Enthüllungsbuch des Zentralbank-Chefs:Chronik der griechischen Krise

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Die Drachme, Griechenlands ehemalige Währung, ist eigentlich längst Geschichte. Eine Abkehr vom Euro hätte aber "die Tore der Hölle geöffnet". (Foto: Bloomberg)

Leere Geldautomaten, millionenschwere Bargeld-Transportflüge aus Italien und Österreich, und die Angst vor der Panik der Sparer. Griechenlands scheidender Zentralbankchef hat seine Erinnerungen an die Krise in einem Buch festgehalten - und schildert Hollywood-reife Szenen.

Von Christiane Schlötzer, München

Er bekam Drohungen, in einem Brief an Griechenlands nun scheidenden Zentralbankchef Giorgos Provopoulos lag gar eine Kugel. Ein Einschüchterungsversuch nach Mafia-Art. Aber das war nicht das Schlimmste. "Es gab schlaflose Nächte, weil man nicht wusste, mit welcher Währung man aufwachen würde", sagte der 64-Jährige jetzt bei der Vorstellung eines Buches der Zentralbank in Athen. Der Titel: "Chronik der großen Krise". Darin werden teils Hollywood-reife Szenen aus den Jahren 2010 bis 2012 geschildert, als das Land zeitweise am Rande des Staatsbankrotts stand. Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone hätte, so Provopoulos, "die Tore der Hölle geöffnet."

Das Feuer loderte schon. Als die brisantesten Tage nennt der Bankbericht den Donnerstag und den Freitag vor der Parlamentswahl am 17. Juni 2012. Damals holten Sparer in Panik 3,5 Milliarden Euro von ihren Konten, schafften sie ins Ausland oder unters Kopfkissen. Von den Geldautomaten hoben viele Griechen täglich die Höchstbeträge ab, aus Angst, bald nichts mehr zu bekommen. In mindestens drei Fällen sollen Automaten leer und die Bargeldvorräte einzelner Banken erschöpft gewesen sein. Die Zentralbank fürchtete, dies könnte bekannt werden. "Das hätte binnen weniger Stunden wie ein Lauffeuer durch das Land gehen und einen Bank-Run auslösen können", wie ein hoher Beamter der Zentralbank der dpa sagte.

2012 erwog die Zentralbank sogar, nur noch Abhebungen bis 150 Euro zu erlauben

Um eine Massenpanik zu verhindern wurden unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen Euro-Scheine von den Zentralbanken Italiens und Österreichs in Transportmaschinen der griechischen Luftwaffe ins Land gebracht. In drei Flügen aus Rom und Wien wurden in den Hercules C-130 im Auftrag der Europäischen Zentralbank (EZB) Millionen 50- und 100-Euro-Scheine herangeschafft.

Der erste Flug soll schon im Juni 2010 stattgefunden haben, nachdem die griechische Regierung Finanzhilfen der Euro-Partner beantragt hatte. Eine zweite Geld-Ladung kam im November 2011 an. Da war die Troika aus EU-Kommission, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) gerade vorzeitig abgereist und der damalige Premier Georgios Papandreou überraschte mit der Idee eines Referendums über das Euro-Rettungspaket. Allein infolge dieser Ereignisse wurden dem Report zufolge acht Milliarden Euro von griechischen Konten abgezogen.

Den dritten Flug gab es dann während der dramatischen Tage vor der Wahl im Juni 2012. Damals erwog die griechische Zentralbank gar, die Banken am Montag nach der Wahl schließen zu lassen und nur Abhebungen von maximal 150 Euro zu erlauben. Provopoulos - dem nun der bisherige Finanzminister Giannis Stournaras nachfolgt - zeigte sich zum Ende seiner sechsjährigen Amtszeit stolz, dass sein Institut Griechenland in sehr schwieriger Zeit "in einen sicheren Hafen gesteuert" habe.

Seit 2010 hat Athen von EU und IWF zwei Rettungspakete im Umfang von 240 Milliarden Euro erhalten. Sie waren mit strengen Spar- und Reformauflagen verbunden. Giorgos Provopoulos nimmt für sich in Anspruch, schon im Januar 2009 vor der Krise gewarnt zu haben. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte er dazu 2013: "Das wurde nicht ernst genommen."

© SZ vom 14.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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