Milchpreise:Wer wirklich schuld ist am großen Wettmelken

Agrarbetrieb mit Milchproduktion

"Wir brauchen jetzt Mengenbegrenzungen": Die Milchbauern sind empört über den Preissturz - und fordern die Rückkehr zu Quoten.

(Foto: Jens Büttner/dpa)
  • Bei den Discountern Aldi und Norma kostet der Liter Vollmilch seit dieser Woche 46 anstatt 59 Cent, auch Butter, Sahne und Joghurt werden günstiger.
  • Mitschuld am Milchpreisverfall tragen viele: überproduzierende Landwirte, unflexible Molkereien und regulierungsscheue Politiker.

Von Kristiana Ludwig

Das gute Gewissen ist gelb-blau verpackt. "Unsere Heimat", steht auf den Milchtüten der Supermarktkette "Edeka Südwest" und dazu eine Zahl: zehn Prozent mehr sollen die Kunden für den Bauern aus der Region zahlen. Dafür bekommen sie das Gefühl, einen Beitrag für "Arbeitsplätze und unsere einmaligen Kulturlandschaften" zu leisten. Ein schönes Angebot. Edeka-Geschäftsführer Rudolf Matkovic sagt, das Unternehmen gebe den lokalen Landwirten, deren Erzeugnisse unter anderem in der Heimat-Hausmarke landen, künftig eine Preisgarantie. Man reagiere damit auf den aktuellen Milchpreisverfall in Deutschland und seinen europäischen Nachbarländern.

Auch der Discounter Aldi hat auf die Niedrigpreise der Molkereien reagiert, nur anders. Man bedauere zwar, dass der Preis die Qualität der Milch "nicht angemessen wiedergibt". Doch "günstigere Einkaufspreise" wolle der Markt seiner Kundschaft auch nicht vorenthalten, steht in einer Pressemitteilung. Ein Liter frische Vollmilch kostet bei Aldi von dieser Woche an 46 statt 59 Cent - fast ein Viertel weniger. Auch das Paket Butter wird fünf Cent günstiger, genauso wie Schlagsahne, Kondensmilch, Kräuterquark und Joghurt. Aldis Discount-Konkurrent Norma zog gleich mit. Für den restlichen Lebensmittelhandel könnte die Preispolitik des Marktführers ebenfalls ausschlaggebend sein, auch für Edeka. Das Unternehmen biete in seinen Märkten "seit jeher eine Vielzahl an Molkereiprodukten verschiedener Qualitäts- und Preislagen", heißt es dort. Es gibt also auch dort billigere Alternativen.

"Das ist schlicht unanständig", sagt Schleswig-Holsteins grüner Landwirtschaftsminister Robert Habeck: "Es ist falsch, Lebensmittel zu verramschen, hinter denen harte Arbeit steckt." Erst Mitte April hatte er zusammen mit den Agrarministern der Bundesländer beschlossen, dass sie den vom Preisdruck bedrängten Milchbauern helfen wollen. Genauso wie Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) möchten sie dafür einen EU-Plan umsetzen, der Milchbauern mit Geldspritzen unterstützen soll.

Es ist die Überproduktion der Landwirte, die den Markt überhitzt

Seitdem im Frühling 2015 die europaweite Milchquote auslief, schrumpft der Preis für Milch weiter zusammen. 40 Cent kostete Anfang 2014 noch ein Kilo im Schnitt. Heute liegt der Preis bei rund 26 Cent, Tendenz sinkend. Die Supermarktketten, sagt allerdings Hans Foldenauer vom Bundesverband der Milchviehhalter (BDM), haben daran nur einen geringen Anteil. Es ist vielmehr die Überproduktion der Landwirte, die den Markt überhitzt. Ein Wettmelken, sozusagen.

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(Foto: SZ-Grafik; Quelle: BLE; AMI)

Eigentlich hatten sich viele Bauern auf die Abschaffung der Quote gefreut. Schon lange war klar, dass das System der europaweiten Milchregulierung enden wird. Bisher hatten Bauern, die zu viel produzierten, Strafzahlungen leisten müssen. Das Geld floss in den EU-Haushalt. Mit der Abschaffung dieser Regel versprach sich etwa der Deutsche Bauernverband die Erschließung neuer Märkte. Landwirte investierten in neue Ställe und neue Kühe. Sie machten sich bereit für den Weltmarkt. Doch dann kam es anders.

Heute gelten das Handelsembargo gegenüber Russland und das konjunkturschwache China als zwei der wichtigsten Ursachen für die sinkenden Milchpreise. Beide Länder fallen als Großkäufer aus. Milch, Quark und Butter stecken auf dem europäischen Markt fest. Für die Landwirte hat das ernste Konsequenzen. Die Niedrigpreise gleichen sie durch noch mehr Kühe aus. So hat ein Teufelskreis begonnen.

Auch die Molkereien sind für die Milchkrise mitverantwortlich

Immerhin: Mit den zumeist genossenschaftlich organisierten Molkereien haben die Bauern treue Abnehmer. Oft sind Landwirte und Verarbeitungsbetriebe vertraglich eng verbunden. Der Erzeuger liefert ausschließlich an eine Molkerei, diese nimmt ihm im Gegenzug alles ab und zahlt Mindestpreise - in Absprache mit anderen Verarbeitern im Umkreis. Das Bundeskartellamt hat dieses System bereits im Jahr 2012 kritisch untersucht. Vor zwei Wochen hat die Wettbewerbsbehörde sich nun erneut die Molkereien vorgenommen. Der Wegfall der Milchquote habe "kaum Auswirkungen auf die Verträge zwischen den Erzeugern und den Molkereien gehabt", sagte der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt. Man überprüfe nun zunächst die größte Molkerei des Landes, Deutsches Milchkontor eG.

Auch der Deutsche Bauernverband zeigt auf die Molkereien, wenn es um die Verantwortung für die Krise geht. Sie müssten flexibler werden und nur so viel Milch anfordern, wie die Discounter auch brauchten, sagt ein Sprecher. Heinrich Schmidt vom Deutschen Raffeisenverband widerspricht: "Da kann man national wenig machen", sagt er. Die Nachbarländer Dänemark, Niederlande oder Irland produzierten schließlich fleißig weiter. Vielmehr müsse die Politik nun ein Hilfsprogramm auflegen, das den Bauern über die Durststrecke helfe.

Bereits Ende vergangenen Jahres hatte die Europäische Kommission ein Maßnahmenpaket verabschiedet und so europäische Landwirte mit 500 Millionen Euro unterstützt. Fast 70 Millionen davon flossen nach Deutschland, vor allem an Milchbauern. Auch jetzt setzt sich Bundesagrarminister Schmidt wieder dafür ein, dass die EU Hilfsgelder an diejenigen Bauern zahlt, die "von der schwierigen Marktsituation am stärksten betroffenen" sind. Den Landwirtschaftsministern der Bundesländer reicht das nicht. Sie fordern: Wenn es freiwillig nicht geht, dann soll es eben wieder Strafen geben für Landwirte, die zu viel melken.

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