schnellladestationen ausreichend findet, ist noch nie mit Energiehunger durch die Elektrowüste gefahren.

Zu wenig Platz und immer noch zu teuer

Der gemütliche Kronen-Wirt hat vorgesorgt: "Wir haben 80 kW Anschlussleistung, allein die großen Induktionsplatten im Herd schlucken jeweils 7,5 kW." Der Großküchen-Strom reicht aber nicht, um gleichzeitig E-Mobile satt zu machen. "Solange wir kochen, müssen die warten", sagt der mollige Mittfünfziger und lacht. Elektromobilität findet er gut, schließlich bringt sie neue Gäste ins Hinterland der A9. Weniger lustig findet er die Geiz-ist-geil-Haltung mancher Tesla-Fahrer: "Die 22-KW-Schnelllader haben wir extra für sie angeschafft", erzählt er, "weil sie ihren Ladestrom an den Superchargern umsonst kriegen, wollen sie auch bei uns nicht zahlen." Dabei kostet die Kilowattstunde beim Krone-Wirt nur 35 Cent. Bei einer großen, leeren Batterie mache das im Schnitt 25 Euro pro "Tankfüllung". Vorausgesetzt, der Stromer verweigert nicht die Nahrungsaufnahme.

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Der Nieselregen scheint dem Wirt nichts auszumachen, er hat den ganzen Tag am Herd gestanden. Neugierig schaut er sich den Kona Elektro an. Das kompakte Crossover-Modell wirkt von außen größer, als es ist: Das Golf-Format sei zu klein für die lange Einkaufsliste der Krone, sagt der Gastwirt. Noch gibt es kaum bezahlbare Alternativen mit genügend Platz. Mit einem Plug-in-Hybrid käme er nicht nach Würzburg zum Einkaufen und zurück. Emissionsfrei versteht sich. Auf dem Parkplatz hört man die Gäste im Wirtshaus singen. Schließlich bringt der Kronen-Wirt eine Kabeltrommel aus der Scheune: 2,5 Kilowatt Ladeleistung - das ist schlimmer, als Kraftstoff in der Apotheke zu kaufen. Mit dem Rinnsal von Energie ist an ein Weiterkommen in dieser Nacht nicht mehr zu denken. Zeit genug, um ein bisschen Küchenlatein auszutauschen.

Jetzt stößt auch der belgische Besitzer des Jaguar i-Pace dazu. Er will sichergehen, dass sein Auto wirklich geladen wird. Sonst hängt er auch am nächsten Tag in Franken fest. Als Elektropionier ist er auch schon Tesla gefahren; sein Kennzeichen "Solar" zeugt von Sendungsbewusstsein. Es ist der Traum von nachhaltiger Mobilität, der die meisten Elektroenthusiasten antreibt. Selbst wenn die großen Batteriewagen enorm teuer sind, und die 90-kWh-Akkus nicht besonders klimafreundlich. Der Belgier zuckt mit den Schultern: Was soll er tun? Das Reichweitenproblem und die löchrige Ladeinfrastruktur in Deutschland begleiten ihn seit Jahren. Am nächsten Morgen ist er fort, als der Kona-Fahrer nach ausgiebiger Zeitungslektüre ins Auto steigt. Trotz der langen Ladenacht stehen nur 170 Kilometer Reichweite auf der Uhr.

Schließlich dämmert's: Der Hyundai-Pressesprecher hatte etwas von Discountern mit neuen Schnellladern erzählt. Der Online-Filialfinder löst das Reichweitenproblem. Der Einkauf, um die Ladezeit totzuschlagen, kostet allerdings genauso viel wie eine Tankfüllung.

© SZ vom 09.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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