Opel: Armin Schild:"Die Wut ist unbeschreiblich"

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IG-Metall-Bezirkschef und Opel-Aufsichtsrat Schild über den Zorn der Arbeitnehmer, das moderne Hase-und-Igel-Wettrennen - und warum die Detroit-Entscheidung nichts mit Moral zu tun hat.

Melanie Ahlemeier

Armin Schild ist IG-Metall-Bezirkschef in Frankfurt am Main und zugleich Mitglied im Opel-Aufsichtsrat. Seine Organsiation begleitet die Opel-Werke in Kaiserslautern, Rüsselsheim und Eisenach und ist verantwortlich für die vier Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen.

GM gibt Opel nicht frei, jetzt droht ein massives Sparprogramm. (Foto: Foto: Getty)

sueddeutsche.de: Herr Schild, Opel bleibt bei GM - wie groß ist die Wut der Mitarbeiter?

Armin Schild: Die Wut ist unbeschreiblich. Sie waren bereit, mit erheblichen Arbeitnehmerbeiträgen für die Zukunft des Unternehmens und für die Bewältigung der Fehler des GM-Managements geradezustehen und bekommen jetzt nach einem Jahr mitgeteilt, dass es im Prinzip keine Entscheidung gibt. Das ist für die Menschen brüskierend, ich kann die Wut gut verstehen.

sueddeutsche.de: Es gibt eine Entscheidung gegen Magna, die Folge: GM wird Opel selbst sanieren. Der Jobabbau dürfte radikaler ausfallen als bei Magna. Womit rechnen Sie?

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Schild: GM wird sagen, dass einige europäische Standorte geschlossen werden müssen. Es wird ein Hase-und-Igel-Wettrennen der Landes- und- Provinzregierungen der jeweiligen Standorte versucht werden zu inszenieren. GM wird schauen, wer das Meiste gibt, der bekommt die wenigsten Schmerzen. Das werden wir versuchen zu durchkreuzen, deshalb gibt es jetzt auch kein Verhandlungssignal an GM.

sueddeutsche.de: Was ist mit der Politik?

Schild: Auch die europäische Politik, die Bundesregierung und die betroffenen Bundesländer müssen zusammenarbeiten. Denn eines muss klar sein: Es gibt weder Arbeitnehmergeld noch Steuergeld für das Schließen von Werken und für den Abbau von Arbeitsplätzen.

sueddeutsche.de: An "New Opel" hätten die Mitarbeiter zehn Prozent der Anteile halten sollen. Ist der Plan, Arbeitnehmer zu Kapitalisten zu machen, gescheitert?

Schild: Wir wollten die Mitsprache der Arbeitnehmer erhöhen, das wäre bei einem Wechsel von "Old Opel" zu "New Opel" am besten möglich gewesen. Ich gehe davon aus, dass GM nicht bereit ist, dieses Konzept mitzutragen. Voraussetzung für die zehnprozentige Mitarbeiterbeteiligung war ein erheblicher Arbeitnehmerbeitrag zur Sanierung von Opel. Diesen Beitrag wird es nicht geben, deshalb ist die Frage im Moment eher theoretisch.

sueddeutsche.de: Wenn die Arbeitnehmer jetzt bei der Sanierung blockieren, könnte der Jobabbau deutlich drastischer ausfallen. Ist die IG Metall geübt im russischen Roulette?

Schild: Die IG Metall hat ihre Erfahrungen bei der Rettung von Unternehmen ausreichend ins Spiel gebracht. Dass es jetzt zu dieser Lösung kommt, hat natürlich auch mit einem nicht wirklich professionellen Vorgehen im Bundeswirtschaftsministerium zu tun. Das betrifft die Zusammenarbeit mit Brüssel, aber auch die Tatsache, dass die Bundesregierung bereits 1,5 Milliarden Euro in die Hand genommen hat. GM tut so, als sei es ein Unternehmen wie jedes andere. Fakt ist: Opel und GM existieren nur noch dank der Hilfe der Arbeitnehmer und der Regierungen. Umso verwerflicher ist es, wie jetzt mit den Regierungen und den Arbeitnehmern umgegangen wird. Aber Verwerflichkeit ist eine moralische Ebene - im Geschäftsleben nützt mir Moral nur wenig. Da sind Fehler gemacht worden, über die noch zu reden ist. Aber ganz ausdrücklich: Wir werden kein russisches Roulette spielen, wir bleiben uns einfach treu.

sueddeutsche.de: Aber was wird geschehen? Wie wird GM vorgehen?

Schild: Ich sage voraus, dass GM auf die Regierungen in Deutschland und Europa zugehen wird, um möglichst viel Staatsknete abzukassieren. Sie werden auf die IG Metall zugehen, um starke Lohnkürzungen zu vereinbaren. Im Gegenzug wird dann wohl versprochen, dass der Sanierungskurs nicht zu schlimm ausfällt. Sie werden das in geübter GM-Manier machen - sie werden die europäischen Regierungen versuchen gegeneinander auszuspielen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass die europäischen Arbeitnehmer zusammenstehen.

sueddeutsche.de: Für Donnerstag wurden bereits Massendemos angekündigt. Werden die Bänder komplett ruhen?

Schild: Sicher. Wir fangen mit den Protestkundgebungen an allen deutschen Standorten an. Die werden in den kommenden Tagen auf alle europäischen Opel-Standorte ausgedehnt.

sueddeutsche.de: Als IG-Metall-Bezirkschef und Mitglied im Opel-Aufsichtsrat besitzen Sie ein Doppelmandat. Können Sie die Entscheidung in Detroit aus kaufmännischer Sicht wenigstens ein Stückchen nachvollziehen?

Schild: Aus kaufmännischer Perspektive kann ich sie gerade nicht nachvollziehen, wohl aber aus politischen und vielleicht strategischen Motiven im Sinne rein amerikanischer Interessen. Kaufmännisch bin ich gemeinsam mit vielen Experten und auch führenden GM-Managern überzeugt davon, dass ein Konzept Magna-Opel-GM für alle drei hoch attraktiv gewesen wäre.

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