Entscheidung in Detroit:GM gibt Opel frei - stellt aber Bedingungen

General Motors ist bereit, Opel an Magna abzugeben - doch gesichert ist der Deal noch lange nicht. Denn die Bedingungen für den Verkauf stellt Detroit. Für die Opel-Belegschaft bedeutet das vor allem: warten, warten, warten.

Zwei Tage hat in Detroit der Verwaltungsrat von General Motors (GM) getagt. Wichtigstes Thema: Was wird aus Opel? Und jetzt eine Überraschung: Entgegen den Mutmaßungen der letzten Tage wird der deutsche Autohersteller nun doch an Magna abgegeben.

Die Stimmung auf dem Podium im Berliner Radisson-Hotel, wo die Opel-Treuhandgesellschaft ihre Entscheidung erläutert, ist gelöst. "Wir haben nie gestritten", betont Treuhand-Chef Fred Irvin. Dennoch ist die Entscheidung im Beirat der Opel-Treuhand nicht einstimmig gefallen: Zwei Pro-Stimmen standen eine Enthaltung und eine Contra-Stimme gegenüber. Gegen den Magna-Deal hat der ehemalige Chef von Continental, Manfred Wennemer, gestimmt.

Das von den Bundesländern in die Opel-Treuhand entsandte Mitglied Dirk Pfeil hätte den Autobauer lieber an den Finanzinvestor RHJ verkauft und enthält sich daher der Stimme.

Die Hauptrollen spielen zunächst jedoch andere: Fred Irvin, der Chef der Opel-Treuhand, und GM-Vize und Verhandlungsführer John Smith. Der braun gebrannte Irvin scherzt: "So viele Damen und Herren von der Presse habe ich zuletzt bei einem Termin mit Arnold Schwarzenegger in Hannover gesehen." Dann loben Irwin und John Smith die "Loyalität" der Opel-Mitarbeiter in den vergangenen Wochen und Monaten: "Sie sind die wahren Helden in dieser Geschichte", sagt Irwin und Smith dankt ihnen für ihr Durchhaltevermögen.

"Wir werden weiterhin verhandeln"

Der Treuhand-Chef betont, die Entscheidung pro Magna sei allein "nach wirtschaftlichen Kriterien" gefallen - das gebiete der Treuhandvertrag. Smith sagt, Magnas "Betriebskultur" habe den Ausschlag gegeben. Wie der österreichisch-kanadische Konzern mit seinen Mitarbeitern umgehe, sei auch für Opel empfehlenswert. Die Einbindung der russischen Sberbank garantiere den Zugang zum russischen Markt, den Smith als "sehr groß" einschätzt.

Fest steht: GM wird 55 Prozent der Opel-Anteile Magna und die Sberbank abgeben. Weitere zehn Prozent an dem neuen Unternehmen soll die Belegschaft bekommen, General Motors selbst will demnach 35 Prozent an "New Opel" behalten. Einen Rückkauf schließt der US-Konzern aus. GM habe diese Option ursprünglich von Magna gefordert. Es sei aber nicht von großer Bedeutung, dieses zu erreichen. "Wir sind damit zufrieden, an Opel eine Minderheit zu halten", sagt GM-Vize Smith.

In trockenen Tüchern ist der Deal jedoch nicht. Der Vertrag mit dem Magna-Konsortium ist noch nicht unterschrieben. "Wir werden weiterhin verhandeln müssen", sagt Smith, der auch GM-Verhandlungsführer war.

An der Leine von General Motors

Eine der Bedingungen: Die deutschen Staatsgarantien über voraussichtlich 4,5 Milliarden Euro dürften nicht in Russland verwendet werden. "Die Mittel werden ausschließlich für New Opel verwendet. Investitionen in Russland sollten durch andere Finanzquellen finanziert werden", betont Treuhand-Chef Irwin. Die Verwendung der öffentlichen Mittel müsse in diesem Sinn von der Bundesregierung überwacht werden.

Zugleich fordert der US-Autokonzern von den Arbeitnehmervertretungen eine schriftliche Bestätigung, dass sie die "Vereinbarung mit den notwendigen Kostenanpassungen" unterstützen. Zudem müsse der Abschluss eines "definitiven Finanzierungspakets der Regierungen von Bund und Ländern" vorliegen, heißt es in einer GM-Mitteilung. Das Credo von Smith und Irwin: Die Entscheidung für den Verkauf von Opel bedeute noch nicht, dass das Unternehmen auch tatsächlich gerettet sei.

Sollte der Plan umgesetzt werden, entstünde damit ein Autokonzern, der weiterhin an der Leine der Amerikaner hängt. General Motors hat bereits deutlich, dass die Tochtergesellschaft weiter in die Abläufe des US-Unternehmens integriert bleibt. Der US-Konzern werde auch in Zukunft eng mit Opel und der britischen Tochter Vauxhall zusammenarbeiten. So soll Opel "weiterhin im globalen Produktentwicklungsverbund von GM integriert" bleiben. "Dies ermöglicht es allen Seiten, vom Austausch von Technologie- und Entwicklungskapazitäten zu profitieren", heißt es in einem Statement.

Im zweiten Teil: Warum die Mitarbeiter von Opel noch nicht durchatmen können - und warum der ehemalige Conti-Chef Wennemer gegen den Magna-Deal gestimmt hat.

