SPD:Schulz hat, was Merkel fehlt

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Überschwang, Feuer, Begeisterung - das sind die Gaben des Martin Schulz. Der Kanzlerkandidat der SPD ist ein Mann mitten aus dem Leben, ein Populist im besten Sinne.

Kommentar von Heribert Prantl

Martin Schulz ist ein Populist. Das ist nichts Schlimmes. Im Gegenteil: Schulz ist ein demokratischer Populist. Er kann sich und andere schwindlig reden, wenn es um Gerechtigkeit und Europa, um die Grundwerte und die Bürgerrechte geht. Er kann sehr populär predigen, sodass ihn die Leute verstehen und spüren, dass Leidenschaft in ihm steckt.

Nicht das Wort Populismus ist nämlich schlecht - das Wort also, mit dem sich die sogenannten Rechtspopulisten schmückend tarnen und mit dem sie sich gern tarnen lassen. Schlecht ist das, was sich hinter dieser Tarnung verbirgt: Nationalismus, Ausgrenzung und Ausländerfeindlichkeit. Es ist nicht der Populismus, der die Gesellschaft kaputt macht, sondern ein populistischer Extremismus. Einer wie Schulz ist gut geeignet, dagegen anzutreten.

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Schulz hat das, was Angela Merkel fehlt: Er hat den Überschwang, das Feuer, die Begeisterung. Schulz ist einer, der die Emotionen nicht den Extremisten überlässt. Ein guter Politiker ist nicht selten auch ein guter Populist, weil er seine Politik populär vortragen muss. Ein demokratischer Populist appelliert an Kopf und Herz, ein populistischer Extremist an niedrige Instinkte. Das ist der Unterschied; und an der Person von Schulz kann man diesen Unterschied gut studieren. Die AfD hat sich daher zu früh über dessen Nominierung zum Kanzlerkandidaten der SPD gefreut. Die AfD hat darüber gefeixt, dass da angeblich ein EU-Bürokrat gekürt wird. Diese Kritik wird nicht verfangen, weil in diesem Martin Schulz keiner den Bürokraten wiederfindet. Die Leidenschaft, wie sie zu diesem Mann gehört, ist ganz und gar unbürokratisch.

Schulz ist kein Habermas, wird aber den Wahlkampf gut führen

Seine erste Rede als SPD-Kanzlerkandidat und als designierter neuer SPD-Vorsitzender war nun nicht so, dass man in Begeisterung verfallen müsste - so wie das einst bei August Bebel üblich war. Dieser Ahnherr der Sozialdemokratie, ein glänzender Parlamentarier zu Kaisers Zeiten, war ein so glühender Redner, dass die ergriffenen Zuhörer den Hut vom Kopf nahmen und ehrfürchtig Spalier standen, wenn er nach vier, fünf Stunden Rede und Diskussion aus dem Saal hinaus schritt. Wer auf Bebels Spuren wandelt (und das tun heute auch die SPDler nicht mehr so oft), der entdeckt einen ehrsamen, geradlinigen, gut organisierten Charismatiker. Es wäre nicht schlecht, wenn davon in einem heutigen SPD-Chef wieder etwas aufblitzt.

Sigmar Gabriel hatte zwar eine Bebel'sche Rednergabe, aber ihm fehlte die Glaubwürdigkeit, die aus dem guten Redner einen unumstrittenen Parteichef macht. Bei Schulz könnte das besser klappen. Er ist zwar, das zeigt seine erste Rede nach der Nominierung, nicht gerade ein Jürgen Habermas. Aber er kann die sozialdemokratische Orgel behände schlagen; und er beherrscht das Registerwerk so, dass es braust. Am Sonntag war das noch kein großes Orgeln, es war gute Routine.

Kurt Schumacher, der erste SPD-Vorsitzende nach dem Zweiten Weltkrieg, Gegenspieler Konrad Adenauers und einer der Gründerväter der Bundesrepublik, hat einmal gesagt, man könne dem Leben nicht mit dem Dogma befehlen; man müsse seine Lehren aus dem Leben nehmen. Das nun kann dieser Martin Schulz, der neue erste Mann der SPD, ziemlich gut. Er erzählt gern aus seinem Leben, von seinem Wesen und Werden in der Provinz - und was er daraus für die Politik schöpft.

Schulz ist kein Theoretisierer, er mag das "Gekeife um bloße Schemata" so wenig wie einst Kurt Schumacher. Schulz ist auch kein Programmatiker; so einer muss man aber bei der SPD zumindest ein wenig sein. Einen Wahlkampf wird Schulz mit seinen Gaben wunderbar bestreiten können. Und dann wird man sehen. Das heißt: Das Ja steht vor dem Aber.

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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