Cocktailbars:Mit Stil, ohne Angeberei

Cocktailbars: Betty Kupsa liebt Mini-Cocktails auf Tequilabasis. Ihre Bar führt mehr als hundert Sorten Tequila.

Betty Kupsa liebt Mini-Cocktails auf Tequilabasis. Ihre Bar führt mehr als hundert Sorten Tequila.

(Foto: Anne Backhaus)

In der Barszene etablieren sich immer mehr Frauen. Das ist gut für die Gäste und die Cocktailkultur. Ein Abend an der Tequila-Theke von Betty Kupsa.

Von Anne Backhaus

Es ist nur ein Mal wirklich still in der Bar an diesem Samstagabend. Selbst der Kiez draußen scheint für einen Augenblick die Luft anzuhalten. Drinnen am Tresen steht Bettina Kupsa, knallroter Mund, schwarzer Pagenschnitt, und mag die Frage nicht, die ihr gerade gestellt wurde. Jetzt starrt sie einen an, so lange, bis niemand mehr im Raum etwas sagt. Dass es ein einziges Warten ist, was sie denn nun antworten wird. Dann beginnt Kupsa zu lachen. So laut, dass sich alles löst. Als hätte es gewittert und der Regen würde die Luft sauber waschen. Alle wieder atmen lassen.

Die Frage war, warum so wenige Frauen eine eigene Bar haben; ob es für sie schwerer oder anders ist, eine Bar zu führen? Bettina Kupsa, die am liebsten Betty genannt wird, hat darauf entweder keine rechte Antwort oder die Antworten, die es gibt, sind ihr zu blöd. Ganz klar wird das erst einmal nicht. Jedenfalls hält die Barfrau solche Fragen für "Bullshit". Für so einen Unsinn, dass sie erst starren und dann lachen muss. Danach kann dann auch ihr Team lachen, ironische Sprüche machen über die "schüchterne Betty", das "zarte Gemüt".

Denn die Inhaberin des "Chug Club" auf Hamburg St. Pauli ist ja das Gegenteil davon. Und das hat sicher auch dazu beigetragen, dass sie zu einer der Vorzeigefrauen in der männerdominierten Barwelt wurde. "Ich hatte nie Probleme", sagt sie dann doch. "Wahrscheinlich aber auch, weil ich meine Rolle als Frau nie infrage gestellt habe. Das ist sicher typabhängig." Mit ihrem markanten Auftreten wurde sie selbst zur Marke, gehört zu den besten Bartenderinnen und den wenigen Frauen, die eigene gehobene Cocktailbars führen.

Wieso ist das so? Wer diese Frage stellt, hört von den (meist männlichen) Szenekennern, Gastronomie sei eben immer Risiko und Frauen liebten das Risiko nicht. Man müsse auch viel schleppen, sich ständig gegen Männer durchsetzen. Beides schrecke Frauen ab. So wirklich abgeschreckt wirkt die neue Generation der weiblichen Bartender allerdings nicht. Eher sehr erfolgreich.

Es gibt inzwischen einige Frauen, die sich mit Drinks einen Namen machen. Ende letzen Jahres setzte sich die Französin Jennifer Le Nechet gegen fast zehntausend Mitbewerber durch und gewann als erste Frau überhaupt den Titel "World's Best Bartender". Im Mai siegte Chloé Merz als erste Frau bei der "Made in GSA Competition" für den deutschsprachigen Raum. Und in den USA, der Heimat der Cocktailkultur, wird die Szene dominiert von Frauen wie Audrey Saunders, Chefin des New Yorker "Pegu Club", und Julie Reiner, die unter anderem den "Clover Club" als beste Cocktailbar in Brooklyn etablierte. Ihre Bars zählen zu den besten der Welt.

Früher waren Bars Orte für Männer. Sie gehörten Männern, und dort tranken Männer. Waren Frauen anwesend, waren es eher nicht die zum Heiraten. "Wenn du die Farbe ihrer Schlüpfer siehst, weißt du, dass du Talent hast", riet 1988 im Kinofilm "Cocktail" der Chefbartender seinem Kollegen Brian, gespielt von Tom Cruise. Die Drinks waren damals ähnlich eklig. Süße, bunte Fruchtcocktails, die man mit dem Strohhalm einsog. Erst in den Neunzigern kamen Würde und klassische Cocktails zurück, die Tresen wurden stilvoll.

Das zweite goldene Zeitalter der Cocktailbars hat begonnen

Heute heißt es, wir seien im zweiten goldenen Zeitalter der Cocktailbars angelangt. Das erste liegt gut 150 Jahre zurück. 1862 veröffentlichte Jerry Thomas seinen legendären Rezeptband "How to Mix Drinks or The Bon Vivant's Companion". Was damals als hochwertiges Getränk entdeckt wurde, ist heute zur regelrechten Wissenschaft geworden. Einer neuen Trinkkultur.

In Cocktailbars geht es nicht ums Besoffenwerden, sondern um Genuss. Um Drinks aus hochwertigem Alkohol, mit verschiedenen Eiswürfelarten, Bitters, frischen Säften, selbstgemachtem Sirup. Manchmal ist es fast schon absurd, wofür sich Bartender feiern lassen. Der neue Hype um Hochprozentiges fällt in eine Zeit, in der Handgemachtes und Individuelles nicht nur in der Gastro gut laufen. Die neue Bartendergeneration ist über alle internationalen Getränketrends informiert. Viele nennen sich Mixologen.

