Offshore-Leaks:Geheime Geschäfte in Steueroasen enttarnt

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OffshoreLeaks — erstmals werden in großem Umfang Geheimdaten aus Steuerparadiesen bekannt

(Foto: SZ)

Wer steckt wirklich hinter zwielichtigen Briefkastenfirmen? Eine anonyme Quelle hat der SZ und anderen internationalen Medien einen Datensatz mit 130.000 Namen zugänglich gemacht. Experten sprechen vom "größten Schlag gegen das große schwarze Loch der Weltwirtschaft".

Von Bastian Brinkmann, Christoph Giesen, Frederik Obermaier und Bastian Obermayer

Das größte Datenleck in der Geschichte bringt etliche Steueroasen in Turbulenzen. Bislang vertrauliche Dateien, die von einer anonymen Quelle besorgt und weltweit Medien zur Verfügung gestellt wurden, belegen, auf welchen geheimen Wegen Reiche und Kriminelle diverse Briefkastenfirmen und sogenannte Trusts nutzen, um große Vermögen zu verstecken und zweifelhafte Geschäfte zu verschleiern. Ein Insider spricht von dem "bislang größten Schlag gegen das große schwarze Loch der Weltwirtschaft".

130.000 Personen aus mehr als 170 Ländern werden in den Unterlagen aufgelistet. Darunter sind Oligarchen, Waffenhändler und Finanzjongleure. Auch Hunderte deutsche Treffer finden sich in den Daten; einen Überblick wird die SZ in den kommenden Tagen geben. Prominentester Fall ist der in Franken geborene Gunter Sachs. Die Datenmenge aus insgesamt neun Steueroasen umfasst 260 Gigabyte, es handelt sich um insgesamt 2,5 Millionen Dokumente.

Die Enthüllungen bieten einen bislang unbekannten Einblick in einen Zweig der Finanzindustrie, der von totaler Diskretion lebt. Europäische Fachleute vergleichen das neue Datenleck mit dem Fall der Steuer-CDs, deren Aufkommen vor einigen Jahren Liechtenstein und die Schweiz unter Druck brachte und in beiden Ländern für erhebliche Veränderungen sorgte. "Ich habe noch nie so etwas gesehen. Die geheime Welt ist öffentlich geworden", sagte der kanadische Rechtsprofessor und Steuerexperte Arthur Cockfield.

Ein anonymer Hinweisgeber hatte vor mehr als einem Jahr die Daten dem Internationalen Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) in Washington übergeben. Die Süddeutsche Zeitung hat die Informationen unabhängig verifiziert und monatelang ausgewertet - in Deutschland gemeinsam mit dem Norddeutschen Rundfunk, in der Schweiz mit der Sonntagszeitung, in Großbritannien mit dem Guardian, in den USA mit der Washington Post. Insgesamt rollen Medien aus 46 Ländern in diesen Tagen den Fall auf. (mehr zu dem Projekt und ständige Updates in den kommenden Stunden und Tagen auf sz.de/offshore...)

Ermittlungen auf der ganzen Welt erwartet

Der Industriellenerbe Gunter Sachs legte vor seinem Tod (7. Mai 2011) mutmaßlich Vermögen in Steueroasen an und deklarierte es bei den Finanzämtern nicht vollständig. Seine Nachlassverwalter weisen dies zurück. Sie versichern, die betroffenen Firmen seien den Steuerbehörden "schon zu Lebzeiten von Herrn Sachs" offengelegt worden.

Die weltweiten Enthüllungen sorgen bereits vor der Veröffentlichung für Aufruhr. So zeigen die Dokumente, dass die älteste Tochter des früheren philippinischen Diktators Ferdinand Marcos Trusts auf den Britischen Jungferninseln besitzt, die diese bislang verschwiegen hat. Die philippinischen Behörden wollen nun ermitteln, ob in der Steueroase Teile des Milliardenvermögens stecken, mit dem Marcos in den Achtzigerjahren das Land verlassen hatte. Es wird erwartet, dass auch Behörden in anderen Ländern in den nächsten Wochen Ermittlungen einleiten werden.

Seit Jahren bemühen sich OECD und EU, die Flucht des großen Geldes in Steueroasen einzudämmen. Laut einer 2012 erschienenen Studie der britischen Nichtregierungsorganisation Tax Justice Network werden in Steueroasen 21 bis 32 Billionen Dollar gebunkert (Studie als PDF). Dadurch sollen den Staaten Einkommensteuern von bis zu 280 Milliarden Dollar entgangen sein. Steueroasen sind bei Anlegern auch deswegen so beliebt, weil sie meist absolute Anonymität bieten.

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