Carsharing:Teile und spare

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Kinder teilen sich ihre Bobbycars (zumindest müssen sie das im Kindergarten) - und Erwachsene immer häufiger das Auto: Der Markt für das Carsharing boomt. (Foto: Claus Schunk)

Viele Firmenfahrzeuge stehen am Wochenende ungenutzt herum. Deshalb wollen Münchner Carsharing-Anbieter nun auch den Fuhrpark der Unternehmen nutzen - und die Autos an die Mitarbeiter vermieten.

Von Marco Völklein

Im ersten Moment wirkt Tim Ruhoff wie einer dieser typischen Jungdynamiker, die bereits während ihres Betriebswirtschafts- oder Jura-Studiums eine eigene kleine Firma aufbauen, später Investoren ins Boot holen - und dann mit Anfang oder Mitte 30 den großen Reibach machen. Es stimmt schon: Das alles trifft auf Ruhoff zu. Und dennoch hat der 28-Jährige auch eine Mission: "Wir wollen mehr Mobilität bieten - mit weniger Autos." Seit Ruhoff denken kann, fährt er mit dem Fahrrad oder mit Bus und Bahn. Ein Auto hat er noch nie besessen. Und dennoch setzt er nun darauf, mit Autos Geld zu verdienen, möglichst viel Geld natürlich. Und dabei, wenn möglich, die Welt zumindest ein bisschen vom Auto zu befreien.

Zusammen mit seinem Geschäftspartner Leonhard von Harrach, 38, sitzt Ruhoff in einem Besprechungsraum in der Firmenzentrale in Obersendling. Harrach hat auf seinem Laptop die Buchungsmaske von "Fleetster" geöffnet. So nennt sich das Angebot, das die beiden Firmengründer mit ihren zehn Mitarbeitern ausgetüftelt haben, und mit dem sie die Mobilität von Morgen ermöglichen wollen. Ruhoff und Harrach setzen auf "Corporate Carsharing", also darauf, dass in vielen Firmen ganze Autoflotten zeitweise ungenutzt herumstehen. Und dass künftig die Mitarbeiter dieser Unternehmen diese Autos nutzen, um damit etwa am Samstag ins Möbelhaus zu fahren oder am Sonntag in die Berge. Im Idealfall verzichten sie dann auf ein eigenes Auto. Weil sie sich die Autos aus der Firma mit den Kollegen teilen.

Ganz ähnlich funktioniert ja das klassische Carsharing auch. Anfang der 1980er Jahre zunächst von Umweltbewegten erfunden, dann in vielen Großstädten etabliert, setzt sich die Idee nun mehr und mehr durch: Vor allem wegen der hohen Spritpreise verzichten Menschen auf das eigene Auto und teilen sich einen Wagen mit anderen. Allein bis Ende 2012 stieg die Zahl der bei Carsharing-Anbietern registrierten Nutzer bundesweit auf 453.000; ein Jahr zuvor waren es nur 263.000 gewesen. Vor allem neue Anbieter wie Drive-Now oder Zebra-Mobil, die ihre Fahrzeuge nicht mehr an festen Stationen abstellen, sondern die Autos quasi überall in der Stadt anbieten, gewinnen viele Nutzer hinzu. Auch wenn es bei Drive-Now zuletzt Ärger gab (siehe unten), ist davon auszugehen, dass die Idee des Autoteilens sich weiter verbreiten wird. Auch Ruhoff und von Harrach glauben das. Sie wollen das Ganze nun in Firmen hinein- und an deren jeweilige Belegschaften herantragen.

Schon jetzt unterhalten viele Unternehmen einen eigenen Fahrzeugpool. Meist sind es nur wenige Autos, die die Mitarbeiter nutzen können, um etwa zu Geschäftsterminen zu fahren. Ein Fuhrparkmanager verwaltet Fahrzeuge und Schlüssel, sorgt für Reifenwechsel und für die gelegentliche Innenreinigung. Wer eines der Autos nutzen will, bestellt es bei ihm. Der Fuhrparkmanager führt oft nur eine Liste oder einen Kalender im Computer. Am Wochenende und nach Feierabend werden die Autos meist nicht bewegt; die Auslastung sei daher "eher dürftig", sagt von Harrach.