Neben den Drinks wurde vor allem der Beruf aufgewertet. Vor 20 Jahren war es undenkbar, einen Cocktailbartender mit einem Sternekoch zu vergleichen, heute gibt es Menschen, die das ironiefrei tun. Bartending wie Kochen sind Genussdisziplinen. Kein Wunder, dass in der Barkultur nun Begriffe wie "Liquid Kitchen" und "Cuisine Style" fallen, weil die Barkeeper immer mehr Zutaten aus der Küche in Drinks mischen.

Sehr gefragt: Cocktail-Menüs aus Tequila

"Ich wurde vielleicht nicht hinterfragt. Meine Idee, mich auf Tequila zu spezialisieren, dagegen schon", sagt Betty Kupsa, 40. Vor zwei Jahren eröffnete sie in einer Seitenstraße der Reeperbahn, hat sieben Tage die Woche bis spät in die Nacht geöffnet. Man muss wissen, wo sich ihr Chug Club genau befindet, um ihn auch zu finden. Die Fenster sind verklebt, denn sie will keine volltrunkene Laufkundschaft von der Feiermeile anziehen.

"Chug", was aus dem Englischen übersetzt so viel wie "auf ex trinken" heißt, meint hier nicht, sich schnell besinnungslos zu saufen. Obwohl Kupsa auf Tequila spezialisiert ist. Der wird bei ihr aber eben nicht mit dem Kopf im Nacken, Zitrone und Salz getrunken. Aus den Hunderten Sorten, die sie in ihrer Bar führt, macht sie mit ihrem Team lieber besondere Cocktails. Zum Beispiel den "Fresh Prince" mit einem Zitronengras-Ingwer-Tequila, Ingwersirup, Limette, etwas Soda und schwarzem Pfeffer.

Wer so etwas mal getrunken hat, wird es wahrscheinlich wieder bestellen. Kupsa versteht es, aus den auf den ersten Blick manchmal absonderlichen Zutaten, überraschende und doch unkomplizierte Cocktails zu mixen. Wer so etwas nicht kennt, wird es aber eher gar nicht bestellen. Deswegen gibt es die Drinks sowohl in normalen Größen als auch in kleinen Gläsern, ähnlich wie Schnaps. So kann man für vier Euro einen Cocktail ausprobieren. Oder man bestellt gleich für 20 Euro ein Chug Menü, das sind fünf aufeinander abgestimmte kleine Cocktails mit einem "Zwibie" - einem Zwischenbier zur Neutralisierung.

Kupsa hat damit einen Nerv getroffen, das Menü ist sehr gefragt. Nach und nach werden Chugs durch den bis auf den letzten Platz gefüllten und in dunklen Tönen gehaltenen Raum getragen, den Gästen serviert, jeder Einzelne kurz und überaus freundlich erklärt. Keiner kommt sich hier dumm vor, auch nicht, wer sich nicht so gut mit Cocktails auskennt, aber trotzdem etwas Besonderes trinken möchte.

Betty Kupsa war vor ihrer Selbstständigkeit als Bartenderin im "Le Lion" in Hamburg angestellt, das ebenfalls als eine der besten Bars der Welt gilt. Sie versteht es, Gäste zu bewirten. Alle sollen sich wohlfühlen. "Sonst sind die beste Idee und die hochwertigsten Produkte nichts wert," sagt sie. Mit dem neuen Interesse an Cocktails ist auch die Beratung wichtiger geworden.

"Bartenderinnen wie Betty haben da eine sehr angenehme Selbstverständlichkeit", sagt Nils Wrage, Chefredakteur der Fachzeitschrift Mixology. "Männer wollen sich und ihre Fähigkeiten mehr demonstrieren. Frauen haben es nach meiner Erfahrung weniger nötig, auf sich als Fachkraft hinzuweisen. Sie konzentrieren sich auf den Gast und liefern lieber exzellent ab."

Stil und Können - ohne groß anzugeben. Uwe Voigt, Leiter der ältesten deutschen Barschule in Rostock, sieht das ähnlich. "Seit ein paar Jahren kommen immer mehr Frauen zu uns", sagt er. "Inzwischen machen sie von 350 Schülern im Jahr gut ein Drittel aus. Sie gründen nicht alle Bars, aber sie überschätzen sich eben auch nicht so leicht wie manche männliche Kollegen." Es gehört ein Menge dazu, eine gehobene Bar zu führen.

Barkeeper nehmen sich oft zu wichtig

Betty Kupsa hatte trotz ihrer Erfahrung zu kämpfen, zur Gründung gehören nicht nur gute Drinks, sondern auch Probleme. Angefangen bei der Location-Suche, über die Finanzierung bis hin zur Installation eines Lüftungssystems, das Kupsa "einmal nur noch hat heulen lassen". Später am Abend nickt sie durch den Barraum, mehr als die Hälfte der Gäste sind Frauen. "Sie trinken ja nicht mal anders als Männer", sagt Kupsa.

Sie mag diese Klischees nicht. Auf die Eingangsfrage kommt sie trotzdem freundlich zurück. "Ein Grund, warum wenig Frauen Bars haben, ist vielleicht, dass sie Kinder kriegen. Ich kenne durchaus Frauen die Kinder haben und Bars betreiben. Aber ich stelle es mir unglaublich schwierig vor, beides unter einen Hut zu bringen." Sie ist jetzt schon seit 15 Stunden auf den Beinen. Die Nacht hat sich vor die Tür gelegt. Wer draußen noch kurz stehen bleibt, kann Kupsa drinnen lachen hören.

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