Niedrigzinsen:Negativzinsen belasten jetzt auch die Städte

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Städte, die ihr Geld bei der Bank anlegen, müssen immer häufiger Negativzinsen zahlen. (Foto: dpa)
  • Immer mehr Kommunen müssen zahlen, wenn sie bei Banken ihr Geld anlegen.
  • Vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken reagieren mit diesem sogenannten "Verwahrentgelt" auf die Politik der Europäischen Zentralbank.

Von Harald Freiberger, München

Das Jahr 2017 begann für die Starnberger Bürgermeisterin Eva John mit einer schlechten Nachricht. Sie bekam von ihrer Hausbank einen Brief, der die Stadt 80 000 Euro kosten würde. Von Februar an, so schrieb die Kreissparkasse München-Starnberg-Ebersberg, müsse sie für die Einlagen der Kommune ein "Verwahrentgelt" verlangen. Sie gibt damit den Negativzins weiter, den sie selbst bei der Europäischen Zentralbank (EZB) für kurzfristig geparktes Geld zahlen muss.

Starnberg ist keine arme Stadt, die Rücklagen sind hoch. 27 Millionen Euro sind kurzfristig geparkt, auch um laufende Bauprojekte wie eine Umgehungsstraße zu finanzieren. Von diesen 27 Millionen könne die Kreissparkasse nur acht Millionen weiter zinslos anlegen, auf 19 Millionen müsse man aber 0,4 Prozent Entgelt verlangen. Macht knapp 80 000 Euro im Jahr. Bürgermeisterin John zog das Geld sofort ab, es ist jetzt bei zwei anderen Banken kurzfristig als Festgeld angelegt. "Wir haben nichts zu verschenken", sagt sie. "Zum Glück können wir noch handeln." Ab jetzt werde man die Rücklagen zurückfahren. "Wir wollen uns nicht so in die Hände der Kreditinstitute begeben."

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Das Thema beschäftigt derzeit viele Bürgermeister und Kämmerer in Deutschland. Reihenweise führen Sparkassen und Genossenschaftsbanken in diesen Wochen das Verwahrentgelt ein, besonders in florierenden Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg oder Sachsen. In Bayern sind es auch die Sparkassen Allgäu, Augsburg und Miltenberg. In Sachsen belastet die Sparkasse Leipzig neuerdings die Kommunen, in Baden hat die Sparkasse Lahr ein Verwahrentgelt eingeführt. Die meisten Banken bieten den Kommunen einen Freibetrag an. Für Einlagen, die darüber hinausgehen, verlangen sie Zinsen.

Je länger die Banken selbst den Strafzins bei der EZB zahlen müssen, desto mehr leiden sie darunter. Immerhin kostet sie eine Einlage von einer Milliarde im Jahr vier Millionen Euro. Große Institute wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank geben den Negativzins schon seit Längerem an Großkunden wie Unternehmen oder Fonds weiter. Privatkunden wurden bislang weitgehend verschont. Nur die Raiffeisenbank Tegernsee verlangt von ihnen ab 100 000 Euro Guthaben ein Verwahrentgelt von 0,4 Prozent.

Die Frage ist, wie lange die Banken das durchhalten. Mit den Kommunen trifft der Negativzins nun die nächste Kundengruppe. "Eine Bank nach der anderen führt ein solches Verwahrentgelt ein", sagt Hans-Peter Mayer vom Bayerischen Gemeindetag. Er geht davon aus, dass diese Entwicklung erst am Anfang steht. "Für Gemeinden wird das immer mehr zum Thema." Irgendwann könnte es alle erfasst haben.

Wenn ein Geldhaus anfängt, kann es sehr schnell gehen

Es ist wie bei einer Kettenreaktion. "Wir hatten in den vergangenen Monaten erhebliche Zuflüsse von kommunalen und Unternehmenskunden", sagt eine Sprecherin der Kreissparkasse München-Starnberg-Ebersberg. Nun wurde es dem Institut zu viel. Ende 2016 verzeichnete es Einlagen von Kommunen und Tochterunternehmen in Höhe von 826 Millionen Euro. Nicht alles davon ist bei der EZB angelegt, aber doch ein beträchtlicher Teil.

