All night long. Bis in die Morgenstunden feilschten und verhandelten Europas Spitzenpolitiker in Brüssel, dann war klar: Es gibt eine Einigung. Ein ganzes Bündel an Maßnahmen soll die Schuldenkrise beenden.
[] Schuldenschnitt für Griechenland: Nach zähen Verhandlungen hat sich der EU-Gipfel mit den privaten Gläubigern auf einen freiwilligen Schuldenschnitt - im Bankerjargon Haircut genannt - von 50 Prozent geeinigt. Die Griechen müssen somit nur die Hälfte ihrer Verbindlichkeiten zurückzahlen. Damit werden Banken und Versicherungen stärker am neuen Griechenland-Paket beteiligt als bisher angenommen. Bisher war lediglich von einem freiwilligen Abschlag von 21 Prozent auf griechische Staatsanleihen die Rede.
[] Zweites Hilfspaket für Griechenland: Griechenland wird ein neues Hilfspaket von 100 Milliarden Euro bekommen. Es soll bis Jahresende endgültig ausverhandelt sein. Im Juli hatten die Regierungen der Euro-Länder ursprünglich 109 Milliarden Euro öffentliche Hilfe beschlossen. Diese war aber nie abschließend auf den Weg gebracht worden. Nun kommen allerdings zusätzliche Garantien in Höhe von 30 Milliarden Euro als Beitrag des öffentlichen Sektors für den Schuldenschnitt hinzu. Im Gegenzug soll Griechenland bei der Umsetzung seines Spar- und Reformprogramms künftig schärfer überwacht werden.
[] Erweiterter EFSF mit zwei Hebel-Varianten: Die Schlagkraft des Rettungsfonds EFSF wird mit einem sogenannten Hebel auf eine Billion Euro vervielfacht. Bislang konnte der Fonds effektiv lediglich 440 Milliarden Euro Kredite vergeben. Dabei kommen zwei Varianten des Hebels parallel zum Einsatz: Einerseits bietet der EFSF eine Art Teilkaskoversicherung auf frische Anleihen von Schuldenstaaten. Bei einem Zahlungsausfall übernimmt damit der Rettungsschirm einen Teil des Risikos privater Anleger.
Zudem soll ein neuer Sondertopf geschaffen werden, an dem sich der Internationale Währungsfonds IWF beteiligt. Dieser Fonds investiert in Anleihen, die der EFSF ebenfalls zum Teil absichert. Dabei könnten ausländische Investoren wie Staatsfonds aus China mitmachen.
[] Banken sollen solider werden: Der erste Beschluss des Brüsseler Euro-Gipfels galt den Banken. Europas Großbanken sollen ihr Eigenkapital aufstocken und künftig neun Prozent Kernkapital vorhalten, um den Ausfall von Anleihen aus Euro-Problemländern abfedern zu können. Bis das Ziel erreicht wird, sollen sich die Geldhäuser bei ihren Dividenden und Boni beschränken, hieß es in der Gipfelerklärung. Als Termin wurde der 30. Juni 2012 avisiert.
Im Gipfelbeschluss werden für diese Rekapitalisierung keine Summen genannt, doch die Europäische Bankenaufsicht EBA schätzt den Kapitalbedarf auf rund 100 Milliarden Euro. Auf Deutschland entfallen dabei rund fünf Milliarden Euro, auf Frankreich rund zehn Milliarden Euro.
[] Appelle an Spanien: In ihrer Gipfelerklärung fordern die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone Spanien auf, weitere Maßnahmen zur Konsolidierung seiner Finanzen zu ergreifen. Madrid soll die Wirtschaft ankurbeln und die "inakzeptabel hohe Arbeitslosigkeit" abbauen. Auch sollten die Tarifverträge flexibler gestaltet werden und die Unternehmen wettbewerbsfähiger wirtschaften.
[] Problemfall Italien: Italien war lange die große Unbekannte in Brüssel. Noch um 19 Uhr fehlten die Passagen zu dem hochverschuldeten Land im Entwurf der Gipfelerklärung. Bis zu diesem Zeitpunkt war auch noch unklar, was Ministerpräsident Silvio Berlusconi in seinem mit Spannung erwarteten Brief an Sparzusagen anzubieten hatte.
Dann sickerten langsam die Pläne der italienischen Regierung durch: Von 2026 an sollen Männer und Frauen in Italien mit 67 Jahren in Rente gehen. Außerdem will Berlusconi für fünf Milliarden Euro pro Jahr Staatseigentum privatisieren. Welche Unternehmen verkauft werden sollen, will er bis zum 30. November in einem Plan vorlegen. Eine spezielle Kommission soll helfen, die Schulden abzubauen.
Berlusconi war beim letzten Gipfel zur Euro-Krise wegen der hohen Staatsschulden Italiens unter Druck geraten. Dies brachte die Koalition in Rom erneut an den Rand des Auseinanderbrechens. Am Gipfeltag machten Spekulationen die Runde, dass Berlusconi Neuwahlen angeboten habe, um seinen Koalitionspartner - die Lega Nord - zu Zugeständnissen in der Sparpolitik zu bewegen.
[] Stärkere Aufsicht: Die 17 Euro-Länder wollen sich künftig zweimal im Jahr treffen, um gemeinsame Strategien in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik festzulegen. Auf Dauer sollen die Gipfel der Euro-Zone einen eigenen Chef bekommen. Zunächst nimmt der ständige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy das Amt wahr.