Opel: Nach der Entscheidung:Gegenverkehr auf der Paradestrecke

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Kanzlerin Merkel feiert den Verkauf von Opel an Magna als Erfolg. Doch was muss in den kommenden Wochen für Opel noch getan werden?

K.-H. Büschemann

Das war heftig. Gerade hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor den Fernsehkameras gezeigt, wie es sie freut, dass der deutsche Autohersteller Opel an den österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna und dessen russische Verbündete verkauft werden soll, da verdarb Manfred Wennemer die Stimmung in Berlin. Der frühere Continental-Chef fand derart kritische Worte für den Verkauf, dass der Eindruck entstand, hier sei nicht ein großartiges Geschäft, sondern eine große Dummheit ausgeheckt worden.

Magna hat sich im Kampf um Opel durchgesetzt - doch durch ist der Deal noch nicht. (Foto: Foto: AFP)

Wennemer war bei Continental als Manager bekannt, der vor Konflikten keine Angst hat. Er bezweifelt, dass Opel im Verbund mit Magna, dem maroden russischen Autohersteller Gaz und der Moskauer Staatsbank Sberbank wettbewerbsfähig werden könnte. Die bisherige General Motors-Tochter produziere mit den erwarteten 1,5 Millionen Autos im Jahr 2012 "viel zu wenig, um effizient zu sein". Er habe, so schimpfte Wennemer weiter, "großen Zweifel, ob die Blütenträume in Russland wirklich aufgehen werden". Opel werde in ein paar Jahren schwächer dastehen im Wettbewerb, erklärte der Manager. Mit seinen jetzigen Plänen sei Opel auf geradem Weg in die Insolvenz. Da die bisherige Muttergesellschaft GM nicht bereit sei, auf Lizenzzahlungen für Technologie zu verzichten, liege das gesamte Risiko beim Steuerzahler. "Ich frage mich, wie ein solches Unternehmen überleben soll."

Ein Schlag für Merkel

Das war ein ganz besonderer Schlag für die Kanzlerin. Denn Wennemer sitzt als Vertreter der Bundesregierung in der Treuhandgesellschaft, die darüber zu entscheiden hat, an wen Opel verkauft wird. Dass der Verkauf an Magna und die russischen Konsorten dennoch beschlossen wurde, lag nur daran, dass der Vertreter der Bundesländer in dem Gremium, der Frankfurter Insolvenzverwalter Dirk Pfeil, nicht dagegen stimmte, sondern sich der Stimme enthielt. Obwohl Pfeil ebenfalls Einwände gegen die Verbindung hat.

Die Abstimmung war eine Panne für die Bundesregierung. Kanzleramt und Wirtschaftsministerium hatten sich im Frühjahr bei der Gründung der Treuhand-Gesellschaft darauf geeinigt, zwei ausgewiesene und unabhängige Experten für Krisenunternehmen in das Gremium zu entsenden. Die Fachleute sollten verhindern, dass deutsches Steuergeld zu GM nach Amerika fließt. Immerhin hat die Bundesregierung zugesagt, das neue Unternehmen mit 4,5 Milliarden Euro zu unterstützen. Die beiden Posten mit folgsamen Beamten zu besetzen, galt in Berlin als zu auffällig.

Doch wegen der Kritik von Wennemer und Pfeil richten sich am Tag nach dem Durchbruch die Blicke besonders auf die Schwachpunkte der Abmachung. "Ich halte das Vorhaben für ein gewaltiges Risiko", sagt ein deutscher Spitzenmanager aus der Autoindustrie. Die Erwartungen an den russischen Automarkt seien viel zu hoch. Willi Diez, Professor für Automobilwirtschaft in Nürtingen-Geislingen, rechnet vor, Opel müsse den Absatz von 1,5 Millionen Fahrzeugen jährlich auf etwa drei Millionen verdoppeln. Da das Autogeschäft in Russland aber in diesem Jahr um die Hälfte zurückgegangen sei, werde es "sicher einige Jahre dauern, bis der russische Markt das Volumen hat, von dem Opel echt profitieren kann."

Geradezu gestelzt äußerte sich der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft über die Abmachung zwischen GM und Magna. Die Verbindung sei ein "wichtiger Beitrag zu den deutsch-russischen Beziehungen". Die Zusammenarbeit könnte der russischen Wirtschaft einen "wichtigen Modernisierungsschub bringen", erklärte der Vorsitzende des Ostausschusses Klaus Mangold.

Dann aber ist es vorbei mit dem Lob, die weitere Erklärung klingt wie diplomatisch formulierte Kritik. "Die konkreten Auswirkungen der Opel-Vereinbarung auf den deutschen und russischen Automarkt können allerdings nicht abgeschätzt werden." Auf alle Beteiligten warte "noch ein großes Stück Arbeit". Begeisterung klingt anders. Auch dass German Gref, der Chef der Sberbank, das Magna-Geschäft wegen seiner Risiken nur mit Vorsicht und offenbar auf Geheiß seiner Regierung angeht, ist in der deutschen Industrie Anlass zur Skepsis. Gref hatte sich in Berlin sogar in aller Öffentlichkeit kritisch über den GM-Plan geäußert.

Aber nicht nur für Opel oder die Bundesregierung ist die Abmachung mit Magna riskant. Auch für den Zulieferer selbst steckt das Geschäft voller Tücken. In der deutschen Wirtschaft gibt es erheblichen Widerstand gegen die Magna-Pläne. "Das halten viele für einen großen Blödsinn", sagt ein deutscher Verbandsmann. Die deutschen Autohersteller sehen es mit Misstrauen, dass ihr Zulieferer Magna sich durch Opel zum Konkurrenten mausert.

Nicht gern gesehen

Es gab auch schon offene Kritik vom Volkswagen-Konzern. Unternehmenschef Martin Winterkorn drohte bereits mit dem Entzug von Aufträgen. Wenn Volkswagen das Gefühl bekomme, dass Opel durch Magna bevorzugt werde, könne es sein, dass Magna keine neuen Aufträge mehr bekomme. "Wir beobachten das mit Argwohn". Auch im Daimler-Konzern, für den Magna unter anderem Geländewagen baut, soll es Vorbehalte gegen Magna geben.

Die Verwandlung eines Zulieferers in einen Konkurrenten wird in der Branche nicht gern gesehen, weil die Teilehersteller sehr früh im Vertrauen darüber informiert werden, was ein Autohersteller plant. Daher geht in der Branche die Sorge um, Opel könnte auf dunklen Wegen von den Plänen und Zukunftsprojekten anderer Konkurrenten erfahren. Deshalb habe es in der Automobil-Wirtschaft bereits viele Irritationen über Magna gegeben. Ein deutscher Automanager sagt dazu deutlich: "Wenn in der Autoindustrie einer die Grenze vom Lieferanten zum Hersteller überschreitet, bekommt er ein Problem."

© SZ vom 12./13.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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