Aktion der Polizei:Alles Wissenswerte zum Blitzmarathon 2016

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Blitzmarathon am 21. April: Die Polizei überwacht wieder verstärkt, ob die Tempolimits eingehalten werden. (Foto: dpa)
  • Am Donnerstag, 21. April, findet von sechs bis 22 Uhr wieder ein europaweiter Blitzmarathon statt.
  • In Deutschland nehmen jedoch nur neun Bundesländer teil. Die Aktion findet immer mehr Kritiker.
  • Die Polizei gibt wie in den vergangenen Jahren die meisten Messstellen vorab bekannt.

Fragen und Antworten von Thomas Harloff

Am Donnerstag macht die Polizei wieder viele Straßen zu potenziellen Bußgeldbezirken. In mehr als 20 Nationen findet der zweite europäische Blitzmarathon statt. "Gezielt überprüfen wir die Streckenabschnitte, an denen besonders folgenschwere Unfälle passiert sind", sagt Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD), dessen Ministerium die Aktion 2012 initiierte und seitdem federführend begleitet.

Wie in den Jahren zuvor geben die örtlichen Polizeidienststellen größtenteils vorher bekannt, wo genau geblitzt wird. Damit wollen die Behörden dem Vorwurf entgegenwirken, Auto- und Motorradfahrer abzocken zu wollen.

Wann startet und endet der Blitzmarathon?

Los geht es am Donnerstag, 21. April, um sechs Uhr morgens. Anders als in den Jahren zuvor, in denen meist einen ganzen Tag lang kontrolliert wurde, endet die Aktion diesmal schon am gleichen Tag um 22 Uhr. Ihre Wirksamkeit sei in diesem kürzeren Zeitraum höher, sagen Experten. In Bayern scheint man das anders zu sehen, dort blitzen die Behörden 24 Stunden lang. Aber das ist immer noch deutlich kürzer als im vergangenen Jahr, als die bayerische Polizei den Blitzmarathon auf eine ganze Woche ausdehnte.

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Welche Bundesländer sind dabei, welche nicht?

Die Bereitschaft der deutschen Landespolizeipräsidien schwindet, für eine PR-Aktion wie den Blitzmarathon einen Großteil der Belegschaft abzustellen. Diesmal sind mit Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen nur noch neun Bundesländer dabei. Baden-Württemberg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und das Saarland verzichten. Das Polizeipräsidium Saarbrücken begründet das mit der "aktuellen Einsatzlage", Sachsens Innenministerium hält den Planungs- und Personalaufwand der dpa zufolge für "unverhältnismäßig".

Niedersachsen ist unter anderem wegen des Besuchs von US-Präsident Barack Obama nicht beim Blitzmarathon dabei. Zudem steht Innenminister Boris Pistorius (SPD) den verstärkten Geschwindigkeitskontrollen der Polizei prinzipiell skeptisch gegenüber. Es gelte vielmehr, die Raserei auf den Straßen des Landes dauerhaft zu beenden, erklärte sein Ministerium der dpa.

Gibt die Polizei die Messstellen wieder vorab bekannt?

Transparenz ist den Behörden auch bei der diesjährigen Auflage des Blitzmarathons wichtig. Deshalb weisen sie auf folgenden Internetseiten auf die Messstellen hin:

Bayern: http://www.stmi.bayern.de

Brandenburg: https://polizei.brandenburg.de

Hamburg: http://www.presseportal.de

Hessen: http://www.presseportal.de

Nordrhein-Westfalen: https://www.polizei.nrw.de

Sachsen-Anhalt: http://www.polizei-web.sachsen-anhalt.de

Schleswig-Holstein: http://www.schleswig-holstein.de

Was soll der Blitzmarathon bezwecken?

