Die quietschende Fensterkurbel stört mich nicht. Auch nicht die fehlende Klimaanlage. Erst kurz nach dem Einsteigen, als der Zündschlüssel schon steckt, muss ich zum ersten Mal schmunzeln: ein Radio mit Kassettendeck! Selbst mein Opa fährt seit Kurzem einen Kleinwagen, in dem ein MP3-fähiger CD-Player surrt. "Mach nur nicht am Griff die Tür zu", warnt mich Claudia, als ich genau das gerade tun will. "Dann fällt er nämlich ab."
Nein, ich befinde mich nicht auf dem Schrottplatz. Das zu behaupten, wäre gemein. Immerhin springt Claudias zwölf Jahre altes Auto ohne zu zögern an, als ich es in ihrem Carport abhole. Claudia ist keine Angestellte einer Mietwagenfirma, sondern eine ganz normale Autobesitzerin. Sie hat sich in einem Internetportal für privates Carsharing angemeldet. Wer zufällig in ihrer Stadt ein Auto braucht, kann es über die Seite reservieren. Das geht ganz einfach, ohne Codekarte, Jahresgebühr und Kilometergeld, wie bei den kommerziellen Carsharing-Anbietern üblich. Stattdessen bekommt man ein vollgetanktes Auto und gibt es auch so wieder zurück. Fast wie bei einem Mietwagen, aber eben nur fast.
Bei Sauberkeit kreuzt sie "Mittel" an
Was für ein Schnäppchen! Für 70 Euro kann ich mit Claudias Kleinwagen vier Tage lang tun und lassen, was ich will. Die günstigsten Mietwagen wären 15 Euro teurer gewesen. Während die allerdings schon mit 20.000 Kilometern zum alten Eisen gehören, hat Claudias Auto beinahe das Fünffache auf dem Tacho. Sorgfältig notiert Claudia die bestehenden Mängel auf dem Übergabe-Protokoll: ein paar Kratzer, die Kühlwasser-Warnlampe, der besagte Türgriff. Bei "Sauberkeit" kreuzt sie "Mittel" an. Ich schaue auf die krümeligen Fußmatten und die Pfotenabdrücke auf der Windschutzscheibe - nun ja, alles relativ.
Wenigstens funktioniert das Radio tadellos. Am darauffolgenden Abend ist ein Ausflug in die nächstgelegene Stadt geplant. 20 Kilometer Landstraße, nichts Besonderes. Wenn doch nur die Fahrbahn zu sehen wäre! Wie Kerzen flackern die matten Glühbirnen auf dem dunklen Asphalt. Dann setzt auch noch kalter Nieselregen ein, die Scheibe beschlägt. Reflexartig suche ich nach dem Knopf für die Klimaanlage - den es hier gar nicht gibt. In meinem Hinterkopf meldet sich eine leise Stimme: Wären die 15 Euro, die der Mietwagen mehr gekostet hätte, vielleicht doch eine sinnvolle Investition gewesen?
Branchenriesen warnen vor Unfällen mit Amateur-Autos
Es sind Kleinigkeiten wie diese, die etablierte Firmen zu nutzen wissen. Längst trommeln die Branchenriesen gegen privates Carsharing, warnen vor Unfällen mit schlecht gewarteten Amateur-Autos. Sogar eine Klage hat der Bundesverband der Autovermieter (BAV) eingereicht, weil Portale wie Autonetzer oder Tamyca angeblich unlauteren Wettbewerb betreiben. Ganz zu schweigen von den Einnahmen, die die privaten Autobesitzer nicht so gerne versteuern - behaupten zumindest die Platzhirsche.
Mit welchen Steuertricks sie selbst arbeiten, verraten sie freilich nicht. Und trotzdem: Aus reiner Nächstenliebe existieren auch Carsharing-Portale nicht. Von den 70 Euro, die ich bezahlt habe, bleiben Claudia weniger als 60 Euro. 15 Prozent Provision gehen pauschal an den Vermittler, der das Auto dafür während der Vermietung versichert.