Parteitag in Leipzig:"Das Gesamtbild der CDU ist eher prekär"

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CDU-Führungsduo: Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Generalsekretär Paul Ziemiak (Foto: REUTERS)

Politologe Thorsten Faas erklärt, wieso CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer die maue Stimmung in ihrer Partei nur schwer drehen kann - und warum die Chance groß ist, dass Kanzlerin Merkel noch bis 2021 amtiert.

Interview von Oliver Das Gupta

Thorsten Faas, Jahrgang 1975, ist Wahlforscher und Professor für "Politische Soziologie der Bundesrepublik Deutschland" an der FU Berlin. Bei Phoenix diskutiert Faas alle zwei Wochen im Podcast "unter 3".

SZ: Herr Faas, die CDU feiert auf dem Leipziger Parteitag die friedliche Revolution in der DDR, die in der deutschen Einheit mündete. In einem Satz: Wie geht es der Partei von Konrad Adenauer und Helmut Kohl 30 Jahre nach dem Mauerfall?

Thorsten Faas: Das Gesamtbild der CDU ist derzeit alles andere als stabil, eher prekär.

Schauen wir uns das genauer an. Seit Monaten schwelen CDU-intern Streitereien. Die Führungsfrage, die gleichzeitig eine Kanzlerfrage ist, wird immer lauter gestellt. Kann die Partei überhaupt zur Ruhe kommen, solange nicht geklärt ist, wer Angela Merkel nachfolgt?

Schwerlich. Wir erleben derzeit, dass das alte Diktum Merkels sich als richtig herausstellt, wonach Parteivorsitz und Kanzlerschaft in eine Hand gehören. Derzeit besteht zwischen beiden eine natürliche Konkurrenz, zwischen Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer, was Sichtbarkeit betrifft. Zugleich ist AKK innerparteilich alles andere als unumstritten. Sie steht parteiintern massiv unter Druck, nicht zuletzt auch wegen der desaströsen Umfragewerte, die - was ihre persönliche Werte betrifft - eindeutig nach unten gehen.

In den vergangenen Monaten rangiert die CDU/CSU stabil unter 30 Prozent.

Und damit viele Prozentpunkte unter dem, was die Partei für selbstverständlich hält. Was oft vergessen wird: Auch nach der Flüchtlingssituation von 2015, noch kurz vor der Bundestagswahl 2017, lagen CDU/CSU teilweise noch bei etwa 40 Prozent. Danach ging es abwärts, die Groko geriet in schwieriges Fahrwasser. Es ist schwer vorstellbar, dass man diesen Trend einfach so mal schnell umkehrt und ein positives Momentum erzeugt. Das erlebt die SPD schon länger, aber jetzt massiv eben auch die Union. Die Groko tut beiden Parteien gerade nicht gut - einerseits will man sich profilieren, muss sich aber dann immer wieder mühsam zusammenraufen.

Die CDU-Spitze um Kramp-Karrenbauer und Generalsekretär Paul Ziemiak versucht vor dem Parteitag, die Querelen nicht zu laut werden zu lassen. Ist es in einer solchen Lage ratsam, parteiinterne Debatten wie etwa um die Frauenquote und die Grundrente niederzuhalten?

Das zeigt zumindest, wie schwierig es für die Parteispitze gerade ist, die Situation unter Kontrolle zu halten ist. Gerade die Causa Frauenquote ist besonders heikel für Kramp-Karrenbauer, weil es die Frauen waren, die ihr den Sieg über Merz letztlich beschert haben. Eine möglichst reibungslose Choreografie des Parteitages wird soweit irgendwie möglich geplant, damit die Vorsitzende nicht noch weiter geschwächt wird. Der mediale Frame ist ja ohnehin schon: Kommt AKK da halbwegs ohne Blessuren durch? Oder unterlaufen ihr weitere unglückliche Formulierungen, vielleicht sogar Missgeschicke? Trotzdem scheint die Stimmung derzeit so, dass sich irgendwo auf dem Parteitag wohl ein Ventil finden wird, durch das sich der parteiinterne Unmut seinen Weg bahnt. Die spannende Frage wird sein, wie wichtig dieses Ventil und wie groß und gravierend der Unmut sein werden.

Seit Beginn der aktuellen schwarz-roten Koalition wird über deren Bruch spekuliert. Sehen Sie das Ende nahen?

Neuwahlen sind derzeit für niemanden wirklich attraktiv. Gleichzeitig ist allerdings auch nicht zu erkennen, wie sich das Bild der GroKo und die Umfragewerte der Groko-Parteien kurzfristig ändern könnten. Ihr Image ist einfach sehr, sehr schlecht - und das trotz einer ja eigentlich akzeptablen Bilanz.

Wäre die CDU momentan überhaupt kampagnenfähig?

Käme es zu Neuwahlen, müsste sie äußerst schnell schwierige Entscheidungen treffen, allen voran die Frage der Kanzlerkandidatur samt eines Verfahrens dafür. Breite Beteiligung ist dafür kein Allheilmittel, das haben wir ja auf dem Hamburger Parteitag erlebt, als Kramp-Karrenbauer die Wahl zum Parteivorsitz gewann. Damals gab es auch einen partizipativen Prozess, von dem man dachte, er nimmt die Partei als Ganzes dauerhaft mit. Durch die breite Beteiligung der Basis wurden allerdings auch Friktionen sehr deutlich. Der bei der Wahl um den Parteivorsitz unterlegene Friedrich Merz hat mit seiner Weigerung, sich einbinden zu lassen, das Seinige zur Verstetigung dieser Risse beigetragen.

Wenn weder Union noch SPD Interesse an Neuwahlen haben, dann hat Angela Merkel demnach gute Chancen, bis 2021 zu amtieren.

Natürlich muss man die Entscheidung der SPD-Mitglieder zum Parteivorsitz abwarten. Mit Walter-Borjans und vor allem Esken an der Spitze kann es ganz schnell ganz schwierig für die Groko werden, da seitens dieses Duos schon harte Bedingungen formuliert wurden. Aber in der Gesamtschau kann man schon feststellen: Mangels Alternativen scheint - Stand heute - ein Fortbestand der großen Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode sehr wahrscheinlich zu sein.

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