Athen streitet mit Banken:Griechenland sucht den goldenen Schnitt

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Athen verhandelt hart mit den privaten Gläubigern. Beim Schuldenschnitt geht es um viel Geld. Machen nicht alle Banken, Versicherungen und Hedgefonds mit, verpufft der gewünschte Effekt. Athen könnte die Geldgeber per Gesetz zum Verzicht zwingen, doch nicht alle wollen das akzeptieren. Bis Freitag muss eine Einigung her - sonst könnte die Griechenland-Rettung scheitern.

Bastian Brinkmann

Griechenland braucht Geld, der Staat ist so gut wie pleite. Neben den Rettungsgeldern der europäischen Steuerzahler sollen auch Banken, Versicherungen und Hedgefonds ihren Beitrag leisten. Seit Wochen verhandelt Athen mit seinen privaten Gläubigern. Sie sollen Griechenland 50, 70 Prozent oder gar noch mehr an Schulden erlassen.

Szene vor der griechischen Nationalbank. (Foto: AFP)

Seit wann verzichten Investoren überhaupt auf Geld?

Der Schuldenschnitt ist politisch gewollt. Auf dem letzten großen Griechenland-Rettungsgipfel der EU wurde vereinbart: Die privaten Gläubiger verzichten auf 50 Prozent ihrer Forderungen an Athen, dafür bekommen sie längerfristige Papiere. Griechenland soll damit um 100 Milliarden Euro entlastet werden, um die Schuldenlast zu drücken.

Der Verzicht soll aber "freiwillig" ablaufen. Denn könnte Griechenland offiziell nicht mehr zurückzahlen, ginge ein Eurostaat pleite. Das könnte im schlimmsten Falle eine neue schwere Finanzkrise auslösen.

Warum ist es für die Gläubiger so kompliziert, sich mit Griechenland zu einigen?

Es geht um viel Geld. Jedes Zehntelprozent bei den Zinsen bedeutet einen Gewinn für die eine Seite und einen Verlust für die andere. Bei den Kreditgebern Griechenlands gibt es im Grunde zwei Lager.

Zum einen sind es institutionelle Investoren, die ein Interesse daran haben, dass Griechenland wieder auf die Beine kommt. Große Banken und Versicherungen haben viel Geld, von dem sie einen großen Teil traditionell in Staatsanleihen anlegen, weil diese eine bescheidene, aber sichere Rendite abwerfen. Momentan ist ein Griechenbond aber ein Zockerpapier. Langfristig denkende Anleger sind daher bereit, jetzt auf einen kleinen Teil zu verzichten, um auch das große Ganze zu retten. Gerade erst warnte etwa Joseph Ackermann, der der Bankenlobby IIF vorsitzt, vor einer Pleite Griechenlands. Der Chef der Deutschen Bank sagte, einen Austritt des Landes aus der Eurozone wolle er "lieber nicht ausprobieren".

Auf der anderen Seite gibt es kurzfristig denkende Anleger, etwa Hedgefonds. Sie wollen keinen Cent hergeben, solange die theoretische Verpflichtung Griechenlands besteht, die Kredite voll zurückzuzahlen. Sie drohten bereits, Athen im Falle eines Schuldenschnitts zu verklagen.

Dazu kommt: Auch der Verhandlungspartner der privaten Gläubiger, Griechenland, spricht nicht mit einer Stimme. Die Politik ist zerstritten, jeder Verhandlungsschritt muss mühsam abgestimmt werden.

Was passiert bei der Europäischen Zentralbank?

Wir machen nichts, sagt die EZB. Die Währungshüter der Eurozone haben zwar von allen Gläubigern die wohl meisten Griechenlandpapiere in den Büchern, aber darüber reden möchte sie nicht. Weil sie so viele Papiere hält, soll die Zentralbank Griechenland auch einen Teil der Schuld erlassen, forderte zuletzt der Internationale Währungsfonds, der Athen ebenfalls mit Geld versorgt. Doch erst vergangene Woche hatte EZB-Chef Mario Draghi erneut die Position der Zentralbank klar gemacht: Kein Geld aus Frankfurt nach Athen.

Klar ist: Verluste der EZB sind Verluste der europäischen Steuerzahler. Die Zentralbank hat jedoch sehr günstig griechische Anleihen gekauft, die ohne Schuldenschnitt einen netten Gewinn abwerfen. Der politische Druck auf die EZB wächst, diesen Gewinn an die Griechen zurückzugeben.

Was ist der aktuelle Stand der Verhandlungen zwischen den privaten Gläubigern und Athen?

Die Verhandlungen laufen sehr verschwiegen ab. Erwartet wird, dass der Schnitt tiefer ausfällt, als im Oktober von der Politik vorgegeben - eher in der Größenordnung von 70 denn 50 Prozent. Das Handelsblatt zitierte zuletzt Notenbankkreise, die von folgender Lösung sprechen: Griechenland zwingt die Investoren per Gesetz zum Verzicht, sobald mehr als die Hälfte der Gläubiger einem Verzicht zustimmen. Diese Idee hatte Griechenlands Premier Lukas Papadimos bereits im Januar angedeutet. Wenn sich nur wenige am Schuldenschnitt für Griechenland beteiligen, verpufft der erwünschte Effekt.

Warum drängt die Einigung?

Der Fahrplan in Athen ist sehr knapp. Ohne private Gläuberbeteiligung wollen Europas Politiker nicht weitere Hilfsmilliarden nach Griechenland schicken. Das Land braucht aber dringend neues Geld: Am 20. März muss es einen Milliardenbatzen an Schulden zurückzahlen - mit Geld, das es aktuell nicht hat. Das kann nur aus dem Rettungspaket kommen.

Am Mittwoch wollten sich ursprünglich die Finanzminister der Euroländer in Brüssel treffen, um festzustellen, wie weit Athen mit seinen Hausaufgaben gekommen ist. Das treffen ist aber verschoben worden, weil nach wie vor Fragen offen seien.

Im Mittelpunkt steht das drastische Sparpaket: Lohnkürzungen, Rentenstreichungen, Entlassungen. Anfang März kann auf einem Gipfel beschlossen werden, dass das Rettungsgeld fließen soll. Vorher müssen die privaten Gläubiger aber die neuen langfristigen Papiere rechtzeitig bekommen, die sie für die aktuellen freiwillig eintauschen sollen. Neue Papiere kann man nicht über Nacht aufsetzen. Finanzminister Evangelos Venizelos sagt, das formale Angebot müsse bis 17. Februar auf dem Tisch liegen - also bis diesen Freitag.

Weil die Einigung mit den privaten Gläubigern somit jederzeit erwartet wird, kann man mit der Anleihe GR0110021236 nun Roulette spielen, die am 20. März zurückgezahlt werden soll. Die Bild-Zeitung hat gerade zugeschlagen, Ausgang offen. Einen eventuellen Gewinn will das Boulevardblatt spenden. Griechenland-Zocker kalkulieren so: Der Preis dieser Anleihe pendelt aktuell um die 40 Euro. Zahlt Griechenland die Schulden Ende März komplett zurück, bekommt man für dieses Investment 100 Euro. Geht Athen bankrott, bleibt nichts.

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