Deutsch-russische Wirtschaftsbeziehungen:Angst ums Geschäft

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Tausend Adidas-Geschäfte mit mehr als 10 000 Mitarbeitern: Nicht nur der deutsche Sportartikel-Hersteller ist eng mit Russland verflochten. (Foto: Bloomberg)

Adidas, Eon, VW und viele andere: Deutsche Konzerne haben in Russland Milliarden investiert. Mit der Krim-Krise drohen Sanktionen. Dabei würden die Unternehmen am liebsten weitermachen wie bisher.

Von Karl-Heinz Büschemann und Caspar Busse

Vornehmes Dunkelrot, goldene Streifen auf der Schulter und die russische Flagge auf dem Arm - so wird die Nationalmannschaft Russlands in drei Monaten bei der Fußball-WM in Brasilien auflaufen. Ausgerüstet wird das Team von Adidas. Der deutsche Sportartikelkonzern, der die russischen Nationalkicker schon lange fördert, wird auch bei der nächsten WM 2018 in Russland offizieller Sponsor sein. Kein Wunder, dass die Geschäfte der Drei-Streifen-Marke in Russland gut laufen: In tausend Adidas-Geschäften wird eine Milliarde Euro umgesetzt.

Neben Adidas gibt es eine Reihe deutscher Unternehmen, die in Russland stark engagiert sind und sich jetzt wegen der Krim-Krise Sorgen machen um die Wirtschaftsbeziehungen. Immerhin: Nach Russland wurden 2013 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Waren im Wert von 36,1 Milliarden Euro exportiert, das ist Platz elf unter den Exportländern.

Besonders wichtig ist Russland für den Maschinenbau, die Autoindustrie, die Chemie und einige Handelsfirmen. Allein die 30 Dax-Unternehmen beschäftigen in Russland mehr als 45 000 Mitarbeiter. "In Deutschland sichert der Handel mit Russland 350 000 Arbeitsplätze", sagt Eckhard Cordes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft. Russland wiederum liefert vor allem Rohstoffe und Energie nach Deutschland.

"Mit wirtschaftlichen Sanktionen ist keinem geholfen"

Die wachsenden Spannungen zwischen der Nato und Russland werden in den Führungsetagen mit Sorge gesehen. Die Furcht vor Sanktionen und dem Ende der Geschäfte geht um. Doch in der Wirtschaft besteht die Hoffnung, es könne trotz der Krim-Krise weitergehen wie bisher. Sollen die Politiker über Sanktionen und Lösungen debattieren, die Wirtschaft würde am liebsten ungestört ihren Geschäften nachgehen wie bisher: still, leise und wenig auffällig.

"Es heißt jetzt, Brücken bauen, nicht Brücke abreißen", erklärt Rainer Seele von der BASF-Tochter Wintershall, die stark mit dem russischen Energieproduzenten Gazprom verbandelt ist . "Mit wirtschaftlichen Sanktionen ist keinem geholfen", so der Wintershall-Chef. Sie träfen nicht nur Russland, sondern wirtschaftlich auch Deutschland.

Die Aktienkurse von Unternehmen mit hoher Russland-Abhängigkeit wie Adidas, BASF oder Metro sind schon gefallen. Die Arzneimittelfirma Stada korrigierte ihre Prognosen nach unten. Metro sah sich gezwungen, den geplanten Börsengang der Russland-Tochter zu verschieben. Deutsche Firmen haben etwa 20 Milliarden Euro in Russland investiert, um die sie jetzt bangen. Adidas hat mehr als 10 000 Mitarbeiter in seinen Läden, die beiden Autobauer Volkswagen und BMW Fabriken in Russland. Metro unterhält 72 Cash-and-Carry- sowie 57 Mediamarkt-Saturn-Märkte mit 22 500 Mitarbeitern und einem Umsatz von 5,3 Milliarden Euro.

