SPD-Kanzlerkandidat:Martin Schulz fordert höhere Löhne

SPD-Vorstandsklausur - Pressekonferenz

Martin Schulz ist das neue Gesicht der SPD. Die Umfragewerte der Partei legten zuletzt deutlich zu.

(Foto: dpa)
  • Die SPD leidet noch immer unter dem Imageschaden der Agenda-Reformen. Viele Wähler sind enttäuscht von der Partei.
  • Der designierte Kanzlerkandidat Martin Schulz versucht nun, die Beliebtheit der Partei zu steigern - mit einer Forderung nach höheren Löhnen.

Von Jan Schmidbauer

Gerechtigkeit, immer wieder Gerechtigkeit. Wohl kein anderes Wort benutzt der designierte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz so häufig, wenn er für seine Politik wirbt. Doch was heißt das überhaupt, Gerechtigkeit? In einem Interview wird Schulz nun konkreter. Geht es nach ihm, sollen die Löhne der Deutschen deutlich steigen. "Wir haben erheblichen Nachholbedarf bei den Einkommen", sagte Schulz der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ). Unternehmen hätten in der Vergangenheit hohe Gewinne erzielt. Diese wären deutlich stärker gewachsen als die Löhne der Arbeitnehmer. Und das, obwohl diese doch die hohen Gewinne der Konzerne erarbeiten würden.

Höhere Löhne - eine naheliegende Forderung für einen SPD-Kanzlerkandidaten. Doch die Äußerung macht deutlich, wie sehr Schulz versucht, für einen Neuanfang der Partei zu stehen. Die SPD kämpft immer noch mit einem schlechten Ruf bei vielen Arbeitnehmern. Der Grund ist die Agenda 2010. Altkanzler Gerhard Schröder hatte die Arbeitsmarktreformen im Jahr 2003 angestoßen. Damals rief die SPD-Spitze nicht nach höheren Löhnen, sondern nach Wettbewerbsfähigkeit. Die Agenda-Politik gilt bei vielen Ökonomen als Erfolg. Die Arbeitslosigkeit hat sich seitdem deutlich verringert, die Wirtschaft wächst.

Die andere Wahrheit ist: Nicht jeder hat von den Reformen profitiert. Für viele Menschen waren sie schmerzlich. Die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe mit weiten Teilen der Sozialhilfe brachte auch harte finanzielle Einschitte mit sich. Außerdem entstanden durch die Reformen deutlich mehr Jobs im Niedriglohnsektor. Viele Wähler haben das der Sozialdemokratischen Partei, die sich stets als Vertreter der einfachen Leute präsentiert hat, bis heute nicht verziehen. Daran haben auch die SPD-Erfolge in der großen Koalition nicht viel geändert. Und dazu gehört immerhin die historische Einführung des Mindestlohns.

Der langjährige Parteivorsitzende Sigmar Gabriel stand für viele potenzielle Wähler noch für die Agenda-SPD. Sein Nachfolger Martin Schulz versucht nun das Comeback als Arbeiterpartei. In seiner ersten Woche als neues Gesicht der SPD hat er sich die Konzerne vorgenommen. Er verspricht strengere Gesetze gegen Konzerne wie Apple oder Starbucks, die Gewinne in Steueroasen verschieben. Er wettert gegen die Millionen, die etwa Ex-VW-Chef Winterkorn trotz des für den Konzern verheerenden Abgasskandals bekommt.

Zuletzt sind die Löhne deutlich gestiegen

Eine genauere Betrachtung der Lohnstatistik zeigt allerdings: Die Löhne sind seit 2010 durchaus gestiegen (PDF). Besonders in den vergangenen drei Jahren profitierten viele Arbeitnehmer von hohen Tarifabschlüssen. Nach Angaben der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hatten sie im Jahr 2016 effektiv 1,9 Prozent mehr Geld zur Verfügung (PDF). Davor gab es jedoch viele schlechte Jahre.

1992 stiegen die Löhne zuletzt um mehr als zwei Prozent, wenn man die steigenden Preise berücksichtigt und herausrechnet. In den Jahren danach dümpelten die Einkommen vieler Menschen nur vor sich hin. Und vom Beginn der Agenda-Politik im Jahr 2003 bis zur Finanzkrise 2008 sind die Löhne sogar gefallen. Die Menschen konnten sich also immer weniger leisten. Viele Arbeitnehmer haben daher das Gefühl, dass es bei den Löhnen noch Nachholbedarf gibt.

Die Lohndebatte könnte daher ein aussichtsreiches Wahlkampfthema für die Partei werden. Wenn Schulz Kanzler werden möchte, muss die SPD auch die vielen Wähler mobilisieren, die ihr in den vergangenen Jahren abhandengekommen sind. Darunter die Gegner der Agenda 2010.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: