Kapitalverkehrskontrollen:Griechenland kämpft gegen den Bank Run

  • Die griechische Regierung führt drastische Kapitalverkehrskontrollen ein. Sie sollen verhindern, dass die Banken finanziell ausbluten.
  • Griechenland stand vor einem Sturm auf die Banken, vor einem Bank Run. Die Menschen hoben massenhaft Geld ab.
  • Mit den Kapitalkontrollen hat sich Athen ein wenig Zeit gekauft, um vielleicht doch noch eine politische Lösung zu finden.

Von Bastian Brinkmann

Die Spieltheorie ist ein mathematischer Zweig, auf dem ausgerechnet ein Ökonom namens Yanis Varoufakis sich einen gewissen Namen gemacht hat. Nun ist Varoufakis Finanzminister in Athen, und aus Theorie wird Praxis. Die griechische Regierung führt drastische Kapitalverkehrskontrollen ein. Warum das nötig ist, kann die Spieltheorie erklären.

Banken haben üblicherweise nicht genügend Bargeld auf Vorrat, um alle Guthaben ihrer Kunden sofort auszuzahlen. Das ist in normalen Zeiten auch kein Problem, sondern nur effizient. Grob skizziert sieht das Problem so aus: Zwei Kunden haben jeweils 10 000 Euro auf ihrem Konto. Die Bank hat 10 000 Euro an Reserven, also nur die Hälfte der Guthaben, die sie ihren beiden Kunden garantiert. Das reicht aber in praktisch allen Fällen für die Bankgeschäfte aus. Ein Kunde hebt mal 200 Euro ab oder zahlt 100 Euro ein, der andere überweist 1000 Euro, um eine Rechnung zu bezahlen, oder bekommt 800 Euro Gehalt. Die Summen sind kleiner als die Barreserven der Bank.

Deswegen kommt es zu einem Bank Run

Riskant wird es, wenn die Kunden panisch werden und das Vertrauen in die Bank verlieren. Dann haben sie beide einen Anreiz, möglichst rasch möglichst viel Geld abzuheben - bevor der zweite schneller ist und nichts mehr übrig ist. In der Finanzsprache heißt das dann Bank Run; die Kunden stürmen die Banken, um nicht zu spät zu kommen.

Die Spieltheorie beschreibt, wann und warum Menschen miteinander oder gegeneinander arbeiten. Wenn beide Kunden entspannt bleiben würden und ihr Geld auf der Bank liegen ließen, hätte das Institut keine Finanznot. Wenn aber nur einer der beiden Bürger befürchtet, dass der andere nicht ruhig bleibt, ist es für ihn nur konsequent, schnell selbst zur Bank zu rennen.

Genau das passierte zuletzt in Griechenland. Die Menschen hoben massenhaft Geld ab. Am Samstag - dem letzten Tag, an dem die Banken regulär geöffnet waren - hoben griechische Bürger wohl rund eine Milliarde Euro ab. Normal sind an einem solchen Wochenendtag 30 Millionen Euro.

Die EZB hat die Geldversorgung für Athens Banken eingefroren

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Sonntag beschlossen, die Nothilfen für die griechischen Banken zu deckeln. Notgeld in Höhe von 88,6 Milliarden Euro ist genehmigt, das von der griechischen Zentralbank an die Institute fließt. Nun sind die Hilfen eingefroren, am Mittwoch will der Rat der Europäischen Zentralbank erneut tagen.

Die EZB hätte am Sonntag auch beschließen können, die volle Summe zurückzufordern. Das wäre ein Todesstoß für die griechischen Institute gewesen. Sie hätte aber auch beschließen können, die Notfallhilfen - die sogenannte Emergency Liquidity Assistance - weiter leicht anzuheben, wie sie es in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder getan hat. Das zusätzliche Geld hätten die griechischen Banken gebraucht, damit die Menschen weiter Geld abheben können.

Was Griechenland von Zypern unterscheidet

Nun verhindern also Kapitalverkehrskontrollen, dass die Griechen ihre Banken leeren. Der Preis dafür ist, dass innerhalb der Euro-Zone wieder Grenzen hochgezogen werden, die eigentlich gefallen sind. Der ungebremste Kapitalverkehr ist eine Grundfreiheit der Europäischen Union. Dank ihr können Firmen grenzüberschreitend arbeiten, Menschen können einfacher in den Urlaub fahren.

Die EU-Kommission in Brüssel ist dafür zuständig, dass das gewährt ist. Der zuständige Kommissar, Jonathan Hill, hat sich an diesem Montag hinter die griechische Regierung gestellt. "Die verhängten Beschränkungen erscheinen zum jetzigen Zeitpunkt erforderlich und verhältnismäßig", sagte er. Doch müsse der freie Kapitalverkehr im Interesse der griechischen Wirtschaft und der Eurozone so bald wie möglich wiederhergestellt werden.

So lief es in Zypern

Die Eurozone ist ein gemeinsamer Währungsraum, doch schon zum zweiten Mal muss sich ein Land von den anderen Ländern abschotten. Im März 2013 führte Zypern Kapitalkontrollen ein. Während der ersten Monate durften Reisende höchstens 1000 Euro pro Auslandsreise mit sich führen. Die Summe war stufenweise auf 6000 Euro in den letzten Monaten angehoben worden. Erst vor wenigen Wochen, im April 2015, wurden die Kapitalkontrollen wieder komplett aufgehoben.

Der Fall Griechenland liegt aber ganz anders als damals in Zypern. Der Inselstaat im Mittelmeer litt unter einer schweren Bankenkrise. Die Institute hatten wegen der Griechenland-Krise damals viel Kapital verloren - zu viel, um überleben zu können. Die Regierung fror alle Konten ein. Guthaben über der Marke von 100 000 Euro wurden de facto enteignet. Das Geld wurde in die zyprischen Banken gesteckt, damit diese nicht zumachen müssen.

Griechenland hat nicht nur ein Problem mit den Banken - sondern vor allem mit den internationalen Kreditgebern. Die Gespräche zwischen Athen und den anderen Euro-Ländern sind am Wochenende geplatzt. Die Bundesregierung zeigt sich höchst verärgert über die griechische Regierung. Mit den Kapitalkontrollen hat sich Athen ein wenig Zeit gekauft, um vielleicht doch noch eine politische Lösung zu finden, bevor das Finanzsystem des Landes komplett zusammenbricht - und mit ihm der Staat.

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