Digitalwährung "Petro":Kryptogeld soll Venezuela aus der Krise führen

Lesezeit: 3 min

Venezuelas Staatschef Maduro ist begeistert von der neuen Digitalwährung. (Foto: REUTERS)
  • Venezuela steckt in einer existenziellen Wirtschaftskrise. Die Bürger vertrauen der eigenen Währung nicht mehr und liebäugeln mit Kryptogeldern wie dem Bitcoin.
  • Um die Oberhand zu behalten, hat die venezoelanische Regierung nun eine eigene Digitalwährung mit dem Namen "Petro" gestartet.
  • Präsident Maduro will den Petro auch dazu nutzen, um die Sanktionen gegen sein Land zu umgehen.

Von Christian Gschwendtner und Benedikt Peters

Vielleicht lag es an der frühen Morgenstunde, dass der Staatschef nicht selbst kam. Venezuelas autokratischer Herrscher Nicolás Maduro gilt als Mann mit ausgiebigem Hang zur Bettruhe. Er schlafe "wie ein Baby", hat er mal einem Interviewer anvertraut. Vielleicht schickte er am Dienstag deshalb seinen Vizepräsidenten vor, um in aller Frühe den Start einer wichtigen Maßnahme verkünden zu lassen. Einer Maßnahme, die Venezuela nach Ansicht der Regierung aus der tiefen wirtschaftlichen und politischen Krise führen soll, die das Land seit mehreren Jahren erschüttert: die Kryptowährung Petro.

Der Petro solle dem Land wieder "Vertrauen" an den internationalen Märkten einbringen, so sagte es jener Stellvertreter Maduros, Tareck El Aissami. Ein Mann, den die US-Antidrogenbehörde DEA als Hauptfigur des Kokainschmuggels bezeichnet hat. El Aissami wurde deswegen auf eine schwarze Liste gesetzt. Am Dienstagmorgen verkündete er nun, der Verkauf des Petro sei erfolgreich gestartet. "Venezuela ist nun Avantgarde. Wir haben viel zu feiern", sagte El Aissami.

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Wer in Venezuela derzeit viel zu feiern hat, ist allerdings nicht ganz klar. Seit bald vier Jahren versinkt das Land in einer existenziellen Wirtschaftskrise, es fehlt so ziemlich an allem, an Lebensmitteln wie Milch und Brot, an Medikamenten, selbst an Toilettenpapier. Längst leiden auch diejenigen Hunger, die früher zur Mittelschicht gehörten. Die Hyperinflation, die im letzten Jahr auf über 2600 Prozent angestiegen ist, verschärft die Krise nahezu täglich. Und sie führt zu grotesken Szenen.

Da die Geldscheine ausgehen, kann man eine Kugel Eis inzwischen nur noch per Banküberweisung kaufen, meldete zuletzt eine Zeitung. In dieser Situation also soll der Petro Abhilfe schaffen. 100 Millionen Einheiten der Digitalwährung will die sozialistische Regierung Maduros ausgeben, eine zentrale Regierungsinstanz soll die Aufsicht führen. Jede Petro-Einheit ist zumindest in der Theorie mit einem Fass (etwa 159 Liter) Öl gedeckt. Öl, das in Venezuela trotz der Krise noch immer reichlich vorhanden ist, das Land besitzt die größten Reserven weltweit. Bei einem Fasspreis von 60 Euro könnten so sechs Milliarden Dollar in die leere venezolanische Staatskasse fließen. Vorausgesetzt, es gelingt auch tatsächlich, die 100 Millionen Petro zu verkaufen.

Bis vor Kurzem lehnte Präsident Maduro Kryptogeld noch ab

Allerdings geht es beim Petro nicht bloß um frisches Geld. Maduro selbst hat keinen Hehl daraus gemacht, dass die Digitalwährung hauptsächlich dazu dienen soll, die Sanktionen zu umgehen, die die US-Regierung im vergangenen Jahr gegen das Land verhängt hat. Washington wollte nicht mehr dabei zuschauen, wie Maduro Wahlen manipulierte und politische Gegner ins Gefängnis werfen ließ. Es hat unter anderem Sanktionen gegen venezolanische Funktionäre verhängt, darunter auch gegen Maduro, und US-Bürgern Geschäfte mit dem Land untersagt. Werden diese allerdings in Petro abgewickelt, so lassen sie sich schwerer nachvollziehen, kalkulieren die Sozialisten. Die Gläubiger sollen künftig anonym Geld überweisen können. Die US-Regierung wiederum weist darauf hin, dass sie den Kauf der Kryptowährung als erweiterte Kreditvergabe an Caracas ansieht und auch ihn unter Strafe stellen will.

Es ist fast schon ironisch, dass sich nun ausgerechnet Maduro zum Vorreiter für Kryptowährungen aufschwingt. Bis vor Kurzem lehnte er das neue Geld aus dem Internet noch rundherum ab. Aus einem nachvollziehbaren Grund: Immer mehr Venezolaner legten zuletzt ihr Geld in Bitcoin an - in der Hoffnung, so der Inflation im Land zu entkommen. Der Vertrauensverlust in die heimische Währung, in den Bolivar, hat sich dadurch verstärkt. Sehen kann man das an der wachsenden Beliebtheit der Krypto-Tauschbörse Local Bitcoins. Dort hat sich die Zahl der Überweisungen in den vergangenen zwölf Monaten verzehnfacht. Eine Entwicklung, die der Regierung in Caracas gar nicht gefällt.

Keine echte Kryptowährung

Maduro versucht deshalb seit geraumer Zeit, den Bitcoin-Handel in Venezuela einzudämmen. Nicht immer auf die zimperliche Art. Einige Venezolaner sollen bereits wegen Bitcoin-Geschäften im Gefängnis sitzen. Das berichtet Randy Brito, der Gründer der Facebook-Gruppe Bitcoin Venezuela. Er sagt: "Die Ironie ist, dass die Regierung uns genauso blockiert, wie sie von US-Sanktionen blockiert wird." Wenn man so will, dann probiert die Regierung gerade einen komplizierten Drahtseilakt. Sie will vom Krypto-Boom profitieren - ohne die Kontrolle über Finanzgeschäfte abzugeben. Tatsächlich handelt es sich beim Petro um keine echte Kryptowährung. Denn die ist vor allem deswegen attraktiv, weil sie normalerweise nicht von Regierungen ausgegeben wird.

Statt eines Staates oder einer Notenbank regelt ein dezentrales Computer-Netzwerk den Geldverkehr. Doch all das ficht Venezuelas Autokraten nicht an. Der Petro sei ein Bombazo, sagte Maduro am Abend nach dem Verkaufsstart, ein "Bombenerfolg". Und außerdem könne es die neue Währung jederzeit "mit Superman aufnehmen". Maduro meinte damit nicht den Comic-Helden, sondern dessen Herkunftsland USA mitsamt seiner Leitwährung Dollar. 735 Millionen Dollar soll der Petro angeblich am ersten Tag eingespielt haben. Aber wer genau in die Kryptowährung investiert hat, wollte der Präsident dann doch nicht sagen.

© SZ vom 22.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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