Wimbledon:Djokovic findet die Balance

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Novak Djokovic (re.) und Serena Williams: Zwei Sieger unter sich (Foto: Thomas Lovelock/dpa)
  • Novak Djokovic gewinnt das Turnier in Wimbledon, weil er sein bestes Tennis zeigt.
  • Der unterlegene Roger Federer lobt ihn nach der Partie.
  • Der Erfolg von Djokovic hängt auch mit seiner Familie zusammen.

Von Lisa Sonnabend, Wimbledon

So erfolgreich zu sein wie Novak Djokovic ist also ganz einfach. Nachdem der Weltranglistenerste das Wimbledon-Finale wie im Vorjahr gegen Roger Federer gewonnen hatte, wollten am Sonntagabend alle wissen, wie er das nur anstelle. "Seit ich verheiratet und Vater bin, habe ich kaum noch Matches verloren, viele Turniere gewonnen", sagte Djokovic. "Deswegen rate ich allen Tennisspielern: Heiratet, zeugt Kinder!"

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Novak Djokovic liebt Rasen: Mit dem dritten Wimbledon-Titel zieht er mit seinem Trainer Boris Becker gleich. Er besiegt Roger Federer, obwohl er im zweiten Durchgang sieben Satzbälle vergibt.

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Natürlich spielt niemand besser Tennis, nur weil er einmal die zehnminütige Zeremonie am Standesamt mitgemacht hat. Doch Djokovics simple Erklärung verrät trotzdem viel Wahres: Der 28-Jährige musste erst seine Balance finden, um das Männertennis zu dominieren. Natürlich gewann Djokovic nicht nur in Wimbledon, weil er in den vergangenen zwei Wochen oft den Kinderwagen durch den Common Park schob. Es gehört mehr dazu. Aber der Kinderwagen ist ein Puzzleteil. Er erdet, er beruhigt ihn, er erfüllt ihn.

Eine wichtige Rolle für den Erfolg von Djokovic spielt auch jener Mann, der in weißem Poloshirt in seiner Box saß und sich am Sonntag immer wieder vor Anspannung durch die roten Haare strich: sein Trainer Boris Becker. Djokovic betont immer wieder, wie sehr ihm der ehemalige Wimbledon-Sieger geholfen habe, mental stärker zu werden. "Es hat ein bisschen gebraucht, bis wir uns verstanden haben", verriet der 28-Jährige nach dem Finale frech, lobte seinen Coach dann aber überschwänglich: "Sein Anteil an der Trophäe ist so groß wie meiner."

Tatsächlich startete Djokovic deutlich weniger nervös in das Match gegen Federer als in andere Endspiele zuvor. Dabei war die Situation keine leichte: Der Großteil der 15 000 Zuschauer wollte, dass Federer seinen achten Wimbledon-Sieg holt. Zudem hatte der Schweizer das Turnier über so souverän gespielt wie kein anderer, Djokovic dagegen musste gegen Kevin Anderson sogar einen 0:2-Satzrückstand drehen.

Doch als Federer im ersten Satz ein Break gelang, nahm der Weltranglistenerste ihm sofort im anschließenden Aufschlagspiel das Service ab und gewann den Tiebreak souverän. Als Djokovic im zweiten Durchgang kurz strauchelte und sieben Satzbälle vergab, kippte das Match nicht. Er verlor zwar den Tiebreak, doch danach drehte er auf und entschied die folgenden zwei Sätze sicher für sich.

Djokovic war an diesem Nachmittag nicht nur Mensch, er war auch Maschine. Federer hatte auf dem Weg ins Finale 89 seiner 90 Aufschlagspiele gewonnen, dem Serben gelangen im Endspiel vier Breaks. Während Federer 35 unerzwungene Fehler produzierte, unterliefen Djokovic nur 16. Die Returns donnerte er gefährlich zurück, die Grundschläge schoss er präzise an die Linien, sein eigener Aufschlag ließ ihn nie im Stich.

Federer hatte keine Chance, sein Angriffstennis so fulminant aufzuziehen wie im Halbfinale gegen Andy Murray. "Novak hat nicht nur heute großartig gespielt", lobte der 33-Jährige nach der Niederlage. "Er spielte so die vergangenen zwei Wochen, das ganze Jahr und das Jahr zuvor."

Federer mag der beste Spieler der Geschichte sein, Djokovic hat nun einmal mehr klargestellt, wer der beste der Gegenwart ist. Seine Bilanz 2015: 48 Siege, nur drei Niederlagen. Neben Wimbledon gewann der Serbe auch die Australian Open. Hätte er nicht vor wenigen Wochen das Finale von Roland Garros gegen Stan Wawrinka verloren, würde die Tennisszene bis zu den US Open nicht nur von der historischen Chance der Serena Williams reden. Sondern Djokovic hätte als erster Mann seit Rod Laver 1969 den Grand Slam gewinnen können.

Allzu sehr hat ihn die Niederlage in Paris jedoch offenbar nicht geschmerzt. Er habe gelernt, Dinge hinter sich zu lassen, nach vorne zu schauen, sagte der 28-Jährige. "Als ich nach Wimbledon kam, habe ich nicht mehr an die French Open gedacht."

Nach dem gewonnenen Titel gab Djokovic sich locker. Er knabberte wieder am Gras, wie er es auch bei seinen beiden Triumphen zuvor gemacht hatte. Als Kind habe er sich vorgenommen: Wenn er einmal Wimbledon gewinnen sollte, dann werde er ein paar Halme aufessen. Doch Djokovic ließ nicht zu tief in sich hineinschauen. Auf der Pressekonferenz saß er unaufgeregt da, nur sein Kopf bewegte sich. Er sprach ruhig, fast monoton. Die Freude, die er fühlte, war nur zweimal zu spüren gewesen: Als er im Moment des Sieges die Arme auf dem Centre Court weit ausbreitete und als er im Bauch des Stadions seine Frau traf, die beiden sich immer wieder umarmten.

Nach dem Champions Dinner wird Djokovic nun erst einmal Urlaub mit der Familie machen, er will "Energie für die Hartplatzsaison sammeln, um die Grand-Slam-Saison bestmöglich abzuschließen". Es klingt so, als wisse Djokovic genau, wie er seine Balance justieren muss. Es sind keine guten Nachrichten für die Konkurrenz.

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