"Beherrschbare Dinge"

Für die Mitarbeiter an den vier deutschen Opel-Standorten geht das bange Warten jedoch weiter. Zwar betont GM-Vize Smith, die vier Opel-Werke in Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern sollen weiter betrieben werden. Er sagt jedoch auch: "Das ist derzeit der Plan von Magna." Endgültige Sicherheit hört sich anders an. Gewissheit haben die Opelaner in Antwerpen. Dieses Werk soll geschlossen werden. Doch auch die Belgier wollen kämpfen und so bald wie möglich mit Magna sprechen. Die Regionalregierung von Flandern ist bereit, 300 Millionen Euro in die Erneuerung der Fabrik zu investieren, für weitere 200 Millionen Euro könne die Fabrik gekauft und wieder zurückvermietet werden.

Die deutschen Werke jedoch bleiben zunächst bestehen - und darüber ist Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz erleichtert. Der Arbeitnehmervertreter hat sogleich einen Sanierungsbeitrag der Arbeitnehmer im Volumen von insgesamt 1,65 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Die Belegschaft sei bereit, jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag als Einlage in das Unternehmen einzubringen.

Merkel: "Beherrschbare Dinge"

Bereits zwei Stunden steht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor der Presse und lobt die Entscheidung. Sie liege "auf der Linie dessen, was sich die Bundesregierung gewünscht hat". "Es hat sich gezeigt, dass sich die Geduld und Zielstrebigkeit der Bundesregierung ausgezahlt haben." Die Kanzlerin zeigt sich zuversichtlich, dass es sich bei den GM-Forderungen um "beherrschbare und verhandelbare Dinge" handele.

Zufrieden ist auch Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier. Der Einsatz habe sich gelohnt. Er sei froh darüber, dass diejenigen, die sich für eine Insolvenz ausgesprochen hätten, nicht die Oberhand gewonnen haben, sagt der SPD-Kanzlerkandidat bei einem Auftritt in Leipzig. Er sei von Anfang an überzeugt gewesen, dass es nicht hinnehmbar gewesen wäre, einen renommierten Automobilhersteller einfach vom Markt zu nehmen.

Am Nachmittag lässt auch ein glücklicher Jürgen Rüttgers verlauten, er begrüße die Entscheidung. Der Ministerpräsident des Opel-Landes Nordrhein-Westfalen sagte, dies sei eine gute Nachricht für die Mitarbeiter von Opel, für ihre Familien und für Nordrhein-Westfalen. An ein Scheitern der Gespräche in letzter Minute glaubt er nicht: "Es ist ein klarer Beschluss, den der Verwaltungsrat getroffen hat, so dass ich davon ausgehe, dass das jetzt in trockenen Tüchern ist."

Carl-Peter Forster, Europachef von GM, sagt in einem Statement, jetzt müssten "alle involvierten Gruppen - die Unternehmen, aber auch Politik und Treuhand" hart daran arbeiten, dass "diese Empfehlung mit Inhalten gefüllt wird und auch tatsächlich in einen unterschriftsreifen Vertrag mündet."

Es gibt jedoch auch Misstöne an diesem Donnerstag, und auch sie werden im Radisson-Hotel in Berlin laut. Denn der ehemalige Conti-Chef Manfred Wennemer, der als einziger gegen den Magna-Deal stimmte, stänkert lautstark gegen die Entscheidung. "Das ist keine Lösung, die Opel in ein wettbewerbsfähiges Unternehmen verwandelt", poltert er. Außerdem laste nun das gesamte Risiko auf den Schultern des deutschen Steuerzahlers. Auch über das neue Spitzenmodell Insignia, auf dem die Hoffnungen der Opelaner liegen, lästert Wennemer: Der Wagen habe noch keine Tests gewonnen. "Der VW Passat gewinnt Tests, Mercedes gewinnt Tests" - keine lobenden Worte für den deutschen Traditionskonzern.

Alarmstimmung bei Vauxhall

Auch in den anderen EU-Ländern regt sich Unmut - vor allem in Großbritannien. Denn die Belegschaft des britischen Opel-Schwesterunternehmens Vauxhall fürchtet, bei einer Sanierung durch den GM-Europe-Käufer Magna ins Hintertreffen zu geraten. Es müsse verhindert werden, dass britische Mitarbeiter und Werke bei der anstehenden Restrukturierung benachteiligt werden, ist von der britischen Gewerkschaft Unite zu hören. "Wir erwarten, dass eine finanzielle Unterstützung der britischen Regierung für Magna von den Arbeitsplatz- und Standortgarantien abhängig ist, die die Firma gegeben hat."

Die britische Regierung ist zurückhaltend. Magna habe zwar zugesichert, die englischen Fabriken in Luton und Ellesmere Port weiterzubetreiben, betont Wirtschaftsstaatsminister Pat McFadden im Sender BBC. Es gebe aber keine zeitlichen Zusagen. Die Regierung wolle dies mit Opels künftigem Hauptbesitzer klären. "Wir wollen sicherstellen, dass die Produktion erstmal weiterläuft." Für den Erhalt der europäischen Opel-Werke gebe es "staatliche Hilfe der britischen und anderer Regierungen", betont McFadden. Es sei noch zu früh, zu sagen, "welches Werk überlebt".

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