Mobilitätsservice:Für Menschen mit Handicap ist Bahnfahren komplizierter geworden

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Wer beim Bahnfahren Hilfe braucht, hat es seit Februar schwerer, seine Fahrt zu organisieren. (Foto: Christian Endt)

Wer bei einer Zugreise Hilfe benötigt, konnte sich bisher auf einen bequemen Service verlassen. Seit Februar ist das nicht mehr so einfach. Dahinter steckt ein Streit ums Geld.

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Bislang war Bahnreisen für Menschen mit einer Mobilitätseinschränkung zwar mit Aufwand verbunden, aber die Planung zumindest lief relativ bequem. Wollte zum Beispiel ein Rollstuhlfahrer mit der Bahn von Brandenburg nach Oberbayern reisen, rief er bei der Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ) der Deutschen Bahn (DB) an - die Fachleute dort berieten ihn nicht nur bei der Planung und beim Ticketkauf, vielmehr organisierten sie auch für die gesamte Reisekette Helfer, beispielsweise am Bahnsteig. Diese sorgten dann dafür, dass der Reisende samt Rollstuhl etwa beim Umstieg in München aus dem Fernzug heraus- und in den Regionalzug hineingehoben wurde.

Doch seit Anfang Februar geht das zumindest auf einigen Strecken nicht mehr so einfach. Wie die DB mitteilte, wird die MSZ nun nur noch für Reisende tätig, die mit den konzerneigenen Tochterunternehmen unterwegs sind oder mit Bahnunternehmen, die einen Vertrag mit der DB geschlossen haben. Das macht das Reisen für viele in ihrer Mobilität eingeschränkte Kunden nun deutlich komplizierter: Schließlich herrscht gerade im Regionalverkehr mittlerweile ein heftiger Wettbewerb. In weiten Teilen des Landes fahren nicht mehr die roten Züge der jeweiligen Regio-Töchter der DB, sondern deren Konkurrenten, etwa die blauen Züge des Konkurrenten Transdev in Oberbayern oder die grün-gelben der Ostdeutschen Eisenbahn (Odeg) in Brandenburg.

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Seit Februar nun genügt also mitunter nicht mehr ein einziger Anruf bei der MSZ, um die Hilfe am Bahnsteig für die gesamte Reisekette zu organisieren; vielmehr muss der Kunde unter Umständen bei verschiedenen Unternehmen anrufen - je nachdem, mit welcher Eisenbahngesellschaft er gedenkt zu reisen. "Für uns ist das indiskutabel", ärgert sich der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK). Hier werde ein Finanzstreit zwischen verschiedenen Eisenbahnunternehmen "auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen". Auch der Deutsche Bahnkunden-Verband (DBV) befürchtet, dass "die Teilhabe deutlich erschwert wird" und kritisiert einen Rückfall in die "Kleinstaaterei im Schienenverkehr".

Tatsächlich geht es hinter den Kulissen ums Geld: Die DB erklärt, für sie seien Menschen mit Behinderung eine "bedeutende Kunden- und damit Zielgruppe". Bislang aber habe man den Service für die Konkurrenz "unentgeltlich und ohne vertragliche Basis organisiert". Zugleich sei die Zahl der MSZ-Anfragen innerhalb von drei Jahren um 50 Prozent auf zuletzt 850 000 jährlich gestiegen. Um auch künftig den Buchungsservice aus einer Hand anbieten zu können, müsse man zu einer "gerechten Kostenaufteilung aller beteiligten Wettbewerbsunternehmen" kommen. Bisher haben sich 18 DB-Konkurrenten dazu bereit erklärt; deren Kunden können sich weiter an die MSZ wenden. Eine Liste, welche Firmen das sind, steht unter www.bahn.de/barrierefrei. Die bayerischen Transdev-Töchter BOB und BRB beispielsweise sind dabei.

Aus unternehmerischer Sicht sei das Ansinnen der DB nachvollziehbar, erklärt der Kundenverband DBV. Er sieht die Politik in der Pflicht: Die Bundesregierung müsse dafür sorgen, dass eine zentrale Anlaufstelle für die gesamte Reisekette angeboten werde.

© SZ vom 23.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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