Feuer auf dem Autofrachter:E-Autos auf Fähren: Wie groß ist die Gefahr für Urlauber?

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Auch auf Urlaubsfähren werden künftig immer mehr E-Autos stehen. Geraten sie in Brand, haben Löschmannschaften ein Problem. (Foto: P. Royer/imago images/blickwinkel)

Das Feuer auf dem Autofrachter "Fremantle Highway" wirft ein Schlaglicht auf ein bislang zu wenig beachtetes Problem: Was würde passieren, wenn ein derartiger Brand auf einer Fähre mit vielen Menschen an Bord ausbricht?

Von Joachim Becker

"Aufatmen am Wattenmeer", "Brand unter Kontrolle", "Fremantle Highway im niederländischen Eemshaven angekommen": Die Schlagzeilen zum brennenden Superfrachter klingen nun halbwegs beruhigend. Auch die Fährreedereien versuchen, die Wogen zu glätten. Entscheidend bei einem Brand sei weniger die Frage nach der Antriebsart des brennenden Fahrzeugs, sondern dass der Brand möglichst früh erkannt werde, sagte Moritz Bruns von der Reederei FRS Baltic.

Wohl jeder, der die Bilder von dem sieben Tage lang brennenden Autotransporter gesehen hat, fragt sich allerdings: Warum kann man ein nur zehn Jahre altes Schiff nicht löschen? Und was, wenn das Schiff nicht ein Autofrachter, sondern eine Passagierfähre wäre - unterwegs mit Hunderten Menschen, die innerhalb kürzester Zeit in Sicherheit gebracht werden müssten?

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Für die Feuerlöschanlagen an Bord gibt es zwar genaue Vorschriften. Doch um einen Großbrand mit Elektroautos zu verhindern, reichen sie nicht aus. Deshalb ließen die Bergungskräfte die "Fremantle Highway" seit dem 26. Juli einfach ausbrennen. Lange Zeit wusste niemand, wie viele der vollgepackten Parkdecks eingebrochen sind. Selbst nach tagelangen Löschversuchen können sich Batterien wieder selbst entzünden. Dass die Zahl der E-Fahrzeuge, die an Bord sein sollen, nachträglich von 25 auf rund 500 korrigiert wurde, zeigt, wie groß das Risiko für Feuerwehrleute dort gewesen wäre.

Wie viele E-Autos an Bord einer Fähre sind? Das interessiert bislang niemanden

Solche Fehldeklarationen gibt es in der Schifffahrtsbranche immer wieder im Zusammenhang mit Lithium-Ionen-Batterien, zum Beispiel um die Versicherungssumme zu drücken. Auch auf Autofähren interessiert sich kaum jemand dafür, wie viele E-Fahrzeuge an Bord sind. Damit gehen Behörden und Reedereien ein unkalkulierbares Risiko ein, denn die E-Mobile brennen nicht häufiger, aber sie brennen anders als herkömmliche Fahrzeuge.

Filmaufnahmen von Batteriebränden zeigen, wie viel Energie schlagartig frei wird, wenn Akkuzellen in Brand geraten. Ein Feldversuch der schweizerischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) zeigt, wie meterlange Stichflammen aus den Batteriepaketen schlagen. Nach wenigen Sekunden war der für den Test verwendete Tunnelabschnitt in dichten Rauch gehüllt. Unabhängig von der Antriebsform oder dem Energiespeicher müsse es oberstes Ziel sein, dass sich alle Personen möglichst schnell aus der Gefahrenzone begeben, schrieben die Empa-Versuchsleiter. Die Evakuierung einer mit Urlaubern vollbesetzten Autofähre wäre bei einem derart rasant um sich greifenden Feuer allerdings schwierig.

Der Autofrachter "Fremantle Highway" brannte tagelang vor der holländischen Nordseeküste. (Foto: Flugzeug der Küstenwache/dpa)

"Navigating the future: safety first!" lautet das IMO-Motto für 2024, was sich etwas freier mit "Vorfahrt für die Sicherheit" übersetzen lässt. Doch das Beispiel der Fremantle Highway zeigt erneut, dass Löschversuche durch eine relativ unerfahrene Schiffsmannschaft so gut wie aussichtslos sind. Einige Matrosen des Autofrachters sprangen in Panik 30 Meter in die Tiefe, um ihr Leben zu retten, ein Matrose kam ums Leben. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur teilt die IMO nun mit, dass die Sicherheitsvorkehrungen für den Transport von Elektrofahrzeugen auf Schiffen "ganz oben auf der Tagesordnung" stünden. Dies sei eine "Reaktion auf die zunehmende Zahl von Zwischenfällen mit Bränden, die auf die Beförderung von Fahrzeugen mit alternativen Energien, einschließlich Autos mit Lithium-Ionen-Batterien, zurückzuführen sind".

