VW-Aufsichtsrat:Alles für den lieben Frieden

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Ein Mann blickt über das VW-Werksgelände. Es geht nun um den wichtigsten Job, der in der bislang schwersten Krise des Konzerns zu vergeben ist. (Foto: dpa)
  • Die geplante Berufung von Hans Dieter Pötsch zum neuen VW-Aufsichtsratschef ruft Kritik hervor - auch im Konzern selbst.
  • So gibt es Zweifel, ob der langjährige Finanzchef Pötsch überhaupt in der Lage ist, die Affäre um manipulierte Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen aufzuklären.
  • Zugleich gibt es erheblich Zweifel an der Argumentation in einem Rechtsgutachten, das eigentlich belegen soll, dass Pötsch keine Schuld an möglichen Verfehlungen hat.

Von Thomas Fromm, Max Hägler und Klaus Ott, München

Es sind keine alltäglichen Umstände, unter denen Hans Dieter Pötsch, 64, an diesem Mittwoch sein neues Amt antreten soll. Es geht um den wichtigsten Job, der in der Krise bei Volkswagen zu vergeben ist. Der Österreicher, ein enger Vertrauter der Familien Porsche und Piëch, Hauptaktionäre des Unternehmens, soll zum Aufsichtsratschef bestimmt werden. Um gewählt werden zu können, müsste Pötsch, der jetzt zwölf Jahre lang Finanzvorstand des Konzerns war, eine Art Ehrenerklärung für sich selbst unterschreiben. Und - sinngemäß - versichern, dass er mit der Abgasaffäre nichts zu tun hat. Das allein aber genügt nicht.

Kritik an der Argumentation im Rechtsgutachten

Zusätzlich braucht es noch ein Rechtsgutachten, das zu dem Ergebnis kommt, dass Pötsch weder die Aktionäre noch die Öffentlichkeit zu spät über die Manipulationen bei Abgasmessungen von Dieselfahrzeugen informiert hat. Es braucht für diesen Job also mehr als die fachliche Eignung und eine langjährige VW-Biografie.

Das Gutachten, das von Volkswagen in Auftrag gegeben wurde und das Pötsch den Weg an die Spitze des Kontrollgremiums freimachen soll, wird aber selbst in Konzernkreisen als nicht sehr hilfreich beschrieben. Das nicht nur deshalb, weil es sich um eine Auftragsarbeit handelt, sondern auch wegen des Inhalts. In dem Papier einer Frankfurter Rechtsanwaltskanzlei steht nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur, es sei "vertretbar, wenn nicht gar geboten" gewesen, dass der VW-Vorstand zunächst den Sachverhalt habe intern klären wollen. Zum Hintergrund: VW hatte am 3. September in den USA Manipulationen bei Abgasmessungen zugegeben, hatte das aber erst mehr als zwei Wochen später auch öffentlich eingestanden.

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Die Gutachter argumentieren offenbar, dass am Anfang der Affäre nur von begrenzten Konsequenzen die Rede gewesen sei. So sei es um knapp 500 000 Autos und Kosten von rund 50 Euro pro Fahrzeug für die nötige Umrüstung gegangen. Ein Schaden von 25 Millionen Euro, das wäre bei einem Konzern mit 200 Milliarden Euro Umsatz kaum ins Gewicht gefallen. Andererseits: nur 25 Millionen Euro? Das wäre eine Zahl, die erstaunt. Dann hätte der Vorstand entweder nicht energisch genug nachgehakt oder nicht die Tragweite des Falles erkannt. Pötsch auf der Basis dieses Gutachtens zum Aufsichtsratschef zu wählen, sei ein gewagtes Unterfangen, wird in Konzernkreisen eingeräumt. Man habe aber keine andere Wahl, da die Familien Porsche und Piëch auf ihrem Kandidaten bestünden.

Mühsamer Nachfolge-Kompromiss für Ferdinand Piëch

Der bisherige Finanzvorstand ist ein langjähriger Vertrauter der beiden Familien; er sitzt zusammen mit führenden Vertretern der zwei Clans in Porsche-Gesellschaften in Österreich, die zum weiten Firmenreich von VW gehören. Die Porsches und Piëchs hatten sich erst im Sommer mühsam auf Pötsch verständigt - als Nachfolger von Ferdinand Piëch an der Spitze des Kontrollgremiums, nachdem der Patriarch aus Salzburg einen von ihm selbst ausgelösten Machtkampf um VW verloren hatten. Piëch hatte Martin Winterkorn als Konzernchef abservieren wollen und sich damit selbst isoliert. Damals war guter Rat teuer. Die Piëchs hatten niemanden aus ihrem Clan, der neuer Aufsichtsratschef werden wollte oder konnte. Ein Porsche an der Spitze des Kontrollgremiums kam nicht infrage, das hätte Ferdinand Piëch wohl kaum geduldet. Der Patriarch ist seinen Verwandten mit Namen Porsche von Herzen abgeneigt.

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Blieb also nur ein Kompromiss-Kandidat übrig - und der war Pötsch. Sollte seine Personalie im Aufsichtsrat scheitern, würde dies den brüchigen Frieden zwischen den beiden Clans gefährden - ein Machtkampf zwischen den Porsches und Piëchs aber wäre das Letzte, was Volkswagen mitten in seiner größten Krise noch brauchen könnte. Folglich ist unklar, ob am Ende nicht auch die Vertreter des Landes Niedersachsen und der Belegschaft im Aufsichtsrat zähneknirschend für Pötsch stimmen werden. Wohl wissend, dass der neue Oberkontrolleur schnell wieder weg sein könnte - spätestens dann, wenn von irgendwoher Vorwürfe wegen der Abgasmanipulationen kommen. Neuer Chefkontrolleur wird Pötsch ohnehin mehr auf dem Papier als in der Wirklichkeit, denn den zurzeit wichtigsten Posten im Aufsichtsrat bekommt er erst gar nicht. Das Kontrollgremium hat einen Ausschuss zur Aufklärung der Affäre gebildet. Geleitet wird er von Berthold Huber, übergangsweise Aufsichtsratsvorsitzender von VW und früher Chef der IG Metall. Huber hat schon einmal geholfen, eine große Krise eines Konzerns zu bewältigen. Das war bei Siemens. Die Schmiergeldaffäre dort kostete etliche Vorstände und auch den Aufsichtsratschef das Amt.

Normalerweise muss ein Aufsichtsratschef eines Konzerns auch die Aufklärung einer Affäre übernehmen. Dass Pötsch als Vertreter des alten Managements dafür nicht infrage kommen kann, zeigt schon, in welch schwierige Lage sich VW mit dieser Personalie bringt.

© SZ vom 07.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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