Finale von Wimbledon:Gut abgeschmeckt

Wimbledon Championships

Nach dem Triumph die Geschmacksprobe: Novak Djokovic steht auf Gras

(Foto: dpa)
  • Novak Djokovic siegt zum dritten Mal im Finale von Wimbledon - damit zieht er mit seinem Trainer Boris Becker gleich.
  • Der Serbe schlägt Roger Federer in vier Sätzen.
  • Dabei hatte Djokovic im zweiten Durchgang sieben Satzbälle vergeben.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Am Morgen bereits herrschte diese spezielle Atmosphäre, die Tage mit sich bringen, wenn Bedeutsames ansteht. Vor der Aorangi Terrace, dem auch als Henman Hill bekannten Hügel, wurden letzte Anweisungen an die Stewards gegeben, die Hilfskräfte. Im Klubhaus des All England Club zupfte sich eine Harfenistin warm, während der frühere Profi und Rüpel John McEnroe, nun Fernsehexperte, im Vorbeigehen dem früheren US-Open-Sieger Andy Roddick erzählte, er sei früher lieber mit Borg in der Kabine gesessen als mit Connors.

Novak Djokovic und Roger Federer tauchten dann auch auf, der Serbe schlug mit Mikael Ymer Bälle, dem 16-jährigen Schweden, der später sein Junioren-finale verlor. Der Schweizer wählte Ivan Ljubicic, einst Profi und jetzt Trainer von Milos Raonic, als Hitting Partner, und um zu verstehen, dass das 129. Endspiel bei diesen Championships zwei Ebenen haben sollte, reichte ein Blick an die Seiten. Bei Djokovic stand Boris Becker. Bei Federer Stefan Edberg. Beide in der Funktion als Coach. Die frühere Rivalität zwischen dem Deutschen und dem Schweden fand auch an diesem Sonntag eine pikante Fortsetzung; allein von 1988 bis 1990 kämpften sie im Endspiel hier stets gegeneinander.

Nun waren ihre Spieler an der Reihe, als diese um Punkt 14 Uhr aus der Kabine schritten und sich 15 000 Menschen auf den Tribünen des Centre Courts erhoben. Gut dreieinhalb Stunden später, nach einer Spielzeit von 2:55 Stunden - zuzüglich Regenpause - sprangen die Claqueure von Djokovic als Erste auf. Becker umarmte den Fitnesstrainer Gebhard Phil-Gritsch, Physio Miljan Amanovic umarmte Jelena, die Gattin des Weltranglisten-Ersten.

Edberg blickte entgeistert, wie Federers langjähriger Trainer Severin Lüthi neben ihm nahm er die 6:7 (1), 7:6 (10), 4:6, 3:6-Niederlage sichtlich enttäuscht hin. Der 28-Jährige aus Belgrad, der Titelverteidiger, er erzielte damit seinen neunten Grand-Slam-Triumph. Federer, der siebenmalige Wimbledon-Champion, muss ein andermal versuchen, Geschichte zu schreiben. Denn noch nie hat jemand das berühmteste Turnier achtmal gewonnen.

Die Partie begann auf durchschnittlichem Niveau, bezeichnend waren unsaubere Schläge von Federer, der einige Bälle mit dem Rahmen ins Aus beförderte. Den ersten Aufschlagverlust musste Djokovic hinnehmen zum 2:4, er konterte aber mit dem Re-Break und wehrte bei 5:6 nervenstark zwei Satzbälle ab. Den Tie-Break entschied er mit 7:1 für sich.

Nur 13 leichte Fehler gegenüber 29 von Federer

Im zweiten Satz ging es wieder knapp hin und her, manchmal öffnete sich ein Fenster für eine Chance, Djokovic hatte nach einem Doppelfehler Federers Satzball bei 5:4. Federer hatte einen Breakball bei 5:5. Eine Schwäche zeigte Federer, zu oft ließ er Djokovic wie einen Hartplatzspieler agieren. Seine Stärken - das taktisch geschickte Angreifen ans Netz - kamen zu selten zur Entfaltung. Umso erstaunlicher war sein Comeback Ende des zweiten Satzes. Djokovic lag im Tie-Break 6:3 vorne, vergab aber auch die Satzbälle fünf bis sieben, ehe Federer seinen zweiten Satzball nutzte, indem er mit einem Rückhandvolley zum 12:10 abschloss. Sein Mut in dieser Phase wurde belohnt, die Menge tobte, als hätte die Silvesteruhr am Big Ben zwölf Uhr nachts geschlagen.

Der dritte Satz startete mit Breakchancen auf beiden Seiten, Djokovic schlug bei 1:1 als Erster zu, und nun mutierte er zu dem Wesen, das in 2015 schon fünf Titel gewann und in jedem der drei Grand Slams im Finale stand. Waren Edberg und Lüthi noch in den ersten beiden Sätze wiederholt aufgesprungen, blieben sie nun sitzen.

Eine Unterbrechung wegen Regens brachte Djokovic auch nicht von seiner chirurgisch präzisen Arbeit ab. Nur 13 leichte Fehler gegenüber 29 von Federer, dazu nur zwölf Vorstöße Federers ans Netz - das war der Schlüssel zum 6:4. Von jener Klasse, jener Leichtigkeit auch, die der 17-malige Grand-Slam-Gewinner im Halbfinale gegen den Schotten Andy Murray präsentiert hatte, waren indes auch im vierten Satz nur noch Nuancen zu erkennen. Seine Körpersprache wies auf Zweifel hin, sein Blick war oft gesenkt, manchmal versuchte er sich mit einem "Come On!" aufzuputschen. Djokovic gelang das Break zum 3:2, er spulte sein Spiel wuchtig herunter. Den Satz und damit das Match schloss er mit einem zweiten Break zum 6:3 ab.

Damit hat Djokovic drei Wimbledon-Trophäen erspielt, wie Becker, sein Trainer seit 2014. "Wir trinken ein Glas Bier oder ein Glas Wein, irgendwas", sagte der Sieger und bekannte am Mikrofon, sogar alle in der königlichen Loge hörten es: "Es hat ein bisschen gedauert, bis wir uns verstanden", er lachte, "er ist deutsch, ich serbisch." Und mit dem Goldpokal in der Hand frotzelte er: "Er darf jetzt keine Sprüche mehr klopfen." Federer gratulierte souverän und meinte nur: "Novak hat nicht nur heute, sondern zwei Wochen lang und das ganze Jahr und das letzte Jahr und das Jahr zuvor überragend gespielt."

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