Besonders viele Sparkassen geben den Negativzins nun an Kunden weiter. Das liegt auch daran, dass sie seit Mitte 2016 nicht mehr die Möglichkeit haben, Einlagen ihrerseits zinsfrei bei ihren Dachinstituten anzulegen, den Landesbanken. Diesen wurden die Kosten irgendwann auch zu hoch. Pikant ist, dass die Sparkassen mit dem Entgelt ihre Eigentümer belasten. Sie gehören den Kommunen, Bürgermeister und Landräte sitzen in den Aufsichtsgremien. "Wir können es schließlich Privatkunden nicht zumuten, die Kommunen querzusubventionieren", sagt dazu ein Sparkassen-Mann aus Bayern.

Die betroffenen Kommunen versuchen, dem Negativzins auszuweichen. Matthias Haugg, Kämmerer der Stadt Kempten, würde das Entgelt bis zu 50 000 Euro im Jahr kosten. Er überlegt deshalb unter anderem, Konten bei anderen Banken zu eröffnen. Die Stadt Ebersberg errechnete Kosten von bis zu 12 000 Euro im Jahr. Auch sie will umschichten. Die Raiffeisenbank am Ort zum Beispiel verlangt noch kein Verwahrentgelt. Die Frage ist nur, wie lange sie das durchhält.

"Wir werden im Rahmen der Möglichkeiten unseren Zahlungsverkehr umdisponieren", heißt es bei der Stadt Leipzig. Man gehe deshalb derzeit davon aus, keine Verwahrentgelte leisten zu müssen.

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Die neue Zinswelt hat auch Folgen für die Gesetze. In den Richtlinien für die Finanzen der Kommunen, für die die Bundesländer zuständig sind, heißt es in der Regel: Einlagen müssen "wirtschaftlich, ertragreich und sicher" angelegt werden. Dass darauf einmal Zinsen bezahlt werden müssen, konnten sich die Länder bei der Formulierung der Vorschriften nicht vorstellen. Deshalb müssen sie die Richtlinien nun ändern. In Bayern wird zum Beispiel erwartet, dass das Innenministerium im März eine entsprechende Verwaltungsrichtlinie herausbringt. "Es kann ja nicht sein, dass sich Städte gesetzeswidrig verhalten, die den Negativzins zahlen müssen", sagt Hans-Peter Mayer vom Gemeindetag. Schließlich könnten sie mit ihren Einlagen "nicht spekulieren und sie in Kakao und Schweinehälften investieren".

Und die Privatkunden? Noch halten sich die Banken damit zurück, auch sie zu belasten. Bemerkenswert aber ist, dass sich zum Beispiel die Tonlage von Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon in diesen Tagen geändert hat. Er sagt: "Würden wir im breiten Privatkundengeschäft Negativzinsen einführen, würde das Vertrauen in die Sparkassen und in unser Wirtschaftssystem auf eine harte Probe gestellt. Deshalb stemmen wir uns dagegen." Aber er fügt hinzu, und das ist neu: "Jeder muss wissen, dass dies nicht auf alle Zeit betriebswirtschaftlich möglich sein wird." Die große Mehrheit der Privatkunden habe weniger als 100 000 Euro angelegt, diese Gruppe müsse man besonders schützen. Er könne aber nicht ausschließen, dass Privatanleger "mit sehr großen Volumina" hier und da schon ein Verwahrentgelt zahlen müssen.

Und wenn einer anfängt, kann es sehr schnell gehen. "Sobald der erste große Marktteilnehmer Negativzinsen für Privatkunden erhebt, werden auch wir gezwungen sein nachzuziehen", sagt Ralf Fleischer, Chef der Stadtsparkasse München.

Das Jahr 2017 fing mit schlechten Nachrichten für die Kommunen an. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch für andere Kundengruppen noch welche folgen werden.

© SZ vom 07.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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