Besonders auf Fähren kann ein kleines Feuer sehr schnell außer Kontrolle geraten

Das Problem ist seit Jahren bekannt, doch passiert ist wenig. "Brände auf Autotransportern, Roll-on/Roll-off-Fähren (RoRos), Containerschiffen und anderen Schiffen gehören nach wie vor zu den größten Sorgen des Sektors, wie der jüngste Anstieg der Vorfälle zeigt", sagt Kapitän Rahul Khanna, Global Head of Marine Risk Consulting bei der Allianz-Commercial-Versicherung. In den vergangenen zehn Jahren sei die Zahl der Gesamtverluste von Schiffen zwar auf ein Rekordtief gesunken, doch insbesondere Autofähren und -transporter würden mit Brand- und Stabilitätsproblemen kämpfen.

Der Nordic Association of Marine Insurers (Cefor) zufolge besteht auf Fährschiffen die größte Brandgefahr aller Schiffstypen. Um die Beförderung von Autos zu erleichtern, sind die Innenräume nicht wie bei anderen Frachtschiffen in separate Abschnitte unterteilt. "Das Fehlen von Innenschotten kann sich nachteilig auf den Brandschutz auswirken, und ein kleines Feuer an einem Fahrzeug oder einer Batterie kann sehr schnell außer Kontrolle geraten", so Kapitän Khanna. Auch auf Autofähren sind die Fahrzeuge nach dem Beladen nicht leicht zugänglich. Gerade in der Urlaubszeit stehen sie dicht beieinander, um möglichst viele Fahrzeuge zu transportieren.

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Trotz der Enge ist das Luftvolumen in den offenen Ladedecks groß. Der Sauerstoffvorrat reicht aus, dass sich das Feuer auch zwischen konventionellen Autos ausbreiten könnte. Diese wiederum stehen ohne gesonderte Sicherheitsvorkehrungen neben Elektrofahrzeugen, die extrem empfindlich auf Hitze reagieren: Über 70 Grad Celsius beginnt der Elektrolyt zu verdampfen und der Druck in der Zelle steigt rapide. Bei einem Kurzschluss oder weiterer Wärmezufuhr bläht sich die Zelle auf und explodiert schließlich - was oft zu einer Kettenreaktion mit den benachbarten Zellen führt. Das Ergebnis sind Stichflammen wie bei den Empa-Versuchen, die das Feuer schnell überspringen lassen.

Mit herkömmlichen Sprinklern und Schaumlöschmitteln ist den Hunderte Kilogramm schweren Batteriepaketen, die im Unterboden von Elektrofahrzeugen crashsicher in einem Stahlgehäuse eingekapselt sind, nicht beizukommen. Neben Ruß entstehen beim Akkubrand auch Sauerstoff und große Mengen hochgiftiger Gase, zum Beispiel Kohlenmonoxide und stark ätzende Flusssäure. Daher sind Löschversuche durch eine kaum trainierte Schiffscrew auf dem offenen Meer nicht nur wenig aussichtsreich, sondern auch gefährlicher als etwa Motorbrände bei konventionellen Fahrzeugen.

Mehr Schutz für die Passagiere? Damit ist vor 2026 nicht zu rechnen

"Wenn es zu einem Brand kommt, dann haben wir bei E-Autos wirklich eine Herausforderung", sagt Michael Pfäffli, Leiter der renommierten Unfallforschung des Axa-Versicherungskonzerns in der Schweiz: "Ich bin der Meinung, dass wir bis heute keine befriedigende Lösung haben, um Brände von E-Autos sicher, schnell und kostengünstig zu löschen. Auch der Abtransport verursacht deutlich höhere Kosten, weil es einen Spezialtransport mit einem Wassercontainer oder einer Löschdecke braucht. Der Aufwand ist komplex und die durchschnittlichen Kosten für uns als Versicherer sind mehr als doppelt so hoch."

Auf offener See werden die Probleme noch größer. Unter dem Projektnamen Albero ließ das Bundesforschungsministerium bereits 2016 umfangreiche Studien zu den Gefahren durch E-Autos auf Schiffen durchführen. Auch die IMO lässt Brandexperten über Löschmethoden beraten. Allen aktuellen Beteuerungen zum Trotz, rechnen Fachleute aber nicht damit, dass sie vor 2026 neue Vorschriften zum Schutz von Fähren und Passagieren erlässt. Bis sich die neuen Regeln durchgesetzt haben, dürfte es sogar noch länger dauern: Für die bestehende Schiffsflotte werden Extrafristen zur Umrüstung eingeräumt.

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