Das wollen er und Ruhoff nun ändern. Sie haben eine Software entwickelt, die die Fuhrparkverwaltung quasi automatisiert. Über das Internet oder das firmeneigene Intranet bucht der Mitarbeiter das Fahrzeug, den Schlüssel holt er sich aus einem speziell entwickelten Schlüsselschrank, der an einer zentralen Stelle im Unternehmen hängt, und kann dann das Firmenauto am Abend oder am Wochenende nutzen. Die Abrechnung erledigt das System. Auch um steuerliche Fragen kümmert es sich: Die Führung eines Fahrtenbuchs fürs Finanzamt erfolgt automatisch. Weil die Fahrzeuge somit öfter fahren und seltener ungenutzt auf dem Firmenhof herumstehen, steigt die Auslastung. Und weil die Mitarbeiter für die private Nutzung zahlen, spart die Firma unterm Strich Geld.

Eine an sich simple Idee, auf die allerdings neben Ruhoff und von Harrach mittlerweile auch andere gekommen sind: Das Unternehmen Alphabet, eine Leasingtochter von BMW mit Sitz im O2-Tower am Mittleren Ring, hat vor kurzem sein Angebot "Alphacity" gestartet. Die Geschäftsidee ist vergleichbar mit der der beiden Firmengründer aus Obersendling. Nur dass Alphabet nach eigenen Angaben schon wesentlich weiter ist. Während die Obersendlinger laut Ruhoff "in einigen Wochen" mit "bis zu 20 Kunden" loslegen wollen und derzeit noch vieles testen und optimieren, ist Alphacity seit etwa einem Jahr aktiv und kann mit Infineon sowie einigen kleineren Firmen schon erste Kunden vorweisen, wobei sich die Zahl der Autos noch auf einem niedrigen Niveau bewegt. Auch die Alphacity-Macher wollen in nächster Zeit durchstarten: So soll sich von Mai an der Versicherungsriese Allianz zu den Nutzern gesellen. "Corporate Carsharing", sagt Alphabet-Chef Marco Lessacher, "wird ein wesentlicher Baustein für die Mobilität der Zukunft."

Mittlerweile beobachten auch viele andere Autohersteller genau, was die Leute von Alphabet sowie die beiden Fleetster-Erfinder aushecken. "Wir bewegen uns in einem Haifischbecken", sagt Ruhoff. Die Gründer seien "umzingelt" von interessierten Autokonzernen. Hinzu kommt, dass auch der Carsharing-Anbieter Zebra-Mobil künftig verstärkt auf Firmenkunden setzen will. Details möchte Zebra-Gründer Matthias Ohr aber derzeit noch nicht verraten - auch er hat Respekt vor der schnell wachsenden Konkurrenz und vor allem den großen Autokonzernen.

Die allerdings verfolgen mit ihren Angeboten einen etwas anderen Ansatz als die Fleetster-Macher aus Obersendling oder Zebra-Gründer Ohr. Bei Alphacity zum Beispiel können die Firmenkunden ausschließlich Fahrzeuge aus der BMW-Familie ordern und ihren Belegschaften anbieten. Der Konzern will damit den Absatz seiner Fahrzeuge auch in einem sich verändernden Marktumfeld sichern; gerade wegen des Trends hin zum Carsharing und zu einer vernetzten Mobilität werden künftig weniger Autos benötigt (und damit auch produziert), glauben Marktbeobachter.

Der Ansatz bei Alphacity sei nach wie vor, "den Kunden Autos zu verkaufen", schießt daher auch Fleetster-Gründer Ruhoff gegen den Wettbewerber. Ihm dagegen gehe es vor allem darum, die Auslastung bestehender Flotten zu optimieren ("die Autos sind ja schon da, man muss sie nur besser nutzen") und die Menschen so davon zu überzeugen, dass sie eigentlich kein eigenes Auto mehr benötigen.

Und ums Geld verdienen? Klar, darum geht es auch. So viel Betriebswirtschaftler steckt dann doch drin in dem Firmengründer. "Ein Öko", sagt Ruhoff irgendwann mal zwischendrin, "bin ich nicht."

© SZ vom 11.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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