Alles mit allem vernetzt: Die schöne neue Datenwelt zeigt erste Schwachstellen, bevor das neue 5G-Funknetz richtig ausgerollt ist. In der Theorie sollen mobile Nutzer überall und nahezu in Echtzeit auf maximale Rechenkapazitäten in der Cloud zugreifen können. Dafür sind kleinere Funkzellen beziehungsweise mehr ortsfeste Übertragungseinrichtungen nötig: Basisstationen samt Antennen verbinden den drahtlosen Datenstrom mit dem Glasfasernetz. Im Prinzip kein Problem, denn die Sende- und Empfangselektronik einer 5G-Basisstation passt in jeden Schuhkarton. Dort kann es allerdings so heiß wie in einem Verbrennungsmotor werden, wenn die Nutzer auf der Datenautobahn richtig Gas geben.
Damit die Computer Temperaturen von 800 Grad Celsius aushalten, müssen die Mikro-Chips auf Basis von Gallium statt Silizium produziert werden. Das bläuliche Metall kommt allerdings zu mehr als 95 Prozent aus China. Und da stehen momentan (auch coronabedingt) einige Rohstoffschmelzen still. Das gilt auch für Silizium, deshalb stockt die gesamte hochkomplexe Lieferkette weltweit.
An sich sind Computerchips keine Mangelware, aber die hochspezialisierte Produktion lässt sich nicht so einfach hochfahren. Jeder Halbleiter ist ein Mikrokosmos für sich, der in Hunderten von Arbeitsschritten bei wenigen Zulieferern rund um den Globus entsteht. Die entsprechenden Fabriken kosten Milliarden und lassen sich nicht so schnell aus dem Boden stampfen wie Autowerke. Das bekommen jetzt viele Autohersteller zu spüren.
Weil die kleinen Großrechner mit Vorlaufzeiten von drei bis vier Monaten bestellt werden müssen, stehen derzeit bei Daimler, Nissan, Toyota und VW viele Bänder immer wieder still. Die Hersteller hatten im ersten Lockdown ihre Fabriken schließen müssen und entsprechend den Nachschub storniert. Gleichzeitig sind Unterhaltungselektronik, Medizintechnik und Großrechner für die Cloud in der Krise stark nachgefragt. Deshalb haben die Chip-Hersteller ihre Produktion teilweise umgestellt. Die Autokonjunktur in China ist jedoch schneller wieder angesprungen als erwartet - was jetzt zu Engpässen führt.
Sensoren an den Straßen
Die schnellen Entwicklungszyklen der Computer-Branche geben ohnehin den Takt in der Autoindustrie vor. Moderne Infotainmentsysteme sind tausendmal so rechenstark wie ihre Vorgänger vor zehn Jahren. Dieser digitale Wandel wird sich mit 5G weiter beschleunigen, denn immer mehr Funktionen werden aus dem Auto in die Cloud verlagert. BMW nimmt für sich in Anspruch, Trendsetter der schnellen Vernetzung zu sein. Wenn Mitte 2021 das BMW-iX-Modell eingeführt wird, soll es erstmals über eine vollständig 5G-fähige Technologie verfügen. Eine spezielle SIM-Karte in der Bordnetzarchitektur stellt die Highspeed-Vernetzung auch ohne ein entsprechend ausgerüstetes Smartphone sicher.
Hoch vernetzte Fahrzeuge können sich nicht nur untereinander warnen, sondern auch mit Fußgängern (mit Smartphones oder Smartwatches) oder der Infrastruktur in Form von Ampeln oder Baustellen(-fahrzeugen) ad hoc kommunizieren. Dadurch werden der Verkehrsfluss verbessert und Staus vermieden. Der künftige Markt für solche Innovationen ist riesig, deshalb haben auch die großen Tech-Unternehmen Interesse an einem offenen Funkstandard. Dieser ist zudem eine Grundvoraussetzung für das hoch automatisierte Fahren. Denn die ausgetauschte Datenmenge wächst mit den Fähigkeiten des eingebauten Chauffeurs. Anders gesagt: Je mehr vernetzte Sensoren an den Straßen stehen, desto früher können die Fahrer auch in der Stadt das Lenkrad loslassen.