Tarifkonflikt bei der Bahn:Absurder Streik, absurde Argumente

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Die Lokomotivführer streiken - und wecken böse Erinnerungen an den Tarifstreit 2007/08. Diesmal laufen sie aber Gefahr, die Sache zu überreizen. Ihr Streik ist aus vielen Gründen überhaupt nicht nachvollziehbar.

Daniela Kuhr

Kaum sind die Schlagzeilen über das Winterchaos bei der Bahn verschwunden, taucht das nächste Problem auf: Warnstreiks. Am Dienstagmorgen ging auf diversen Strecken zeitweise nichts mehr. Die Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GDL) hatte bei der Deutschen Bahn (DB) und mehreren Konkurrenten zu Streiks aufgerufen. Weitere Arbeitsniederlegungen sollen folgen.

Am Dienstagmorgen streikten die Lokomotivführer zwei Stunden lang. (Foto: dapd)

Es werden schlechte Erinnerungen wach an den Tarifstreit 2007/2008. Genau wie jetzt hatte die Bahn sich damals mit den großen Gewerkschaften bereits auf moderate Lohnerhöhungen für die Mitarbeiter geeinigt. Die Lokomotivführer aber sperrten sich, forderten ihren eigenen Tarifvertrag - und veranstalteten in den folgenden Monaten unzählige Streiks. Mal legten sie den Personenverkehr lahm, mal den Güterverkehr. Sollten sie das jetzt wieder planen, stünde nicht nur Pendlern, sondern auch der Wirtschaft ein heißes Frühjahr bevor.

Es gibt jedoch eine winzige Hoffnung, dass die GDL es diesmal nicht so weit treibt. Diese Hoffnung heißt "Vernunft". Denn anders als vor drei Jahren ist der jetzige Streik in keiner Weise nachvollziehbar. Im Gegenteil, er ist sogar absurd und geradezu gefährlich für die GDL. Damals hatten die Lokomotivführer ihre Forderung nach einem eigenen Tarifvertrag unter anderem damit begründet, dass ihre Ausbildung anspruchsvoller und ihr Job verantwortungsvoller sei als der von anderen Bahnmitarbeitern. Dafür hatte die Öffentlichkeit durchaus Verständnis.

Auch die Bahn zweifelt den Tarifvertrag heute nicht mehr an. Und das, obwohl die GDL ihren eigenen Argumenten zuletzt jede Grundlage entzogen hatte. Denn es war diese Gewerkschaft, die nach dem Zugunglück von Hordorf, bei dem im Januar zehn Menschen ums Leben kamen, die Schuld sofort der Bahn gab und forderte, Bahnstrecken müssten technisch so ausgerüstet sein, dass Lokführer gefahrlos zwei Haltesignale ignorieren könnten. Wer so argumentiert, kann schwerlich noch behaupten, Lokomotivführer sei ein anspruchsvoller Job.

Doch es ist ein anderer Grund, weshalb die Streiks diesmal nicht nachvollziehbar sind. 2007 wollten die Lokomotivführer erreichen, dass die Bahn mit ihnen einen speziellen Tarifvertrag abschließt. Diesmal aber will die GDL etwas anderes: Alle Bahnunternehmen, also nicht nur die DB, sondern auch ihre Konkurrenten, sollen sich im Nah-, Fern- und Güterverkehr auf einheitliche Lohn- und Arbeitsstandards für die Lokführer einigen.

Was die Sache absurd macht: Auch die DB ist dafür zu haben - entsprechen die Standards doch weitgehend dem, was sie ihren Lokführern ohnehin bereits bezahlt oder doch zu zahlen bereit wäre. Es sind also vorrangig die Konkurrenten, die diesmal durch die Streiks zum Einlenken gebracht werden sollen. Weil die aber längst nicht so viele Kunden haben wie die Bahn und die Arbeitsniederlegungen damit womöglich nicht die erhoffte Aufmerksamkeit bekämen, bestreikt die GDL nun eben auch die DB. Es muss niemandem peinlich sein, wenn er da nicht mehr mitkommt.

Ist ein Gesetz nötig?

Dabei sind die Streiks zudem auch noch heikel für die GDL. Sie könnten gerade eingeschlafene Hunde wieder wecken. Seit das Bundesarbeitsgericht im Juni ausdrücklich mehrere Tarifverträge innerhalb eines Betriebs zugelassen hat, diskutiert die Fachwelt, ob ein Gesetz nötig ist, um Chaos zu vermeiden. Noch ist man in der Regierung nicht restlos überzeugt, dass es tatsächlich einer Regelung bedarf. Diese Streiks jetzt aber könnten Zweifel zur Gewissheit werden lassen. Dann würde es eng für kleine Gewerkschaften wie die GDL. Es ist nicht erklärlich, wieso sie diese Gefahr ignoriert.

Wenn nicht bald Vernunft einkehrt, können die Lokführer nur auf eines hoffen: Dass niemand versteht, worum es bei diesen Tarifgesprächen genau geht. Wer es versteht, dem muss jedes Verständnis für die Streiks fehlen.

© SZ vom 23.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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