Als Martin Winterkorn vor zwei Wochen als VW-Chef zurücktrat, sagte er zum Abschied einige interessante Sätze. Zum einen, dass er damit "die Verantwortung für die bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bei Dieselmotoren" übernehme. Zum anderen aber sagte er auch, dass er sich "keines Fehlverhaltens bewusst" sei.
Verantwortung, aber keine Fehler; viele fragten sich schon damals, was das nun für die anderen Posten bedeutet, die Winterkorn noch immer im Konzern innehat. Winterkorn ist nach wie vor Vorstandsvorsitzender der Porsche Holding SE. Jener Holding, in der die Familien Porsche und Piëch als Hauptaktionäre von Volkswagen ihre Aktien gebündelt haben. Winterkorn ist außerdem noch Aufsichtsrat bei der Porsche AG, also dem Sportwagenbauer des Konzerns. Und er ist Aufsichtsratschef der VW-Tochter Audi. Und hier wird es an diesem Mittwoch spannend: Gleich nach einer VW-Aufsichtsratssitzung in der Konzernzentrale in Wolfsburg treffen sich dort am Nachmittag auch die Audi-Kontrolleure. Nun ist die Frage: Kommt Winterkorn? Oder kommt er nicht? Und falls er kommt: Leitet er dann die Sitzung?
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Viele drängen "Wiko" zum vollständigen Rückzug, die Familien warten ab
Wichtige Aufsichtsräte halten es für dringend notwendig, dass Winterkorn aus allen Ämtern bei Volkswagen ausscheidet, um einen Neuanfang zu ermöglichen. "Winterkorn muss sich komplett zurückziehen." Das ist nicht nur aus dem Arbeitnehmerlager zu hören. Auch in Kreisen der niedersächsischen Landesregierung wird davon ausgegangen, dass Winterkorn nicht auf seinen Posten bleibt. Niedersachsen ist drittgrößter VW-Aktionär nach den Familien Porsche und Piëch. Die beiden Familien wiederum halten sich zurück und warten offenbar ab, was die Vertreter der Belegschaft und des Landes Niedersachsen tun. Diese hatten Winterkorn bereits zum Rücktritt als Konzernchef gedrängt und sollen nun wohl dafür sorgen, das Wiko, wie er genannt wird, auch alle anderen Posten aufgibt.
Jedenfalls überlässt Wolfgang Porsche, der als Chef seines Clans und vor allem als Mitglied des Aufsichtsratspräsidiums bei VW in der Krise eigentlich besonders gefordert wäre, gerne anderen die Initiative. Winterkorn genieße, heißt es aus dem Umfeld der beiden Familien, weiterhin deren Wertschätzung. Die Frage sei aber, ob Wiko politisch in seinen anderen VW-Ämtern haltbar sei. Im Klartext: Die anderen Lager im Aufsichtsrat sollen Wiko sagen, dass er ganz gehen muss. Winterkorn selbst ließ am Dienstag auf Anfrage über die Pressestelle von Audi ausrichten, dass er sich nicht äußern möchte.
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Das gilt für alle Fragen an ihn: Ob er Aufsichtschef von Audi bleiben wolle, ob er seine Ämter behalten, ruhen lassen oder aufgeben wolle. Inklusive der Posten in mehreren Porsche-Gesellschaften in Österreich, die zum VW-Konzern gehören und in denen Winterkorn mit den Porsches und Piëchs zusammensitzt. Und da ist da noch die Porsche-Holding, die den Familien Porsche und Piëch gehört und die Mehrheit an VW hält. Dort, in der Holding, ist Wiko sogar Vorstandsvorsitzender. In der Holding haben die Aufsichtsratsvertreter der Belegschaft und des Landes Niedersachsen nichts mitzureden. Bleibt Wiko dort also im Amt? Ein Sprecher der beiden Familien sagt dazu nur, "Winterkorn ist Vorstandschef" der Holding.
In dieser Holding steht Winterkorn als Vorstandsvorsitzender direkt über Matthias Müller, der das Vorstandsressort "Strategie und Unternehmensentwicklung" leitet. Eine pikante Konstellation: Müller, der in der Holding unter Winterkorn arbeitet, hat diesen als Vorstandsvorsitzenden bei Volkswagen abgelöst. Müller: einerseits VW-Chef, andererseits in der Porsche Holding, dem Haupteigentümer des Konzerns, unter Winterkorn tätig, wie soll das gehen? "Die Familien halten daran fest und sagen, dass VW und Porsche Holding zwei getrennte Bereiche sind", heißt es aus Kreisen des Aufsichtsrats. Das stimmt nur bedingt. Die Porsche Holding ist formal zwar Familiensache, aber Volkswagen und die Holding haben sehr wohl viel miteinander zu tun. Die Holding hält 52 Prozent der VW-Stammaktien. Was Winterkorn dort macht, hat entscheidende Folgen für den gesamten Konzern.
Für Ulrich Hocker, Präsident der Aktionärsvereinigung DSW, die bei vielen Konzernen mitredet, ist die Sache klar: Winterkorn müsse bei Volkswagen "insgesamt raus". Auch wenn das alles für ihn unglücklich laufe und sein Lebenswerk in Frage stelle. Aus Sicht des Kapitalmarktes, also der Anleger, könne Wiko nach dem Rückzug als VW-Chef nicht in seinen übrigen Ämtern bleiben, sagt Hocker. Außerdem sei Winterkorn ja auch ausreichend entlohnt worden. Bei der Porsche Holding und Wiko macht Hocker ein Fragenzeichen. "ich weiß nicht, wie konsequent die Familien Porsche und Piëch da sind, das ganze ist ja ein Familienunternehmen."
Großes Rätselraten auch bei Volkswagen. Was macht Winterkorn? Am Mittwoch könnte man schlauer sein. Und erleichtert. Oder noch besorgter. Je nachdem, was Wiko macht