Eon ist eng mit Russland verflochten

Bei Eon sind die Nerven angespannt. Der Düsseldorfer Energiekonzern ist eng mit Russland verflochten. Zehn Prozent des Geschäfts stammen aus den Gaslieferungen aus dem Osten. "Wir hoffen, dass sich der Konflikt diplomatisch lösen lässt", sagt ein Konzernvertreter. Die Gasmengen, die für die deutschen Haushalte und Unternehmen aus Russland eingeführt werden, seien "kurzfristig kaum zu ersetzen".

"Wir sehen die Entwicklung mit Sorge", sagt ein Manager des Chemieunternehmens Lanxess. "Für energieintensive Betriebe ist der Konflikt mit Russland ein Risiko." Zum russischen Erdgas gebe es "keine Alternative". Lanxess unterhält ein Werk in Russland und hält es für sinnvoll, die Gespräche mit den dortigen Partnern aufrechtzuerhalten, aber "unter dem Radar".

Siemens-Chef Joe Kaeser war in der vergangenen Woche öffentlichkeitswirksam zu einer Audienz beim russischen Präsidenten Wladimir Putin gereist. Es sollte ein "normaler Kundenbesuch" sein - Siemens liefert Züge, Gasturbinen und Medizintechnik nach Russland. Aber der Auftritt wurde zum Politikum. Ost-Ausschuss-Chef Cordes nannte das Treffen "gut und richtig". Doch in der Industrie gab es viel Kritik: Der Auftritt von Kaeser bei Putin vor Fernsehkameras habe der Sache der Wirtschaft geschadet. "Das war ein richtiger Fehler", heißt es. Die Möglichkeit weiterer harter Sanktionen steige dadurch eher, so die Befürchtungen.

Nur kein Öl ins Feuer gießen, ist die Devise bei VW

Auch bei Volkswagen wird die Reise Kaesers kritisch gesehen. "Wir wissen nicht, was den geritten hat", sagt ein Manager. Die Wolfsburger haben in der etwa 200 Kilometer von Moskau entfernten Stadt Kaluga für 1,4 Milliarden Euro ein Werk gebaut, weitere Investitionen von 1,2 Milliarden Euro sind geplant. Die Fabrik, in der Polos, Tiguans und die Škoda-Modelle Fabia und Octavia vom Band laufen, hat 5000 Mitarbeiter. Schon bisher haben sich die Hoffnungen von VW auf dem russischen Markt nicht erfüllt, ein Wirtschaftsboykott würde die Sache noch schlimmer machen.

Noch gibt man sich in Wolfsburg entspannt. Nur kein Öl ins Feuer gießen, ist die Devise bei VW. "Wenn allerdings die Russen beginnen, Unternehmen zu drangsalieren, kann es schwierig werden." Auch BMW sieht die Entwicklung mit Sorge. Noch sei die politische Spannung aber nicht im Geschäft angekommen, sagen die Münchner. BMW verkauft in Russland fast 45 000 Fahrzeuge und hat in Kaliningrad ein kleines Werk.

Heinrich Weiss, Großaktionär und Aufsichtsratschef des Düsseldorfer Stahlwerkbauers SMS, hofft, dass es zu keinen Wirtschaftssanktionen kommt. Nicht nur weil er gerade ein paar Anlagen-Projekte in Russland im Wert von einer halben Milliarde Euro plant. Er sagt, der Handel diene beiden Seiten. "Der Westen ist vom Handel mit Russland genauso abhängig wie der Osten." Deshalb gibt er sich beim Thema Sanktionen optimistisch: "Die Politiker haben erkannt, dass das dem Westen genauso schaden würde wie den Russen."

Ein Problem gibt es aber schon jetzt: Das Kapital flieht aus Russland. Der Rubel verliert an Wert, und die Wirtschaft lahmt. Die ohnehin geschwächte Kauflust der Russen könnte noch mehr leiden, was auch Firmen wie Metro, Hugo Boss, BMW oder Adidas spüren würden. Auch die russischen Kicker werden die Stimmung im Land kaum heben. Den Fußballern werden nicht einmal Außenseiterchancen auf den WM-Titel in Brasilien eingeräumt.

© SZ vom 04.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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