E-Autos:Deutsche Autohersteller sind entsetzt über chinesische Elektroquote

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Noch Zukunftsvision: das selbstfahrende Elektroauto LeSee. Es soll in China produziert werden. (Foto: Ng Han Guan/AP)
  • Im chinesischen Automobilmarkt soll es 2018 eine Elektroquote geben.
  • Die deutschen Hersteller sind beunruhigt - für sie hätte so eine Quote erhebliche Konsequenzen.
  • Die Hoffnungen ruhen nun auf Wirtschaftsminister Gabriel.

Von Christoph Giesen, Peking, und Thomas Fromm, Peking/München

Da war er plötzlich, dieser Gesetzentwurf, eingestellt vor wenigen Wochen auf der Webseite des chinesischen Industrie- und Informationstechnologieministeriums. Seitdem ist die Autoindustrie in heller Aufregung. Denn: Kern des Gesetzes ist eine Elektroquote im größten Automarkt der Welt. Und was die Hersteller am meisten beunruhigt: Sie soll bereits ab 2018 gelten.

Der Entwurf sieht vor, dass in einem Jahr und zwei Monaten für acht Prozent aller in China verkauften Fahrzeuge sogenannte Kreditpunkte gesammelt werden müssen, 2019 dann für zehn Prozent und 2020 zwölf Prozent. "Noch ist nicht ganz klar, mit welchen Multiplikatoren gerechnet wird. Die Unruhe in der Branche ist aber gewaltig", sagt Jochen Siebert, Geschäftsführer der Beratungsfirma JSC Automotive in Shanghai.

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Die Faustformel, mit der die Konzerne derzeit kalkulieren, lautet: vier Punkte für ein Elektrofahrzeug, zwei Punkte für einen Plug-in-Hybriden. Ähnlich rechnet auch Cui Dongshu, Generalsekretär der China Passenger Car Association. Und er sagt: "Wenn zum Beispiel VW 2018 - so wie derzeit - etwa drei Millionen Autos in China verkauft, muss der Konzern 60 000 E-Autos herstellen." Bei Plug-in-Hybriden mit einer elektrischen Reichweite von 50 Kilometern seien sogar 120 000 Exemplare notwendig. Gelingt das nicht, müsste VW entweder die Produktion drosseln oder aber anderen Herstellern Kreditpunkte abkaufen. Doch wie viel ein Punkt künftig kostet, weiß niemand.

"Gelingt es in den kommenden Wochen nicht, Pekings Vorstellungen entscheidend zu beeinflussen, werden die großen Hersteller die chinesische Industrie mit enormen Investitionen päppeln müssen", warnt Siebert. Und selbst Verbandsmann Cui räumt ein: "Für Konzerne wie VW bedeutet das großen Stress."

Doch selbst ein Unternehmen wie BMW, das hierzulande als Elektropionier gilt, wird sich strecken müssen. Von Januar bis September 2016 haben die Münchner 379 000 Autos in China verkauft, davon genau 1204 Elektrofahrzeuge. Dazu noch etwa 600 Plug-in-Hybride.

Jahrelang ging es der Industrie in China blendend. Mehr als 180 Millionen Autos fahren inzwischen in der Volksrepublik. Mehr als 20 Millionen Autos werden jedes Jahr verkauft. Dass VW trotz Dieselskandal immer noch gut dasteht, hat der Konzern vor allem China zu verdanken. Vier von zehn Autos setzt der Konzern in der Volksrepublik ab, bei der Kernmarke VW ist es sogar jedes zweite. Eine gewaltige Abhängigkeit ist so über die Jahre entstanden: Für Konzerne wie VW, aber auch für China, und damit soll es nach dem Willen der Führung in Peking bald vorbei sein.

Chinas Kader haben eingesehen, dass trotz Dutzender staatlich verordneter Joint Ventures chinesische Firmen beim Verbrennungsmotor technisch nicht aufgeholt haben. Audi, BMW und Daimler liegen vorne und eben nicht Geely, Chery oder Brilliance. Die Elektromobilität bietet eine neue Chance für China, Weltmarktführer zu werden - koste es, was es wolle.

Im vergangenen Jahr wurden nach offizieller Zählung 331 092 Elektrofahrzeuge in China verkauft. Mehr als 90 Milliarden Yuan, umgerechnet zwölf Milliarden Euro, gab der Staat dafür an Subventionen aus. Derzeit zahlt Peking für ein Elektroauto aus chinesischer Produktion einen Zuschuss von etwa 8000 Euro. Und je nach Stadt können noch weitere Subventionen dazukommen.

In den großen Städten sind es für viele Chinesen vor allem praktische Erwägungen, ein E-Auto zu kaufen. Wer in Shanghai oder Peking ein Auto anmelden möchte, braucht Geduld, Geld oder eben ein Elektroauto. Einmal im Monat findet in Shanghai eine Auktion statt. Die Höchstbietenden bekommen dann eine Zulassung. Halter von Elektroautos müssen nicht an der Auktion teilnehmen. Das gilt auch für Peking. In der Hauptstadt werden einmal im Monat Nummernschilder verlost. Nur etwa jeder 700. Bewerber hat Erfolg. Wer ohne Hauptstadt-Plakette in Peking fahren möchte, muss jede Woche eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Da sind die Elektroautos eine echte Alternative.

Im Frühsommer verkündete die Regierung forsch, dass im Jahr 2020 etwa 70 Prozent aller in China verkauften E-Autos von rein chinesischen Herstellern stammen sollen. 2025 sollen es dann 80 Prozent sein. Eine Kampfansage.

"Wir setzen darauf, dass China einen verlässlichen Wettbewerb und fairen Marktzugang auch für nicht-chinesische Unternehmen sichert und diskriminierungsfreie Regelungen trifft", fordert VDA-Präsident Matthias Wissmann. "Es ist wesentliches Merkmal einer Marktwirtschaft, dass umweltpolitische Gesetze, Regulierungen oder Fördermaßnahmen für alle Unternehmen gleichermaßen gelten, unabhängig davon, wo sie produzieren oder forschen." Auch die deutsche Botschaft ist bereits bei den chinesischen Behörden vorstellig geworden. So schrieb der deutsche Botschafter im Juni einen Brief an den zuständigen Industrieminister, in dem er sich über einige der geplanten Regelungen sehr besorgt zeigte und um rasche Klärung bat. Die Antwort steht bis heute aus. Viel Hoffnung setzen die Hersteller nun auf den Besuch von Wirtschaftsminister Gabriel. Er soll das Thema am Dienstag in Peking ansprechen. Die Zeit drängt.

© SZ vom 31.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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