Auto- und Motorradfahrer sollen für die Gefahr sensibilisiert werden, die von überhöhter Geschwindigkeit ausgeht. Schließlich ist dieses Vergehen bei tödlichen Verkehrsunfällen mit Abstand die Unfallursache Nummer eins. Bei etwa einem Viertel solcher Unglücke war dem Statistischen Bundesamt zufolge überhöhte Geschwindigkeit verantwortlich. Legt man Unfälle mit Personenschäden zugrunde, kommt zu hohes Tempo auf Platz vier der häufigsten Ursachen - knapp hinter Abbiege-Fehlern, Nichtbeachten der Vorfahrt und mangelndem Sicherheitsabstand.

Hat der Blitzmarathon einen positiven Effekt?

Rein statistisch betrachtet: nein. Seit Oktober 2013 fand der Blitzmarathon zweimal deutschlandweit statt, im vergangenen Jahr wurde er auf halb Europa ausgeweitet. Trotzdem steigen die Zahlen der Verkehrstoten seit zwei Jahren wieder an. 2015 starben auf deutschen Straßen 3475 Menschen - 98 mehr als im Jahr zuvor und sogar 136 mehr als 2013, als die Statistik den niedrigsten Stand seit 1950 erreichte. Die Zahl der im Straßenverkehr Verletzten wuchs 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 Prozent auf etwa 393 700. Und der Trend ist nicht auf Deutschland beschränkt. EU-weit starben 2015 wieder mehr Menschen im Straßenverkehr: 26 000 statt 25 700.

Auch Verkehrspsychologen halten den Blitzmarathon für wenig hilfreich, notorische Verkehrssünder zu bekehren. Mit einer solchen konzertierten Aktion würde man sie nicht erreichen. Da helfe nur ständiger Kontrolldruck, der aber nicht aufrechtzuerhalten sei.

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Was halten die Automobilclubs vom Blitzmarathon?

Der ADAC unterstützt die Aktion: "Der Blitzmarathon kann einen Beitrag leisten, den Verkehrsteilnehmern die Gefahren durch zu schnelles Fahren bewusst zu machen", heißt es in einer Mitteilung. Der Autofahrerclub sieht vor allem die umfassende Medienberichterstattung als Vorteil und hält die Praxis, die Kontrollstellen vorab bekanntzugeben, für fair. Allerdings sollten die Geschwindigkeitskontrollen auf notorische Raser abzielen, nicht auf Berufspendler, die das erlaubte Tempo nur geringfügig überschritten. "Dazu muss vorrangig nachts, an Wochenenden und auf Motorradstrecken kontrolliert werden", heißt es beim ADAC.

Auch der Auto-Club Europa (ACE) hält den Blitzmarathon für ein "begründetes und wirksames Mittel der polizeilichen Verkehrsüberwachung". Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) findet dagegen wenig Gefallen an der Aktion. "Wenn der Blitzmarathon Aufmerksamkeit schafft für die Themen Sicherheit, Rücksichtsnahme und Miteinander im Verkehr, dann ist das gut", sagt ein Sprecher. Was man aber eigentlich bräuchte, seien regelmäßige Kontrollen vor allem an Unfallschwerpunkten, nicht nur eine PR-Aktion im Halbjahres-Rhythmus.

Wie fällt die Bilanz des Blitzmarathons 2015 aus?

In ganz Deutschland kontrollierten im vergangenen Jahr etwa 13 000 Polizisten und kommunale Mitarbeiter Auto- und Motorradfahrer an ungefähr 7000 Messstellen. Bei gut 3,2 Millionen Fahrzeugen wurde das Tempo gemessen, mehr als 91 000 waren zu schnell unterwegs. Das entspricht einer Quote von 2,8 Prozent. Am schlechtesten schnitt damals das Saarland ab, wo sechs Prozent der Fahrer zu rasant fuhren. Die Hamburger (0,5 Prozent) hielten sich geradezu vorbildlich an die Tempolimits. Mit 2,1 Prozent hatte Thüringen bei den Flächenländern die kleinste Tempoverstoß-Quote.

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